Nachdem wir das touristische Pflichtprogramm (Aberdeen, New Territories…) und einen Abstecher in die portugiesische Enklave Macau, wo in chinesischen Gärten Kartenleger, Handleser und Wahrsager ihre Dienste feilboten sowie ältere Frauen Tai-Chi Übungen nachgingen, absolviert hatten, hatten wir schon einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns alles in China erwarten sollte, erhalten. Vom Victoria Peak aus blickten wir bei unangenehm kaltem Wind noch einmal über das abendliche Lichtermeer Hongkongs mit etlichen flackernden bunten Neonreklamen, bevor wir uns auf die Nachtfähre begaben, die uns nach Kanton brachte.

Nach der recht unkomplizierten Einreise luden wir unsere Rucksäcke in der Jugendherberge ab und gingen gleich auf Besichtigungstour. Anfänglich hatten wir mittelschwere Probleme beim Überqueren der Straßen, da diese von massenhaft unterschiedlich schnell fahrenden, laut klingelnden Radfahrern in Beschlag genommen waren. Durch Beobachten der Fußbevölkerung fanden wir jedoch schnell heraus, daß man einfach drauflosgehen mußte, wollte man nicht den ganzen Tag wartend am Straßenrand verbringen. Tatsächlich sind wir immer unbeschadet auf der anderen Seite angekommen, konnten jedoch häufiger kleinere Kollisionen beobachten. Wären wir beteiligt gewesen, hätten wir sicher die Schuld bekommen, denn die chinesische Logik macht deutlich, daß der Unfall nicht passiert wäre, wenn wir als Ausländer nicht dort gewesen wären.

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Während wir durch die Straßen liefen, gelangten wir auf einen Gemüse- und Gewürzmarkt, auf welchem wir mindestens ebenso interessiert betrachtet wurden wie wir uns umschauten. Man lachte, zeigte auf uns und wollte uns natürlich allerlei verkaufen. Die Verständigung war hierbei - wie so häufig - auf Mimik und wilde Gesten mit Händen und Füßen beschränkt. Ein paar Schritte weiter meinten wir in einer Zoohandlung zu stehen: Erhältlich war alles, was sich bewegte: Katzen, Hunde, Rehe, Geflügel, Biber, Ratten, Maulwürfe, Schlangen, Frösche, Meeresgetier etc. Als wir jedoch bemerkten, daß die Tiere lebendig gehäutet, aufgeschlitzt und von Chinesen begeistert gekauft wurden, wurde uns gewahr, daß es keine Zoohandlung sondern ein chinesischer Lebensmittelmarkt war, auf dem wir uns befanden. Was in Deutschland unter schwere Tierquälerei oder groben Verstoß gegen das Tierschutzgesetz fällt, gehört in China zum Alltag. Gerade von den Kantonesen heißt es, sie äßen ‘alles, was fliegt und kein Flugzeug ist, was schwimmt und kein Schiff ist und vier Beine hat und kein Tisch ist’. Ebenso könnten sie wohl jeden Beruf ausüben, nur nicht den des Zoowärters, da sie alles anknabbern oder aufessen würden. Scheint mir nicht weit hergeholt zu sein… Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen verließen wir den Markt und widmeten uns den Sehenswürdigkeiten wie z.B. der in fast jeder größeren Stadt anzutreffenden Dr. Sun-Yat-Sen Gedächtnishalle, die den Gründer der Republik China ehrt.

Nachdem wir bei einem Bäcker zwei lecker aussehende Brötchen erstanden hatten, mußten wir nach wenigen Bissen feststellen, daß darin ein halber Hund oder irgendein anderes Fleisch versteckt war. Mir als Vegetarier war der Appetit gleich wieder vergangen, und selbst Lars zog es vor, sich vor erst fleischlos zu ernähren. In vielen Restaurants waren neben dem Eingang Metallkörbe aufgestellt, in denen sich Schlangen, Gürteltiere u.ä. tummelten, so daß man einfach auf das Tier zeigen mußte, das man zu essen beabsichtigte. Mithilfe des Sprachführers, in welchem auch chinesische Gerichte aufgeführt waren, gelang es uns glücklicherweise, erfolgreich Reis mit Sojasprossen zu bestellen.

Von Kanton hatten wir genug und freuten uns auf das 800 km entfernt gelegene Yangshuo. Doch der Weg dorthin entpuppte sich als 32-stündiger nervenzehrender Trip. Während der nächtlichen Bootfahrt in der billgsten Klasse mit ca. 130 Holzpritschen in einem Raum sorgte zwar ein angetrunkener Sänger für Unterhaltung und allgemeine Heiterkeit, dennoch schossen einem ständig Gedanken durch den Kopf, wie man sich wohl im Falle eines Unglücks retten sollte. Etwas gerädert ging es am nächsten Morgen mit einem klapprigen Bus weiter, der für europäische Körpermaße jedoch 2 Nummern zu klein war. Auf einer Seite sitzen drei, auf der anderen zwei Personen nebeneinander: Bei Chinesen mag das gehen, wir standen allerdings vor einem unlösbaren Problem zumal zusätzlich die Beinfreiheit eingeschränkt war, da erstens die Sitzreihen enger aufeinander folgten und zweitens der Boden mit Säcken und Kisten vollgepackt war. Direkt an der Tür saß ich mit einer Chinesin zusammengepfercht auf einer Bank. Ihrem Kind, das mit einer Decke auf ihren Rücken gebunden war, schien dies nicht zu bekommen und es übergab sich kurzerhand. Daraufhin erbrachen gleich noch zwei Mitreisende, so daß sich mit dem dichten Tabakrauch eine beißende Luft bildete. Durch ein paar Rostlöcher wurde ich zum Glück mit Frischluft - aber auch mit Regen versorgt. Als wir drei Stunden auf einer sehr schlammigen Straße gestanden hatten, erklärte uns ein Chinese in gebrochenem Englisch, der viele Regen hätte einige Straßen zerstört und daß wir vielleicht im Bus würden übernachten müssen - das komme öfter vor! Nur das nicht, denke ich, und als ich mir alles ausmalte setzte sich der Bus glücklicherweise in Bewegung - um kurz darauf erneut zu halten! Jetzt wurde ein Essensstop eingelegt. Als wir das Restaurant - sofern es diese schmeichelnde Bezeichnung überhaupt verdient - betraten, schmatzte und knirschte es eigentümlich unter uns. Die Erklärung war einfach: Essensreste und abgenagte Knochen wurden auf den Fußboden gespuckt und bildeten einen schmierigen Belag. Appetitlos aßen wir mit unseren eigenen Stäbchen, den Rucksack auf dem Rücken, etwas Reis und freuten uns tatsächlich wieder auf den Bus. Neben uns knallte es plötzlich laut. Noch einmal. Bald gewöhnten wir uns daran, daß Kinder den Bus mit Knallkörpern bewarfen, die sie überall in Großpackungen frei kaufen konnten. In Yangshuo wurden wir mit sehr gutem Essen und preiswerter Unterkunft entschädigt. Nur das Wetter meinte es nicht gut mit uns. Die Landschaft am Li-Fluß zählt wohl zu den beeindruckendsten Chinas, überall stehen bambusbewachsene, steile, kegelförmige Karstberge inmitten von Reisfeldern, die von Bauern und Ochsen mit Holzpflügen hart bearbeitet werden. Auch wenn der Landschaft durch den Regen einiges von ihrer Schönheit genommen wurde, beschlossen wir, sie mit Fahrrädern zu erkunden. Dazu bot man uns zwei Sorten Mountainbikes an: mit und ohne Gangschaltung. Warum denn die Chinesenräder ohne Schaltung ebenfalls als Mountainbikes bezeichnet würden, wollten wir wissen. Nun ja, das ganze sei eben ein Fahrrad und ringsherum seien Berge. Zusammen ergebe das ein Mountainbike. Wieder ein Fall chinesischer Logik. Wir hatten uns für Räder mit Gangschaltung entschieden, stellten jeoch schnell fest, daß nur drei oder vier Gänge zu benutzen waren. Trotz matschiger Wege war es insgesamt ganz lustig und wenn wir mal zum Photographieren abstiegen, beäugten gleich mehrere Chinesen die Räder und untersuchten, was denn da so Besonderes dran sei, daß die Ausländer sich gerade für diese beiden Exemplare entschieden hatten.