Wir fahren also schließlich weiter in die Nacht hinein. Am nächsten Morgen werden wir gegen 5.00 Uhr geweckt, denn bald sind wir in Ulan Bator. Draußen sehen wir Jurten im Vorbeifahren und haben das Gefühl, wieder nach Hause zu kommen. Als wir in Ulan Bator aus dem Zug steigen, befinden wir uns plötzlich in einer großen Menschenmenge, offenbar ist dies hier die öffentliche Milchversorgungsstelle, denn Hunderte von Mongolen schleppen Kanister und Kannen voller Milch, während andere mit leeren Gefäßen kommen und kaufen. Was für ein Gewirr und Gewimmel von Mongolen, was für ein Leben und Treiben, einfach herrlich. Wir sind wieder daheim! Unbegreiflich, daß die Menschen auf so kurzer Entfernung (500 km Irkutsk-Ulan Bator) so extrem verschieden aussehen können. Mit Taxen fahren wir zu unserem Hotel, wo Horst schon mit dem Frühstück bei Nieselregen auf uns wartet. Wir duschen noch, und dann geht es in die Stadt ins historische Museum, in dem die Geschichte und Entwicklung der Mongolei dargestellt wird. Anschließend ist Mittagspause angesagt, und ich gehe mit einigen anderen in ein kleines Lokal, wo wir allesamt Gemüsesuppe bestellen. Was kommt, ist Hammelsuppe! Ich puhle das Fleisch für Martin raus, der Rest ist eßbar. Inzwischen ist es draußen wieder schön warm geworden, als wir uns auf den Weg zum Kloster Manzushir machen, das in einem Naturpark liegt, in dem wir auch unser heutiges Nachtlager aufschlagen, dem letzten in freier Natur und gerade recht zum Abschied. Wir sind kaum 30 Minuten hinter Ulan Bator, als die Freiheit der Steppe mit ihren Pferden und Yaks uns wiederhat. Wir sind richtig glücklich darüber.

 

9 unserer Gruppe entschliessen sich dann, doch eine einstündige Bootsfahrt zu machen, ich bin dabei. Der Baikalsee sieht aus wie ein Meer und auch der Wellengang ist angesichts des lausigen Wetters entsprechend. An Bord spendiert Lothar gleich eine Runde Wodka für alle, das ist angesichts der Kälte auch kein Fehler. Unser kleines Boot schaukelt höllisch, und schließlich werden die Wellen so hoch, daß mir prompt schlecht wird. Ich ging zur Reling, um frische Luft zu schnappen, als eine gewaltige Welle über das Heck schwappte und mich voll erwischte. Klatschnaß stand ich da und zitterte vor Kälte! Halsschmerzen und Schnupfen erinnern mich noch daran, während ich diesen Bericht schreibe. Die Fahrt war aber bald zu Ende, und im Bus wurde die Heizung angemacht, und bis wir zurück in Irkutsk waren, war zumindest meine Hose wieder einigermaßen trocken und die Haare auch. Im Hotel gab es noch ein gutes Abendessen, dann packten wir unsere Sachen zusammen und fuhren zum Bahnhof, denn nun waren wir gespannt auf die legendäre Transsibirische Eisenbahn, die schon jedem Kind ein Begriff ist. Wir haben den Waggon Nr. 12 mit Vierbettabteilen. Der Zug ist wesentlich komfortabler als ich erwartet hatte. Gerne klettere ich auf die obere Pritsche und richte mein Bett mit einer buckligen Matratze und einer muffigen Wolldecke. Aber immerhin gibt es Bettzeug. Allerdings sind die Pritschen nur 1,75 m lang, da bekommt mancher Probleme mit seinen Füßen. Wir stehen die meiste Zeit im Gang herum und schauen in die vorbeiziehende Taiga hinaus. Der Himmel ist grau, und es wird dadurch früh dunkel, jedenfalls ist das Licht zum Fotografieren zu schlecht. Alle naselang hält der Zug, dann zuckelt er wieder ein paar hundert Meter, dann geht es weiter. Die Gleise verlaufen meist eingleisig und haben immer wieder mal ein Ausweichgleis. Wir mußten offenbar viele schnellere Züge vorbeilassen, denn dauernd standen wir. Es war mühsam und langweilig. Wir sind 150 km am südlichen Ufer des Baikalsees entlanggefahren - bei Nacht! Das fand ich also schon sehr ärgerlich. Irgendwann löschen wir das Licht. Ich liege im Dunkeln und kann kaum glauben, daß ich tatsächlich in der Transsib durch das ferne Sibirien rolle in einem ständigen Ratarat-ratarat, das mich schließlich einlullt. Gegen 6.00 Uhr werden wir von einem lauten Palaver unsanft geweckt. Eine resolute Russin schimpft herum, und unser Reiseleiter ruft, was da los sei. Schließlich stellt sich heraus, daß sich zwei Mongolen in einem Vierbettabteil breit gemacht haben und nicht bereit sind, zwei Betten freizugeben, die zwei junge Schweizerinnen gebucht hatten und die erst hier einstiegen. Erst nach vielem Palaver und Druck von allen Seiten räumen sie ihre vielen Gepäckstücke weg, so daß die Mädchen in ihre Betten können. Ich kann aber nicht mehr schlafen und gehe dann in den WC-Waschraum, der immer noch sauber und in Ordnung ist. Dann hole ich heißes Wasser, das rund um die Uhr zur Verfügung steht, und mache mir einen Nescafé zum Wachwerden. Es regnet jetzt noch stärker als am Abend zuvor. Die vorbeiziehende Landschaft und die kleinen Dörfer sehen total trostlos und verlassen aus. Vor jedem Häuschen sind die Gärten mit Kartoffeln bepflanzt, manchmal sieht man auch Sonnenblumen, die dem ganzen einen heiteren Anstrich geben. Bei Sonnenschein wäre unser Eindruck sicher auch nicht ganz so deprimierend gewesen. Uns ist jedoch schleierhaft, wie die Menschen hier ihr Leben fristen. Hier scheint die Zeit und die Welt stillzustehen.