Plötzlich wurde ich vom Polizisten wachgerüttelt, der auf ein Auto zeigte, das in Richtung Stadt stand und in das ich einsteigen sollte. Der schweigsame Mann nahm mich bis zur Hauptstraße mit und ließ mich dort aussteigen. Auf meine Frage nach Murghab, machte er nur eine Handbewegung, der ich zunächst folgte. Bald merkte ich jedoch, dass er mir nur die Richtung angegeben hatte, die ja stimmte, doch nicht den Ort, wo ich eine Mitfahrgelegenheit finden konnte. Also machte ich mich um etwa 6.00 in der noch menschenleeren Stadt auf die Suche. Einige halbwüchsige Mädchen sprachen mich kichernd auf Englisch an, sie wollten mir sogar meinen Rucksack tragen helfen, Sie bedeuteten mir, dass ich in die andere Richtung zum Bazar gehen sollte. Dort angekommen, fand ich bereits viele Autos, alle Fahrer suchten aber Passagiere nach Duschanbe. Ich war so entmutigt, dass ich kurz überlegte, gleich wieder zurück zu fahren, doch das Bewusstsein, dass ich nicht einmal meinen Sohn darüber informieren konnte, hielt mich davon ab. Da sah ich eine junge, westlich-touristisch wirkende Frau, die sich als Französin herausstellte. Als sie erfuhr, dass ich Österreicherin bin, sagte sie, dass sie mit einem Österreicher Richtung Duschanbe unterwegs sei. Dieser junge Mann, ein Wiener mit irgendwie russisch-sowjetischem Hintergrund, brachte in Erfahrung, von welcher Stelle die wenigen Autos nach Murghab aufbrachen und fand auch einen Fahrer.
 
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Das war um 7 Uhr früh. Ich stieg in ein Auto ein, doch bald darauf musste ich wieder aussteigen. Dann sollte ich in ein anderes Auto einsteigen, dann wieder raus. Das ging so den ganzen Vormittag, bis gegen Mittag ein Auto gefunden war, in dem ich bleiben konnte, allerdings inzwischen auf der wesentlich unbequemeren Rückbank mit der riesigen Reisetasche einer anderen Mitfahrerin im Rücken – der in den Passagierraum offene Kofferraum war sehr schmal. Aber wenigstens waren außer dem Fahren und seinem mitfahrenden Enkelsohn nur Frauen im Auto! Endlich also Abfahrt um etwa 12 Uhr. Ich rechnete auf Grund der langen Strecke, dass wir am Abend in Murghab sein würden, wo ich nur eine vage Beschreibung von der Unterkunft meines Sohnes hatte – es gibt kaum „ordentliche“ Adressen.
Doch nach halbstündiger Fahrt hielten wir bei einem Gasthaus. Ich saß mit den Frauen im Schneidersitz auf dem dort üblichen Podest um ein Tischtuch herum, auf dem der Tee und die Speisen serviert werden. Diese mir völlig fremden Frauen luden mich ein! Dann ging es durch die immer karger werdende Landschaft weiter, immer höher hinauf. Khorog liegt auf ungefähr 2000 m Höhe, Murghab auf 3650 m, dazwischen ist aber noch ein Pass zu überwinden. Immer wieder hielt der muslimische Fahrer bei Verwandten, betete und rastete dort und aß einen kleinen Imbiss: salzigen Tee mit Brot und danach gesüßten Tee. Ich wurde immer eingeladen! Und da ich von früheren Reisen in große Höhen wusste, wie wichtig Salz und Flüssigkeit ist, trank ich den ungewohnten Tee und ließ mir so oft nachschenken, so oft er mir angeboten wurde. Dort machte ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass Menschen gemeinsam aufs Klo gehen. Drei der mitreisenden Frauen, die zusammen gehörten, zeigten mir das Klo und ließen mir den Vortritt, doch dann gingen sie gemeinsam in die Hütte mit dem Balken zum Sitzen (von meinem Sohn „Donnerbalken“) genannt und den (in diesem Fall) drei Löchern.