Der Abstieg von Battleship Spur, gestaltete sich wie erwartet als das kleinere Übel. Die kühlen Morgentemperaturen und die meist abfallende Strecke waren keine große Herausforderung. Gut gelaunt ging es vorbei an den bis zu 1000 Jahre alten Palmfarnen (Macrozamia Moorei) und durch die hoch gewachsenen Gräser hinab ins Tal. Nur der lockere Boden bereitete uns noch einige Schwierigkeiten … und mein rotes T-Shirt. Zwei uns entgegenkommende Wanderer haben nur ein müdes Lächeln für den Aufdruck auf meinem roten Kleidungsstück übrig. Am „Big Bend“, einem kleinen natürlichen Pool am Ende der Carnarvon-Schlucht, genehmigen wir uns noch einen kleinen Mittagssnack. Mehrere Wallabys gesellen sich auf der anderen Uferseite zu uns und über die spiegelnde Wasseroberfläche kreiert das einfallende Licht ein interessantes Muster- und Farbenspiel an den gelblichen Felswänden. Schweren Herzens verlassen wir schließlich dieses Idyll und machen uns schnellen Fußes auf den Heimweg.

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Die wiederkehrende Lethargie in unserem Laufschritt wird jedoch jäh von der Natur unterbrochen. Lautes Donnern hallt plötzlich in regelmäßigen Abständen durch die Schlucht. Was sich anfangs noch wie Düsenjäger oder Sprengungen anhört, entpuppt sich nach mehreren Blicken gen Himmel als schwarze Wolkenwand. Die wenigen Regentropfen und der fühlbare Temperaturabfall sind zunächst noch eine willkommene Abkühlung. Schnell werden es aber fingernagelgroße Hagelkörner, die uns deutlich zeigen, dass es sich nicht um einen Gefallen der Natur handelt. Nein – eher gegenteilig. Die Natur rächt. Sie rächt sich für ein rotes T-Shirt. Sie rächt sich für Respektlosigkeit. Sie rächt sich für meine Provokation. Im Übermut und voller Freude über das Erklimmen von Battleship Spur, zog ich mir ein rotes T-Shirt mit dem ironischen Aufdruck „Who`s tha masta?“ an. Ein T-Shirt, das der heroischen, heldenhaften Gipfelbesteigung, den i-Punkt aufsetzen und mir Bewunderung von allen Betrachtern der Gipfelfotos bringen sollte! Doch die Natur lässt sich nicht so einfach bezwingen! Und schon gar nicht von einem giftroten T-Shirt und einem noch giftigeren Spruch provozieren!

Mit der geballten Kraft eines australischen Wärmegewitters bekommen wir nun zu spüren, wer der eigentliche „masta“ ist beziehungsweise, wer es ganz offensichtlich nicht ist. Ich schaffe es gerade noch, meinen Camcorder im Rucksack zu verstauen, bevor die Natur ihre härtesten Geschütze auffahren kann. Die Hagelkörner wachsen schnell auf Golfballgröße und führen zu schmerzverzerrten Aufschreien. Vereinzelt entdecken wir auf dem Boden noch größere Hagelkörner, besser gesagt Eisbälle. Gefangen in der Faszination des uns dargebotenen Naturschauspiels, erkennen wir erst jetzt den Ernst unserer Lage. Wir sind den Naturgewalten widerstandslos ausgeliefert. Die Bäume bieten uns absolut keine Deckung, sie resignieren. Die Blätter der vielen Palmen am Wegrand beugen sich unter der ungeheuren Last. Es wirkt, als wollen sie sich ehrfürchtig vor dem Herrscher der Natur verneigen. Mit den Rucksäcken versuchen wir zumindest unsere Köpfe zu schützen. Fast gleichzeitig kommt uns die Biotoilette in Sinn und wir beginnen zu rennen. Nur weg von hier. Einen Kilometer später erreichen wir das einzige menschliche Bauwerk entlang des Wanderweges und gleichzeitig unsere „Rettung“. Die schwarze Wolkenwand feuert noch eine viertel Stunde aus allen Rohren, doch unter der Holzkonstruktion sind wir vorerst in Sicherheit. Neben kleineren Blessuren an Armen und Beinen, ist lediglich meine Digitalkamera von den „Hagelgeschossen“ in Mitleidenschaft gezogen worden. Uns aber ist zum Glück nichts passiert.