Ich laufe weiter die Straße entlang, linker Hand immer das Meer, erreiche das Dorf  Silveira und sehe Schilder: ZUM BERG PICO und ZU DEN LAGOAS. Eine Bergbesteigung muss heute nicht sein. Und zu den Seen werde ich es zeitlich kaum schaffen. Aber die Verbindungsstraße zur Nordküste verspricht wenig Verkehr, und ein Stück bergauf ist gut für die Kondition. Dichtes, üppiges Grün zu beiden Seiten der Straße. Manchmal schimmern Plantagen durch. Hier also bauen die Leute der Umgebung ihre Orangen, Bananen und Yamswurzeln an. Ein kleiner Trampelpfad macht mich neugierig. Er führt direkt ins Unterholz, das einem Urwald sehr nahe kommt: umgestürzte Bäume, herumliegende Äste, ziemlich schattig, nur vereinzelte Sonnenflecken von oben. In dieser angenehm kühlen Unaufgeräumtheit mache ich meine Mittagspause, folge dann einem Seitenweg und stehe plötzlich auf einer leeren Kuhweide in Hanglage. Die Fladen zeugen noch von den Benutzern, aber wie grast man als Rindvieh auf solch schrägen Wiesen? Egal.  Mir sind die Walderdbeeren am Wegrand eh lieber. – Und was ist das? Brennnesseln wohl nicht. Ich zerreibe ein Blatt. Sehr gut! Wilde Minze. Ich pflücke ein großes Bündel und binde es mit einer herum liegenden Strippe an meinen Rucksack.

Zurück auf dem Weg, zieht es mich immer höher, noch eine Kurve und noch eine. Wenigstens auf den Hügelkamm möchte ich noch. Aber da ist dieses merkwürdig schlabbernde Gefühl am linken Bein. – Oh, nein! Der vordere Riemen meiner Trekking-Sandale ist gerissen. Drei Stunden von Lajes entfernt, bedeutet das entweder barfuss weiter laufen oder ...... Am Wegrand ist schnell eine weitere Strippe gefunden, die mir die Schuhsohle wenigstens am Fuß festhält, doch gut Laufen ist damit nicht mehr.

{{g_ads}}

Ich beschließe, lieber umzukehren, obwohl meine Neugier und Wanderlust immer noch die Straße bergauf wollen. Am Ortsrand von Silveira hat inzwischen eine Oma ein Tischchen aufgestellt und bietet frisch gepresste Obstsäfte in recht großen Gläsern an. Der Entsafter steht auch auf dem Tisch und ist auf abenteuerliche Weise mit einem Verlängerungskabel verbunden, das zu ihrem Haus führt. Ich mag gar nicht hinsehen, frage, ob das nicht perigoso sei. Oma lacht und winkt ab. Das mache sie immer so. – Also probiere ich alle vier Sorten Saft, einer leckerer als der andere, trinke von jedem ein Glas, gebe der Oma einen 5-Euro-Schein (statt der verlangten 2 €), weil ihre sucos so deliciosos waren, und muss, zurück in Lajes, erst einmal aufs Klo.

In meinem Krimskrams-Beutel, der mich auf jeder Reise begleitet, finde ich ein paar Utensilien, mit denen ich die Sandale so weit reparieren kann, dass sie den Rest des Urlaubs noch durchhält und dann auf Pico bleiben darf.