Zwischendurch hat 'Transbagage' die Rucksäcke gebracht, vor allem von Silvie sehnlich erwartet. Sie hatte sich in einem Anflug geistiger Umnachtung die durchgeschwitzte Bluse vom Leib gerissen und sie, bevor ich auch nur ansatzweise begriffen hatte, was geschah, ins Waschbecken versenkt und gewässert. Erst als sie nach dem Waschmittel greifen wollte, erkannte sie, dass wir kein Gepäck, also auch kein Waschmittel, also auch keine trockenen Kleider hier hatten. Als sie sich zu mir umdrehte, kam nur noch ein lang gezogenes 'Öööh', … Jakobs-Weg-Wandern schult die Konzentration.
So, und jetzt gehen wir was essen.

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3. Etappe

St. Privat d'Allier - Saugues 
Mittwoch, 7. Juli 2004 
 
Die Tour heute hatte es klima- und höhentechnisch in sich. Der Wind blies sturmartig über felsbrockenübersäte Hügellandschaft. Eseldisteln und Ginster und Natursteinbauernhäuser mit Rosenspalieren und Holzgattern. Ein eigenartiger Versatz.
 
In Rochgude saßen wir auf 1000 Meter Höhe an einer einsamen Kapelle.
"Was ist das für ein Henkerseil?"
Der Zug an dem Strick gab unüberhörbar die Antwort: es war die Glocke. Draußen konnten wir uns stehend kaum auf den Felsen halten, deswegen fielen die letzten sieben Meter aus, die über den nackten Fels hinauf zu dem alten Turm führten.
 
Monistrol d'Allier ist wesentlich unromantischer als ich es mir vorgestellt hatte. St. Private d'Allier als Etappenziel war eine gute Wahl. Der Aufstieg hierher hinauf von Monistrol fällt bei mir unter die Kategorie "heftig". Geübte Wanderer mögen darüber lachen, ich war froh, nachdem wir endlich, endlich die Hochebene vor uns sahen. Ein Tipp für Kontaktlinsenträger, insbesondere nach dem stürmischen Anfangsaufstieg: die Erde hier ist vulkanisch feinkörnig und hat die Tendenz, hin und wieder in Form fegender Staubwolken aufzutreten. Ersatz- oder Sonnenbrille sollte greifbar sein.
 
21.45 Uhr, Gîte Communale de Saugues (gesprochen: Ssohg), Camping
Unterwegs kommt man häufig an Kreuzen vorbei, manche aus Stein, andere aus Eisen. Sie stehen am Wegrand, voll getürmt mit kleinen Kieseln oder Blumensträußen. Da zeigte ich mich wieder als Unerfahrene, denn diese Art von Gedenken und Fürbitte kannte ich bis dahin eigentlich nur von buddhistischen Schreinen oder jüdischen Friedhöfen. Man lernt dazu.