Wir beabsichtigten, uns nicht zu lange in Coca aufhalten, da unsere Odyssee noch lange nicht zu Ende war, und wechselten nur schnell das Gefährt. Ein sogenannter Dschungelbus stand schon bereit für uns und wartete sehnsüchtig auf das staubige Abenteuer. Dieser ´Bus` war ein umgebauter, geländegängiger LKW mit einem Holzaufbau auf der Ladefläche, der in mehreren Sitzreihen aus Holz den Passagieren, also uns, einen mehr oder weniger bequemen Platz bot. Seitlich war das Gefährt offen, es versprach also eine gute Durchlüftung des Innenraums,und es hatte den Vorteil, dass der Staub, der durch die offenen Seiten hereinwehte, auch gleich wieder herauswehen konnte.. Wer Lust hatte, konnte auf dem Dach mitfahren, irgendwo zwischen dem Gepäck, das mittlerweile gut festgebunden darauf verteilt war. Eigentlich hatte ich schon vor, oben drauf mitfahren, aber als ich an der Seite des unheimlichen Gefährtes heraufkletterte und mal einen Blick auf das Dach warf, dabei gleichzeitig meine Hand auf das Blechdach legte, glaubte ich, auf eine heiße Ofenplatte zu  fassen. Außerdem war ich bis dahin die Einzige, die Lust auf die Freiluftfahrt verspürte. Vielleicht wußten die anderen ja mehr als ich und es war vielleicht sogar gefährlich da oben? Konnte es vielleicht passieren, dass herabhängende Äste mich einfach hinweg fegen würden?  Ich war hin und her gerissen, kletterte aber dann doch rauf und setzte mich erst einmal auf das Reserverad, das nicht  ganz so heiß war wie das Blechdach. Was passierte, wenn der Bus unter tief hängenden Ästen, von denen womöglich Schlangen und vor allem Spinnen herab baumelten, durchfuhr?  Bevor ich noch länger über solche Dinge nachdenken konnte, kamen Gerhard, der sich diese einmalige Chance auch nicht entgehen lassen wollte, John, unser einheimischer Führer und Richard auch heraufgeklettert. Das beruhigte mich ein wenig, denn Richard kannte die Fahrten auf dem Busdach bestimmt schon, und wenn er auch oben mitfuhr, dann war es bestimmt nicht so schlimm wie ich es mir schon am Ausmalen war. Alle anderen kletterten unten auf die (bequemen?) Holzsitze.


 

 

 Als die Fahrt begann, lehnten wir uns an der Eisenstange, die als Reling um das Dach führte, am Ende des Busses an, und ließen uns den Fahrtwind um die Ohren pusten. Meine Sorgen um die niedrigen Äste waren unbegründet, die Straße, oder wie man das auch nennen mochte, war sehr breit, und die Bäume waren so weit entfernt, dass über uns nur der blaue Himmel war. Und ohne Äste gab es auch keine Spinnen. Mir wurde aber schnell klar, dass wir auf dem Dach keine Chance hatten, sauber am Ziel anzukommen. Das Problem dabei waren vor allem die Autos und Lastwagen, die hin und wieder vor uns auftauchten und hinter sich eine dicke Staubwolke im Gefolge hatten. Bis sie sich von uns überholen ließen, sahen wir auch schon aus wie panierte Schnitzel. Der Dreck klebte wunderbar auf der schweißnassen Haut , und ich hatte bald eine schöne Sommerbräune... Fuhren wir wieder durch eine Staubwolke, blieb uns im wahrsten Sinne des Wortes nur eines: Augen zu - und durch. 

Der erste Teil der Strecke führte noch durch von Menschen kultiviertes Land, hin und wieder durchquerten wir kleine Ansiedlungen, wo uns viele Kinder zuwinkten. Danach nahm der menschliche Eingriff in die Natur merklich ab, und die Straße wurde nur noch von mehreren Öl-Pipelines eskortiert.


 D

ie Sonne ging langsam unter und träge Müdigkeit machte sich bei uns breit. Als es schon fast finsterste Nacht war, stürmte plötzlich ein großes Tier am Ufer aus dem dunklen Gebüsch direkt neben unserem Boot ins Wasser! Das ging so schnell, es platschte und wir erschraken alle ganz heftig. Es war ein ausgewachsenes Tapir-Männchen, das von uns und unserem Boot sichtlich irritiert war und in seiner Überraschung nicht einmal zurück zum Ufer schwamm, sondern beinahe noch das Boot enterte. In der Hektik suchte ich verzweifelt in den Tiefen meines Rucksacks nach der kleinen Kamera mit dem eingebauten Blitz, es konnte gar nicht schnell genug gehen. Wie Greta Garbo reckte der Tapir den Kopf aus dem Wasser und lächelte in das Blitzlichtgewitter der Kameras. Ich glaubte zumindest, einen Anflug von Lächeln gesehen zu haben. In Wirklichkeit war es wahrscheinlich eher ein Grinsen, es ahnte nämlich, dass ich in der Dunkelheit meine Kamera blind ins Nichts hielt und ihn gar nicht auf meinem Film ablichtete. Später wieder in Deutschland sollte sich herausstellen, dass alle „blind“ fotografiert hatten und nur Kornelia es geschafft hatte, das seltene Tier auf Film zu bannen.

 Nun waren wir erst mal wieder hellwach von diesem Erlebnis.  Als es stockfinster war, entdeckten wir den Sternenhimmel. Tausende kleiner Sterne leuchteten zu uns herab. Hinter mir saßen Günter und Ulli, und da Günter auch viele Sternbilder kannte, ergänzten wir uns gegenseitig.


 

Danach beruhigte ich mich wieder und bestaunte weiter den Sternenhimmel. Doch auch nur in den Himmel starren machte müde, und so bin ich irgendwann in einer absolut unbequemen Position eingeschlafen. Doch der Schlaf war mir nicht vergönnt, es dauerte nicht lange, da wurde ich vom Tumult im Boot geweckt. Was war denn jetzt schon wieder?  Kann man hier im Boot nicht einmal in Ruhe schlafen?  Noch ein Tapir, diesmal ein Jungtier, schwamm im Wasser. Gab es denn nichts anderes, „nur“ Tapire?  Vor lauter Müdigkeit nahm ich kaum davon Notiz, obwohl  der Tapir, ein Tier, dass man nur selten zu Gesicht bekommt, die Ehre verdient hätte.
 Nach dem Frühstück wollten wir unsere erste Dschungelwanderung machen und Richard meinte, Gummistiefel wären auf alle Fälle angebracht.
 Gut ausgerüstet mit meineTrekkinghose, die so viele schöne Taschen für allerlei Kleinkram wie Filme, Bonbons und Taschentücher hatte, dünnem T-Shirt, Gummistiefel und Trekkingweste (die noch mehr Taschen hatte, zum Beispiel für meine kleine Ersatzkamera, noch mehr Filme, Ersatzbatterien, Wechselobjektive, Müsliriegel und Sonnenbrille, sowie einer Plastiktüte für die Kameras, falls es regnete), stieg ich zu den anderen in das Kanu. Dabei wunderte ich mich schon, warum die Weste so schwer war.

 

 Wir fuhren ein Stück flussaufwärts und gingen dann an Land in den Wald. Bevor wir uns in die Wildnis stürzten und den Dschungel unsicher machen konnten, warnte uns Richard davor, irgendetwas anzufassen.
 John war unser Führer und er lief auf dem kaum zu erkennenden Trampelpfad als erster voraus und hielt manchmal an, um uns bestimmte Pflanzen oder Tiere zu zeigen.