Am nächsten Morgen schaue ich aus meinem Kojenfenster und sehe wieder eine Menge Yaks und Pferde um uns herum, was mich immer wieder auf’s Neue begeistert. Zum Frühstück gibt es heute sogar Spiegeleier, denn es ist Sonntag, der 22. Juli. Es ist ein wunderschöner Morgen, sonnig, windstill und angenehm frisch, als wir uns auf unsere Rückfahrt nach Karakorum machen. Martin sen. läßt uns schöne mongolische Musik hören und erzählt uns dann wieder ausgiebig über den Buddhismus. Wir sehen Kranichschwärme und viele Greifvögel in einer zauberhaften Landschaft. In Chohot machen wir wieder halt und schauen beim Aufbau einer Jurte zu, trinken in einer Jurte Airag und werden selbst von den Bewohnern und vielen Kindern bestaunt. Horst und Günter filmen und zeigen dann anschließend den Kindern, was sie gefilmt haben. Die Kinder sind total begeistert, wenn sie sich selbst wiedererkennen.

Schließlich erreichen wir Karakorum und gehen auf den Markt. Ein buntes Gewimmel von Menschen zieht an den Containerständen vorbei, die alle mehr oder weniger das gleiche Angebot führen. Da liegt die Kernseife neben dem alten Kohl, ein paar angetrocknete Möhren und Kartoffeln liegen neben Bonbons und Toilettenartikeln, Brot und Kekse liegen zwischen Waschpulver und Flaschen.

 

Der nächste Morgen ist sehr frisch mit 10°. Nach dem Frühstück inmitten von Yaks besuchen wir eine nahegelegene Nomadenfamilie in ihrer Jurte. Hier ist der schöne Mann zu Hause, den ich am Vorabend schon bewundert habe. Seine Frau soll an diesem oder am nächsten Tag das zweite Kind bekommen. Ein vierjähriges Mädchen schmust mit dem Vater am Ofen. Als wir die Jurte durch die niedrige Eingangstür betreten, achten wir sehr darauf, ja nicht auf die Schwelle zu treten und auch nicht an den oberen Türrahmen zu stossen, weil dies Unglück bringen soll. In der Jurte riecht es sehr intensiv nach Hammel und Milchprodukten, aber nach einer Weile merkt man das gar nicht mehr. Der Ofen steht in Mitte der Jurte und gilt als heilig, weil lebenswichtig. Aus Scherengittern in Holz wird ein mehr oder weniger großes Rund aufgebaut. In der Mitte werden vier Pfosten in den Boden gesteckt, darüber befindet sich ein Holzkranz, der mit Gewichten fixiert wird. Dann werden viele Holzstangen in den Holzkranz gesteckt und auf dem Scherengitter befestigt. Auf diese Konstruktion kommt eine dicke Filzauflage, die aus Tierwolle, hauptsächlich Schafwolle besteht und die hervorragend sowohl gegen Hitze als auch gegen Kälte isoliert. So eine Jurte wirkt sofort einladend und sehr gemütlich. Eine Art Holzbank oder Holzbett ist Sitzbank und Bett zugleich. Überall liegen Filzmatten und Tierfelle. Unter der Dachöffnung hängen in Augenhöhe jede Menge rohe Fleischstreifen, die trocknen sollen und als Nahrungsvorrat aufbewahrt werden. Auf dem Herd schmurgeln Hammelfleisch- und Knochenstücke. Die junge Frau bedient uns ruhig, gelassen, freundlich und mit einer Würde, die wir auf dem Land oft feststellen konnten, als wäre es selbstverständlich, am Tag der Niederkunft über 20 Fremde zu bewirten. Wir bekommen steinharte Quarkstückchen, dann noch ein undefinierbares Milchprodukt, das aussieht wie kleine Brösel, dann sehr leckere Yakbutter mit Brot und gesalzenen Milchtee, den ich jedoch sehr gewöhnungsbedürftig finde. Brot ist bei den Nomaden unüblich, sicher wurde es von unserem mongolischen Begleiter Bayar vorher hingebracht, weil wir Brot gewöhnt sind. An der Wand der Jurte hingen auch etliche Fotos von der Familie und vom Dalai Lama, der in der Mongolei ebenso verehrt wird wie in Tibet und vielerorts auf der Welt und der die Mongolei auch schon mehrfach besucht hat. Aufgrund der Statur des Familienvaters frage ich nach, ob er Ringer sei, und siehe da, er ist Ringer und zeigt ganz stolz sein Siegerfoto vom letzten Nadaamfest. Was das ist, erkläre ich an späterer Stelle noch. Schließlich verabschieden wir uns von dieser sympathischen Familie, die uns mit ihrer Schlichtheit und Zufriedenheit sehr beeindruckt hat. Der jungen Frau habe ich beim Abschied ein kleines Schweizer Messer geschenkt, und sie war hocherfreut.