SAHARA-REISEBERICHT:
Mit dem VW-Bus durch Algerien ins Hoggar-Gebirge
Text Frank Hoffmann
Seit fast zwei Wochen sind wir bereits auf Achse. Bisher führte uns unsere Strecke über Frankreich, Spanien und quer durchs Königreich Marokko. Den mehrtägigen Stopp jetzt in Marrakesch nutzen wir zum Ergänzen unserer Vorräte und zur ersten Reparatur am Auto. Das Kupplungsseil muss ersetzt werden. Außerdem ist der Campingplatz hier eine Tauschbörse für Informationen zur Weiterreise Richtung Sahara und ins zentrale Afrika.
„Für die algerische Grenze müsst ihr auf jeden Fall mit mehreren Tagen Wartezeit rechnen! Ständig verlangen die Grenzer Bakschisch und Geschenke. Aber nicht von uns! Nix haben wir denen gegeben, gar nix! Aber nach drei Tagen Warten waren dann durch.“
Etwas erschreckt lauschen wir dem Bericht eines aufgebrachten Reisenden. Wollen wir doch genau diesen Kontrollpunkt zwischen Marokko und Algerien in wenigen Tagen anfahren. Nach verschiedenen Touren durch Marokko und Tunesien in den vergangenen Jahren haben meine Frau und ich uns dieses Mal Algerien vorgenommen und möchten bis in die Zentralsahara vordringen.
Schnee und Oasen
Wir queren den Hohen Atlas. Auf den höchsten Gipfeln blitzt noch der Schnee. Jetzt im Mai ist es in der Nacht manchmal noch recht kühl hier heroben. Bunte Frühlingsblumen winken am Wegesrand.
Weiter über die Straße der Kasbhas mit ihren archaischen Lehmburgen geht die Fahrt nun entlang am nördlichen Rand der Sahara. Die Landschaft besteht jetzt fast nur noch aus Braun-, Gelb- und Rottönen. Ab und zu durchfahren wir kleine grüne Oasen.
Nach einer staubigen Etappe erfrischen wir uns ein paar Tage später in der Blauen Quelle von Meski etwas südlich der Garnisonsstadt Er-Rachida. Wir sitzen bis zum Hals im kühlen Nass und machen uns wirklich Sorgen wegen des Grenzübertrittes nach Algerien. Mehrere Tage warten im Nichts. Das kann ja heiter werden. Am Nächsten Morgen nehmen wir die letzten paar hundert Kilometer im Königreich unter die Räder. Unterwegs im Dörfchen Boudnib tanken wir den VW-Bus nochmals voll. Aber es dauert. 5-Literweise wird der Sprit aus verbeulten Ölfässern mit der Hand herüber gepumpt. Auf der Weiterreise sollen wir noch froh sein, solche fortschrittlichen Pumpanlagen überhaupt anzutreffen.
Die Wunderkamera
Gegen Abend erreichen wir Figuig und damit auch den Grenzübergang. Bei der Polizeikontrolle auf unsere Polaroid-Kamera angesprochen, biete ich fröhlich an, von der ganzen uniformierten Mannschaft ein Bild zu machen. Selbstverständlich ist es verboten, hier im Grenzbereich zu fotografieren – besonders keine Uniformierten! Wie groß ist das Staunen, als sich das Foto vor aller Augen selbst entwickelt. "„Foto un-Minute!“
Die Freude der hier einsam Stationierten ist groß. Auch bei uns, denn man winkt uns nach wenigen Minuten bereits weiter. Nach ein paar Kilometern erreichen wir eine kleine Ansammlung von wenigen armseligen Zelten im Wüstenstaub – die marokkanische Zollstation. Per Feldtelefon hatte man uns bereits avisiert. Auch die Kamera hatte sich herumgesprochen. Alle stehen bereits für ein Gruppenbild parat. Schon zehn Minuten später rollen wir durch vermintes Niemandsland auf die algerische Grenzstation zu. Vor einer geschlossenen Schranke müssen wir stoppen. In einer kleinen Baracke füllen wir endlose Einreiseformulare aus. Die Visa haben wir bereits zu Hause in die Pässe eintragen lassen. Nebenbei werden wir nach Schmerzmitteln gefragt. Kein Problem. Ein paar Tabletten wechseln den Besitzer. Draußen am Fahrzeug fragt der Zoll nach dem merkwürdigen Fotoapparat, den ich auffällig mitten im Auto drapiert habe. „Was? Foto un-Minute?“ Schon rückt man die Kravatten zurecht, klopft den Staub von den Dienstmützen und steht stramm. Der Chef der Kontrollstelle erhält sogar ein Einzelporträt. Als er mir meine billige, goldglänzende Woolworth-Armbanduhr abkaufen will, bekommt er die großzügig geschenkt. Für Tauschzwecke haben wir davon ein ganzes Dutzend an Bord. Nach etwa einer Stunde hebt sich die Barriere, man wünscht uns „Bon voyage“ – und wir rollen neuen Abenteuern entgegen. Freundlichkeit zahlt sich halt manchmal aus! Im Örtchen Beni-Ounif müssen wir heute noch die obligatorische Kfz-Versicherung für die Demokratische Volksrepublik Algerien abschließen. Das Büro wird für uns heute Abend extra noch einmal geöffnet und der nötige Papierkram schnell und freundlich abgewickelt.
Der große Erg
Unsere erste algerische Nacht verbringen wir ein paar dutzend Meter neben der Piste in einer einsamen Geröllwüste. Die etwa einhundert Kilometer nach Bechar – der Bezirkshauptstadt, schaffen wir leicht am nächsten Vormittag. Hier müssen wir erst einmal Geld umtauschen und unser VW-Bully verlangt nach einer neuen Tankfüllung. Unterwegs hupt uns von hinten kommend ein rot-schwarzes Ungetüm zur Seite. Roteltours mit Mercedesbus und Schlafanhänger! Später treffen wir die ganze Gruppe deutscher Touristen bei Pichelsteiner Eintopf einträchtig im Schatten einer Palme.
Apfelsinenfarben schimmern am Nachmittag die gewaltigen Dünen rund um die Bilderbuchoase Tarhit, die sich mit ihren grünen Palmen und lehmgelben Häuschen artig in eine Mulde kuschelt. Vom Kamm der Dünen schaut man über eine malerische Sandlandschaft. Bis zum Horizont sehen wir einen Dünenkamm hinter dem anderen. Der Wind hat ein Wellenmuster in den Sand gemalt. Schatten und Licht verleihen dem Sand Struktur. Spätestens jetzt begreift man das Wort Sahara, das im Arabischen die „Rotbraune“ bedeutet.
Algerien hat mit 20 Prozent den größten Flächenanteil der etwa 9 Millionen Quadratkilometer umfassenden Sahara. Für uns ein schier endloses Meer aus Geröllfeldern und Steinflächen. Am beeindruckendsten erscheinen uns allerdings immer wieder die Ergs – diese weiten Sandflächen.
Auf einer 60 Kilometer langen, schweren Naturpiste kämpft der VW mit Schotter, Sand und Staub. Kurz vor Igli haben wir dann auch die erste Reifenpanne.
Wir sind die einzigen Gäste des modernen Hotels am Rande der Oase von Beni-Abes. Obwohl wir hier weder schlafen noch essen, freut sich das gelangweilte Personal über die seltenen Gäste. Man lädt uns ein, im klaren, blauen Swimmingpool zu planschen. Ein absoluter Luxus hier inmitten der knochentrockenen Wüste.