Immer spärlicher wurde die Vegetation, bald waren es nur mehr karge Büsche und Steppengras. Aus dem Auto heraus sah ich unzählige sehr große Murmeltiere mit dem in diesen Gegenden charakteristischen hellbraunen Fell. Einmal blieben wir an einer Quelle stehen, um die herum in dieser Öde liebevoll einige Blumen gepflanzt waren. Ich war nun voll der frohen Erwartung nach dieser so gastfreundlichen Fahrt bald meinen Sohn begrüßen zu können. Doch es wurde spät und später. Bald war es stockdunkel, und wieder hielten wir bei Verwandten zum Tee. Endlich um etwa 22 Uhr näherten wir uns einer größeren Ansiedlung. Tatsächlich, es war Murghab! Ich versuchte dem Fahrer die Ortsbeschreibung der Unterkunft meines Sohnes zu geben, doch er wehrte ab und ließ mich mit den drei Frauen bei einem zentralen „Guesthouse“ aussteigen. Mir wurde ein Einzelzimmer zugeteilt und das Klo am Hof hinter dem Haus gezeigt; doch gab es nichts Warmes mehr zu trinken, und alle verschwanden in ihre Zimmer. Wissend, dass ich ausreichend trinken sollte, nahm ich immer wieder einen Schluck aus meiner Wasserflasche, dennoch merkte ich nach einiger Zeit, dass ich zu halluzinieren begann. Ich rappelte mich auf, suchte in meinem Rucksack, laut mit mir sprechend und mir Befehle erteilend, nach der mitgebrachten Elektrolytlösung, die ich trank.
 
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Dennoch war es mir am Morgen schwindlig, und starkes Kopfweh hatte eingesetzt. Nach Sonnenaufgang (dort um etwa 6.30) stand ich auf und wartete, bis ich im Haus Geräusche hörte. Nach einigem Hin und Her gelang es mir, den Sohn des Hauses dazu zu bringen, Philipp anzurufen. In weniger als 10 Minuten stand er vor mir – meine Unterkunft war keine 200 m entfernt von seinem Guesthouse. Dort bekam ich sofort Tee und Suppe und konnte mich ausruhen und Kräfte sammeln, während mein Sohn zur Arbeit ging.
Bald darauf mieteten wir gemeinsam mit einem auf dem Fahrrad(!) durchreisenden Schweizer einen Jeep und fuhren an der chinesischen Grenze entlang zu Sommerunterkunft von Nomaden, wo wir ein paar Tage und Nächte verbrachten. Wir sahen beim Melken der Yakkühe zu, beim Durchseihen der Milch, beim Prozess des Filzens der Yakwolle, beim Häuten eines Murmeltiers. Ein kleines Bächlein entlang, neben Edelweiß und anderen gelb leuchtenden Blumen, wanderten wird im angenehm warmen Sonnenschein ein paar Stunden dahin, doch wegen eines aufziehenden Gewitters mussten wir umkehren und in die Jurte zurückkehren. Stefan, der Schweizer, erzählte uns, während wir rund um den gemütlich warmen, mit Yakdung beheizten Ofen in der Mitte der Jurte auf Teppichen saßen, von seiner Reise, die ihn von Usbekistan über Tadschikistan, Kirgistan und China nach Indien führen sollte. Das Fahrrad, das er in Taschkent gekauft hatte, wollte er in Osch/Kirgistan wieder verkaufen. Philipp erzählte von seiner Arbeit in Murghab. Seine Aufgabe war es, Wege zu finden, wie die Bevölkerung der Stadt – Murghab hat etwa 4000 Einwohner - durch ökologisch nachhaltige Projekte zu einer besseren Versorgung kommt, und ihre Gesundheit gefördert wird. Ich genoss die vielen Eindrücke, das Leben, das wir für kurze Zeit mit den Nomaden teilen durften, die unglaubliche Gastfreundschaft und Solidarität unter diesen Menschen. In der darauf folgenden Nacht schneite es. In diesen wenigen Tagen bekamen wir also ein bisschen mit, wie hart das Leben sogar im Sommer für die Bevölkerung ist.
Ich war so froh, dass mich in Khorog der Mut nicht verlassen hatte und ich nicht vorzeitig das Handtuch geworfen hatte.
Ich erlebte noch einige interessante Tage in Murghab. Einige erforschende Spaziergänge unternahm ich allein. Gemeinsam mit zwei jungen Schweizerinnen erklommen Philipp und ich einen Berg. Auch bei dieser Wanderung erlebten wir innerhalb weniger Stunden Sonne und Schneesturm.