Deutschland Reisebericht:
Sylter Überraschungen

Schnieke Friesenvillen, der Supermarkt ein Feinkostladen, eine Reihe Designer-Boutiquen: Das ist Kampen. Ein 1000-Seelen-Dorf, besiedelt von den Reichen und Schönen. Jeder dritte besitzt einen Porsche, jeder vierte eine Yacht in Nizza, jeder fünfte ein Penthouse in New York. Und alle haben sie eines der wunderschönen Anwesen gekauft. Wuchtige, reedgedeckte Friesenhäuser mit viel englischem Rasen, leuchtenden Blumenbeeten und obligatorischem Strandkorb auf der Terrasse.

Hier führt die High Society ihre Sonnenbrillen, Handtäschchen und Champagnerflöten spazieren. Und ich mittendrin. Verschwitztes T-Shirt, alte Shorts und sandige Flip Flops. Passender geht’s nicht.
Ziellos schlenderte ich durch die Straßen, als ich sie sah: Blumen. Einfache Blumen. In strahlenden Farben vor einer alten Steinmauer. Manche gelb, andere in einem sanften Rosa oder auch in einem satten Rot. Ihrer Schönheit war ich hilflos ausgeliefert. Sofort zuckte meine Hand zur Kamera, suchte nach der besten Position, um das kleine Wunder aufs Bild zu bannen. Bald kniete ich, dann lag ich am Straßenrand, kroch im Staub und fotografierte.
 
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Gerade da kam sie, die ältere Dame. Sauber und fein angezogen stolzierte sie daher. Neben mir blieb sie stehen, blickte auf mich herab und schüttelte den Kopf. Ich wusste, wie ich wirken musste. Innerlich wappnete ich mich, machte mich kampfbereit und erdachte eine grimmige Erwiderung.
Doch kein Anschlag auf mich, keine bösen Worte, nichts. Stattdessen rief die alte Dame aus, wie unglaublich es sei, dass es so etwas noch gebe! Dass sich noch jemand für Blumen am Wegrand interessiert! Hier, wo nur der Kommerz und das Geld etwas zählen, wo sonst kleine Paläste und Luxuskarossen abgelichtet werden, gerade hier die Begeisterung für die Blüten!
Sie gab mir die Hand, bedankte sich und ging.
Verblüfft ließ sie mich zurück. Mit Vielem hatte ich gerechnet, damit nicht. Aber wie glücklich mich ihre warme Geste machte! Und wie ich mich freute, eine Verbündete gefunden zu haben. Eine, die Blütenblätter sinnlicher findet als Villen.

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