Mir gefällt es zu reisen. In Gedanken zeichne ich in einer roten Linie auf einer Weltkarte

meinen Weg nach um mir später ein Bild von der Welt zu machen auf der ich lebe. Da mir organisierte Gruppenreisen mit ihren farbigen Schirmchen und Hütchen schon immer suspekt waren, sitze ich mit einem etwas flauem Gefühl im Magen am Flughafen und warte auf eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Wissenschaftlern, Naturinteressierten und anderen Abenteurern, mit der ich in den nächsten 4 Wochen die Baikalregion erkunden werde.
Über Moskau geht es nach Irkutsk. Unsere Gruppe steht etwas verloren an dem kleinen Flughafen, als der alte LKW vorfährt, der unsere Küche und unsere Zelte transportieren wird. Viel ist es nicht, was wir brauchen werden, da wir einen Trip mit Vollpension gebucht haben – bio- und geologisches Fachwissen inbegriffen.
 
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Schnell stelle ich fest, dass Irkutsk, das „sibirische Paris“, ziemlich wenig mit dem Ambiente französischer Straßencafes gemein hat. Die Strassen und Gehwege scheinen eher für eine Stadt mit den Ausmaßen Tokyos geplant worden zu sein und mit ihren etwa 650.000 Einwohnern wirkt die Stadt etwas unheimlich und leer. Einzig die kunstvoll geschnitzten Holzhäuser im historischen Stadtkern, angeschmiegt an überdimensionale, moderne Kaufhäuser können in meinen Augen diese Leere romantisieren. In der 30-Mann starken und bislang fremden Gruppe fällt es mir etwas schwer mich zu entspannen. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als ich am nächsten Tag in unserem alten irkutsker Linienbus sitze mit dem sicheren Gefühl, in Kürze das Ufer des Baikals zu erblicken.
Als Ergebniss der tektonischen Verschiebung der indischen auf die eurasischen Platte
entstand in einer 6-8 km langen Grabenstruktur vor über 25 Millionen Jahren dieser See. Häufige
regionale Erdbeben zeugen von dem noch nicht abgeschlossen Riftzonenprozess Baikal, der den See um jährlich etwa 2 cm wachsen lässt. Ein natürlicher Lichtblick einer Zeit, in der man voller Erschrecken das zunehmende Austrocknen der großen Seen der USA, des Aralsee oder des Tschadsees fast mit bloßem Auge beobachten kann. Ein weiteres ökologisches Wunder ist für mich der Reinheitsgrad des Sees. Mikroskopische kleine Krebse – nur einige der geschätzten 2600 endemischen Arten - filtern auf natürliche Weise das Wasser. Von einigen in der Gruppe mit Skepsis betrachtet können wir so unseren Wasserbedarf in den nächsten Wochen ausschließlich aus dem See befriedigen ohne auch nur einen Anflug der Rache Montezumas zu spüren.