Brasilien-Reisebericht:
Erste Eindrücke in Salvador da Bahia
Salvador da Bahía verändert den eigenen Takt: Mein Herz schlug schon am Flughafen höher als es sollte und würde den Rest des Aufenthalts in Salvador seine normale Geschwindigkeit nicht wieder aufnehmen: Die tropische Hitze, die steilen Kopfsteinpflastergässchen und die Rhythmen der afrobrasilianischen Trommeln lassen weder Kopf noch Köper eine Sekunde zur Ruhe kommen. Bepackt mit meinen Vorstellungen über die ehemalige Hauptstadt Brasiliens setze ich mich in ein Taxi und lasse den Atlantik in Amerikas größter Bucht an mir vorbei flirren, während vor mir die Skyline Salvadors auftaucht: die zweigeteilte Stadt. Schon von weitem fällt der Aufzug auf, welcher die koloniale Oberstadt von der Unterstadt trennt und die siebzig Höhenmeter in weniger als einer Sekunde zurücklegt.
Bildquelle: CC BY 2.0 - Mario Carvajal / flickr.com
Während das Taxi sich durch die Kopfsteinpflastergassen arbeitet, schleichen an meinem Fenster bröcklige Fassaden mit Graffitis und abblätternder Farbe vorbei. Sobald wir in die Altstadt einfahren, haben wir anscheinend eine unsichtbare Grenze passiert: In Pastellfarben getauchte, einstöckige und sorgfältig renovierte Häuser zieren nicht mehr Graffitis, sondern liebevoll gemalte Bilder, die zum Verkauf feilgeboten werden. Das Ende des UNESCO-Weltkulturerbes scheint die Ober- von der Unterstadt zu trennen und die eine pittoresk, die andere rau und nicht weniger charmant zu machen.
Meine Pousada ist in einem solchen UNESCO-Weltkulturerbe-Haus untergebracht: Hellgelb und weiß strahlt die Fassade und verspricht kolonialen Charme. Ich habe mir die Pousada Colonial nach den Bewertungen von lastminute.de herausgesucht, weil es sich anhörte wie eine Bleibe, die ich suche: zentral, ruhig und mit wahrem kolonialen Charme. Tatsächlich hat der Reisevermittler nicht zu viel versprochen, und ich kann das im Internet so gelobte Himmelbett tatsächlich zufrieden beziehen. Auch der Ausblick vom Balkon der Pousada ist wie versprochen phänomenal: Man sieht über die Altstadt, die Unterstadt, die der Stadt vorgelagerten Inseln bis weit in den Horizont hinein. Hier werde ich später auch das erste Mal den Moqueca kosten, Bahias berühmtes Nationalgericht mit Fisch und Kokosmilch, das fein gewürzt und frisch ist und einen Hitze und Anstrengung in der Stadt für die Zeit des Essens vergessen lässt.
In der Altstadt fällt die hohe Polizeipräsenz sofort auf: Früher war die Pelourinho angeblich ein eher obskurer Ort, was man sich heute bei den pastellfarbenen Häusern, der Ruhe der Straßen und den vielen friedlich herumsitzenden Stadtbewohnern schwerlich vorstellen kann. Angeblich gibt es jedoch immer wieder Raubüberfälle in den Seitenstraßen, sodass ich mich lieber auf den von Polizisten gesäumten Straßen aufhalte und hinunter zum Plaza Anchieta schlendere. Immer wieder blitzt das Meer zwischen den Fassaden hindurch und erinnert mich daran, dass ich jederzeit baden könnte.
Aber erst will ich etwas über die Straßen dieser Stadt erfahren – schließlich ist Salvador da Bahia eine der wichtigsten Städte Brasiliens. Bis 1723 war die Stadt Hauptstadt des damals noch zu Portugal gehörenden Brasiliens und regierte über Zuckerrohrplantagen und die dazugehörigen Sklaven. Die damals größte Metropole der südlichen Hemisphäre verdiente sich an den Exporten des rohstoffreichen Lands eine goldene Nase. Der Reichtum der Altstadt, denke ich, ist also vor allem dem Zucker zu verdanken, den es heute als frisch gepressten Zuckerrohrsaft an kleinen Straßenständen zu kaufen gibt.
Seiner Zeit als Zuckerrohrkönigin verdankt die Stadt auch die hohe Zahl der afrobrasilianischen Bevölkerung, die hier immer noch aus der Sklavenzeit übrig gebliebene Riten pflegt. Wie zur Demonstration erwartet mich beim Plaza Anchieta eine Ronda, in der die Capoeiros ihre Kampfkunst darbieten. Capoeira ist ein solches Relikt, eine Kampkunst, die aus einem afrikanischen Tanz entsprungen ist und früher dazu diente, die bewaffneten Sklavenaufseher fernzuhalten. Und auch heute noch soll Salvador die wichtigste Stadt des traditionellen Capoeiras sein – eine Information, der ich sofort Glauben schenke, als ich die Selbstverständlichkeit sehe, mit der die Passanten die trommelnde und kämpfende Runde auf dem Platz betrachten.
Die wahre architektonische Schönheit von Salvador wird mir aber erst bewusst, als mich der Lacerda Elevador in wenigen Sekunden in die Tiefe befördert: Von der Unterstadt aus sehen die Häuser aus wie übereinander gestapelt, fallen ihre gegensätzlichen Zustände umso mehr auf, wirkt die Stadt umso mehr wie ein aus Jahrhunderten zusammengebautes Tetris. Die Unterstadt wirkt belebter, hektischer, statt Straßenverkäufern mit Kunsthandwerk eilen hier hemdsärmelige Büroangestellte durch die Straßen und beweisen, dass Salvador nicht nur eine Touristenattraktion ist, sondern auch Universitäts- und Industriestadt.
Der Strand bietet Ruhe von der Hektik. Auch hier gibt es an jeder Ecke den frisch gepressten Zuckerrohrsaft, der sich als gutes Gegenmittel gegen die Hitze entpuppt. Vom Strand aus sieht man auch den vorgelagerten Leuchtturm der alten Stadt, der sie mit seiner Schönheit wieder unwirklich wirken lässt. Hier werden Touren zu den noch schöneren Stränden zu den vorgelagerten Inseln angeboten, die ich in den nächsten Tagen erkunden möchte, um dem Großstadttrubel ein wenig Natur entgegen zu setzen. Aber erst einmal genieße ich das entspannte süße Leben der warmen Stadt am Meer, recke den Kopf in die Sonne und tauche meine Füße ganz tief in den Sand. Ich freue mich auf den baldigen Sonnenuntergang, wenn die Stadt angeblich zum Leben erwacht und Samba und afrobrasilianische Rhythmen aus den Hinterhöfen der Häuser schallen und zum Mittanzen einladen. Aber am meisten freue ich mich nun, nach einem ersten Spaziergang durch diese vielversprechende Stadt, auf das später auf mich wartende Himmelbett in der Pousada Colonial.