Dachten wir vor einer halben Stunde, die Wegstrecke wäre entfernungsmäßig ein Klacks, sollte uns die wilde Natur Borneos eines Besseren belehren. Nicht nur die schwül-heiße Tropenluft forderte ihren Tribut, auch die Wegstrecke selbst war bei fast jedem Schritt eine Herausforderung. Zunächst ging es steil bergan. Abertausende Wurzeln laufen hier quer zum Pfad und verzeihen keinen Fehltritt. Viel zu leicht könnte man umknicken oder auf moosigen Gehölzen ausrutschen. Nach kaum einem dreiviertel-Kilometer fragte ich mich ernsthaft, ob ich diesen Rundkurs überhaupt schaffen kann und ein Blick über die Schulter zeigte, dass auch die Engländer mit ihren Reserven rangen; und das obwohl sie schon wochenlang in Borneo unterwegs waren. Wir vereinbarten einen „point of no return“ bei Kilometermarke „zwei“, wo wir spätestens umkehren mussten, falls uns die Kräfte doch verlassen sollten. Wenig später jedoch, lichtete sich die Vegetation und wir hatten ein Hochplateau erreicht. Nackter Fels, glattgeschliffen von den Elementen. Das Laufen wurde zur Wonne, jedoch brannte jetzt die Sonne unbarmherzig vom Himmel. Ohne Sonnenschutz würde man hier so nahe des Äquators binnen kürzester Zeit ernsten Schaden nehmen. Trotz einer durchaus nicht zu unterschätzenden Gefahr von Dengue-Fieber und Malaria übertragenden Moskitos krempelten wir unsere langen Hosen hoch – anders war es bei Temperaturen deutlich jenseits der 30 Grad und immer noch hoher Luftfeuchtigkeit einfach nicht zu ertragen. Unsere Wasservorräte dezimierten sich schnell.

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Jetzt wurde ich auch gewahr, warum der Felsboden so eben erscheint. In dieser Gegend ist er gespickt mit Fossilien – große Schneckenhäuser, deren Umrisse sich deutlich abzeichnen und sich als runde Vertiefungen, oder erhabene Fragmente zeigen. Der alte Meeresgrund muss sich im Laufe der Jahrmillionen stark gehoben haben. Nur an wenigen Stellen konnten sich Bäche in den Fels graben. Faszinierend sind aber mehrere tiefe kristallklare Wasserlöcher, direkt jenseits des Weges, in die man wohl besser nicht fallen sollte. Bei Kilometer „zwei“ hatte uns der Wald wieder und da das Terrain immer noch verhältnismäßig einfach war, beschlossen wir weiterzugehen. Ein leichter Nieselregen setzte ein und kühlte herrlich. Plötzlich schrie Camilla auf. Ich führ herum und sie deutete auf den Boden vor ihr. „Snake! Watch it!“ Und dann sah ich sie direkt vor meinen Füßen und machte einen Satz zurück. Eine braune dünne Schlange, ungefähr einen Meter lang. Wurzelfarben. Sie sah eigentlich ganz friedlich aus. „Du bist fast auf sie getreten“, rief Camilla - es muss wirklich knapp gewesen sein als ich über sie hinweggegangen bin. Puh. Laut Tom gibt es in dieser Gegend zwei Schlangenarten – eine davon ist relativ ungefährlich, die andere hingegen kann unter ungünstigen Umständen lebensbedrohlich sein. Von diesem Zeitpunkt an, hatte ich immer mindestens anderthalb Augen auf den Boden gerichtet.