Doch keine Schlange taucht auf. Stattdessen passiert etwas anderes. Als die Gräser den Weg freigeben und grob behauene Steinstufen erkennen lassen, sehe ich sie. Mitten auf einer Stufe sitzt eine Gottesanbeterin. Schlank und grün und bewegungslos. Das schöne Insekt ist halb so groß wie mein Fuß. Bewundernd komme ich näher, fotografiere das Tier und bin von seiner grazilen Anmut begeistert.

Bewegungslos sitzt es dort. Sitzt und sitzt und sitzt auch noch, als ich mit einem großen Schritt über es hinwegsteige und weiter Richtung Gipfel stapfe. Ich muss gestehen: Ganz nach oben schaffe ich es heute nicht. Dazu ist es schon zu spät, ich bin zu langsam und vom ungewohnten Klima zermürbt. Also kehre ich um und steige auf demselben schmalen Pfad ins Tal hinab. Als ich wieder die Steinstufen erreiche, bin ich wie paralysiert. Denn dort sitzt immer noch die Gottesanbeterin. Unverändert. Keinen Zentimeter hat sie sich von der Stelle bewegt. Sie ist nicht mehr alleine. Ameisenüberflutet liegt sie da. Hunderte der kleinen Biester haben sich versammelt, klettern auf ihr, wimmeln über sie hinweg.

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Ein ungleicher Kampf, den das viel größere Insekt bereits verloren hat. Der Flut kann sie nicht mehr entkommen. Matt liegt sie da. Nur manchmal zuckt sie noch kraftlos. Kein letztes Aufbäumen mehr, nur eine leise Bewegung. Die Ameisen lassen sich nicht abwerfen, ihre Beute kann ihnen nicht mehr entkommen.

Ich stehe da, schockiert und fasziniert. Wie brutal das Leben ist. Das Tier stirbt und ich sehe zu. Ich könnte wenigstens human sein. Wenn schon sterben, dann schnell und schmerzlos. Nur ein Tritt mit meinen Turnschuhen, ein Knirschen, ein Knacken und alles wäre vorbei. Ich könnte es tun, könnte es und kann es doch nicht. Alles in mir sträubt sich. Die Vollstreckung will mir nicht gelingen. Eine unmögliche Tat.