In den ungeteerten Straßen ärmliche Häuser. Davor gebaut waren armselige Behausungen aus Holz und Blech. Aus Bambusstangen zusammengebundene Zäune dienten als Sichtschutz, alles grau in grau, kleine Läden. An den Straßenrändern von Verkäufern angebotene Gemüse warteten - auf dem Boden ausgebreitet - auf Käufer. Dazwischen liefen Kühe, Kälber, Hunde und Hühner scharrten im Unrat. Hier und da lehnten aus Lehm und Stroh geformte, lebensgroße, noch unfertige Figuren einer indischen Göttin zum Trocknen in der Sonne. Nein, das hier war nicht das Elendsviertel, die Slums. Dort herrscht unvorstellbares Elend. Kinder liefen uns hinterher und waren stolz darauf, sich mit uns fotografieren zu lassen. In ihren glücklichen Gesichtern bewahrheitete sich der Name der Stadt: Aus dem bengalischen übersetzt bedeutet Kalkutta „Stadt der Freude“.
 
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Am Ende der langen Straße warteten Fahrrad-Rikschas auf Fahrgäste. Um zum Stadtteil Kalighat zum kommen, mussten wir die Innenstadt durchqueren. Mit einem Taxi wagten wir uns mitten ins Verkehrsgewühl von Kalkutta. Die stattlichen Gebäude des Zentrums erinnerten noch an die vergangenen Glanzzeiten als blühende Handelsmetropole und politisches Zentrum Indiens.
Was der plötzliche Knall zu bedeuten hatte, wurde uns blitzartig klar, als der Driver aus dem Auto sprang und uns beteuerte, in „Two minutes, two minutes!“ den geplatzten Reifen gewechselt zu haben. Die zwei Minuten dauerten etwas länger, ‚Well, that’s Indian Time!’. Nach einer Stunde Fahrt im Taxi erreichten wir Kalighat, wo sich der Kali-Tempel befindet, der berühmte Wallfahrtsort der Hindus.
Nur gläubige Hindus oder unerschrockene Touristen finden den Weg hierher. An diesem heiligen Ort leben Menschen auf der Straße, in Wellblech-Hütten oder unter Pappkartons. Menschen, Autos, Rikschas und Kühe drängen sich durch die engen, schmutzigen, stinkenden Straßen, an denen die Abwässer entlang laufen. Elend, Not und Verzweiflung gehören zum traurigen Alltag. Jeden Morgen beginnt ein neuer Kampf um’s Überleben. Die Einwohnerzahl von Kalkutta wird auf 15 Millionen beziffert. Wahrscheinlich sind es aber weit mehr als 20 Millionen. Genau weiß das niemand.
Bettlende Kinder liefen uns hinterher. Wir waren darum gebeten worden, ihnen nichts zu geben, da sie sonst ihr Leben mit Betteln zubringen.