Als Tom seinen Kopf schüttelt, verfluche ich ihn innerlich. Doch es nützt nichts, so lässt er mich nicht mit. Erst muss ich zurück ins Hotel, um „alles anzuziehen, das Du hast.“ Erst dann darf ich aufs Boot. Und schon eine halbe Stunde später bin ich Tom dankbar. Denn ich friere – trotz langer Skiunterwäsche, T-Shirt, zwei Pullovern, Jacke, Schal und der überdimensionalen Schutzjacke der Bootsbetreiber.
Ausgestattet wie für eine Arktisexpedition jagt das Zodiak in der riesigen Mündung des St. Lorenz-Stroms umher. Der Wind zerrt an mir, Gischt spritzt ins Boot, die Außentemperatur liegt knapp über null Grad. Es ist Mitte Oktober und wir gehören zu einer der letzten Touren, die noch vor dem Winter hinausfahren, um Wale zu beobachten. Hier in Tadoussac ist einer der weltweit besten Orte dazu. Das kleine kanadische Dorf lebte früher vom Walfang, heute von den Touristen. Fast jeden verschlägt es nur aus diesem einen Grund in das Nest. Denn wo der Fluss und der Atlantik aufeinandertreffen, wird viel Krill aufgewirbelt. Ideale Nahrungsbedingungen, bei denen sich vor allem Blau-, Finn-, Mink-, Buckel- und Weißwale satt fressen.
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Das Glücksgefühl kommt sofort. Allein die Geschwindigkeit des Bootes, der weite Blick, der Salzgeruch, das Mövenkreischen, die Adrenalinspitzen, wenn das kleine Schlauchboot über die Wogen hüpft und unsanft in einem Wellental landet. Und dann, nach nicht einmal zehn Minuten, brodelt das Wasser. Sofort drosselt der Käpt´n die Geschwindigkeit und wir schaukeln langsam auf das Gewimmel zu. Es spritzt und klatscht, schnauft und schnaubt. Schwarze Leiber rangeln und kämpfen, tauchen auf und ab. Aber schnell macht sich Enttäuschung breit. Was wir sehen, sind nur Seehunde. Bestimmt fünfzig Stück spielen und balgen im Wasser, lassen sich treiben, beäugen uns neugierig oder gehen auf Beutezug.
Wir fahren weiter. Und mit mir fährt die Angst, keinen Wal zu sehen. Die Tour war nicht ganz billig. Außerdem bin ich extra deswegen nach Tadoussac gekommen. Nur aus diesem einen Grund so viel Zeit, so viel Geld. Doch es gibt keine Garantie auf eine Sichtung. Habe ich Pech, so werde ich nichts sehen. Doch angeblich soll es hier von den Meeresriesen nur so wimmeln. Angeblich. Man weiß ja nie.