Während wir beim Abendessen in der Messe sitzen, verkündet unser dänischer Expeditionsleiter Troels Jacobsen dass Heather aus Holland, die mit der ganzen Familie dabei ist, heute Geburtstag hat und als besonderes Geschenk draußen ein Eisbär auf sie wartet. Schallendes Gelächter, schlechter Scherz denken wohl die meisten. Aber Troels besteht darauf an Deck zu kommen. Jetzt wird es chaotisch, alle eilen zu ihren Kameras und rennen hinaus. Es stürmt ordentlich und beißende Eisnadeln kommen waagerecht daher, aber das spüren wir nicht mehr. Dort draußen schläft tatsächlich ein Eisbär im Packeis. Ein Stück dahinter liegt die Professor Molchanov, ein Schwesterschiff unserer Aleksey Maryshev. Die Besatzung hat den Bären entdeckt und über Funk unser Schiff heran gelotst. Da das Tier sehr relaxt wirkt, schieben wir uns durch das Eis langsam bis auf etwa 100 m heran. Als eine dicke Scholle dröhnend gegen den Schiffsrumpf prallt, erwacht der König der Arktis und richtet sich auf. Es handelt sich um ein etwa 5-jähriges, wohlgenährtes Männchen, das jetzt zur Molchanov hinüber sichert, die im Wind steht. Vielleicht nimmt es auch Essensgerüche wahr. Das Dauerklicken und Surren der vielen Kameras ist im Sturm kaum zu hören. Das Tier umrundet das gesamte Schwesterschiff flott und sicher, sucht sich einen Eisberg mit Windschutz, gräbt eine Kuhle und legt sich wieder Schlafen. Vorsichtig fädeln wir uns aus dem Gewirr der Schollen und setzen unsere Reise fort. Glücklich über diese Begegnung zeigen alle stolz ihre Fotoausbeute auf Displays und Notebooks. Danach wird Heather noch eine Geburtstagstorte überreicht und wir stimmen alle ein Ständchen an.
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Am 2. Juli landen wir mit den Zodiacs entlang der Ziegler Inseln und Delichtoeya auf Andréetangen. In dieser Gegend soll es besonders viele Bären geben. Nach einer langen Wanderung haben wir etwa 150 Walrosse und einen einsamen Rentierbullen in der kargen Landschaft gesehen und im Schnee nur eine alte Eisbärfährte gefunden. Gestern hatten wir bei einem Landgang am Kap Lee nahe einer Trapperhütte Reste eines Eisbärskelettes gefunden, bei dem leider der Schädel fehlte. Eine skelettiert Pranke erinnerte stark an eine menschliche Hand und jagte so manchem einen Schauer über den Rücken. Besonders als Daan, ein weiterer Expeditionsguide noch erzählt, dass hier ein befreundeter Rentierforscher seines Vaters von einem Eisbär skalpiert gerade so überlebt hat. Damals waren Waffen verboten.