Ich werde von einer Mitarbeiterin des Landwirtschaftsministeriums abgeholt, die die traditionelle Kleidung für Frauen – Kira, einen langen Rock und Bluse – trägt. Für Verwaltungsmitarbeiter und offizielle Anlässe ist diese vorgeschrieben. Wir fahren vom Flughafen in die Hauptstadt Thimpu, die nur 70.000 Einwohner hat. Ich atme auf, nicht nur wegen der guten Luft, sondern auch weil sich hier die wenigen Autofahrer – im Gegensatz zu Kathmandu – an die Verkehrsregeln halten.
 
Meinen ersten Tag in Thimpu verbringe ich damit, meine Präsentation für das Ministerium fertig zu machen und endlich zu laufen, laufen, laufen. Ich gehe einfach aus dem Hotel auf die Straße und kann mich frei bewegen, ohne dass ich von Autos und Motorrädern angefahren oder angehupt werde wie in anderen südasiatischen Großstädten. Am Abend bin ich zum Abschlussessen eines Weiterbildungskurses für Verwaltungsmitarbeiter eingeladen, den meine Kollegen in der vergangenen Woche durchgeführt haben.
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Am zweiten Tag, einem Sonntag, brauchen meine Kollegen nach einer Woche Arbeit als Trainer in der Weiterbildung dringend Entspannung: Wir fahren zum „Tigernest“, einem buddhistischen Kloster, das 900 m über dem Tal an einem Felshang klebt. Das Kloster heißt Tigernest, weil der Guru Rinpoche, der den Buddhismus nach Bhutan gebracht hat, auf einer tragenden Tigerin nach Bhutan geritten ist. Der Guru hatte seinen ersten Stopp auf bhutanesischem Boden genau an dieser Stelle eingelegt.
 
Nach einer Stunde Fahrt machen wir erstmal eine Pause in der zweitgrößten Stadt des Landes, Paro, um einen Tee zu trinken. Die Stadt besteht aus einer langen Straße voller schöner bhutanesischer Häuser, die als Souvenirgeschäfte dienen. Dann geht es weiter in ein enges Tal. Wir lassen das Auto stehen und machen uns durch den Schlamm auf den Weg nach oben. – Es ist Regenzeit. – Der Weg führt durch Nadelwald. An den Bäumen hängen Flechten. Wir fühlen uns wie im Märchenwald. Nach eineinhalb Stunden sind wir am Teehaus angelangt, wo wir schon das Mittagessen vorbestellen. Wir sehen hier das Kloster das erste Mal durch den Nebel. Es hängt an einer Felsklippe und wir wissen noch nicht, wie wir dort hinkommen sollen. Dann sehen wir die Stufen, die erst den Berg direkt über einem Abhang hinauf führen, dann zu einem Wasserfall hinunter und dann wieder den Berg hinauf direkt zum Kloster. Die Stufen sind bequem und meine Schweizer Kollegin versorgte uns mit Schokolade. – Ich fühle mich wie auf einem Spaziergang. – Am Eingang des Klosters müssen wir alle Taschen und die Kameras abgeben. Wir haben aber auch nur noch eine halbe Stunde Zeit, denn das Kloster macht von ein bis zwei Uhr Mittagspause.