Die ersten Begegnungen
 
Prickelnde Spannung lässt die erste Nacht beinahe schlaflos werden. Aber die Herren der Wildnis lassen uns unbehelligt. Gerade erwacht, höre ich jedoch vom Seeufer her den Schrei der Gefährtin, angstvoll, überrascht oder freudig erregt? Wahrscheinlich von allem etwas: „Ein Bär, ein Bär!” Ich raffe die Kamera, stürze aus dem Zelt, hetze durch den Wald. Keine zwanzig Meter von unserer Miniaturbehausung entfernt tappt der Bär am Wasser entlang, äugt – gelassen oder misstrauisch? – zu mir herüber, hält inne, steigt bedächtig in den See, schwimmt eine Runde, landet wieder in meiner Nähe, scheint zu überlegen, wo er am günstigsten im Wald verschwinden kann – und ich mache ihm Platz.
 
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Erst einmal tief Luft holen! Ein Blick auf die Kamera: Die Entfernungsskala steht auf 12 Meter! Und dann erst wird mir bewusst, dass meine erste Fotojagd auf Alaskabären in Socken stattfand…
 
Eine halbe Stunde später erscheinen gleich zwei der pelzigen Freunde am Strand und lassen sich bereitwillig betrachten und ablichten, für die nächsten Tage ein vertraut werdender Anblick. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Tatsächlich gibt es da einen Spezialisten unter den Bären, der es darauf anlegt, den Anglern die Fische abzunehmen – eine intelligente wie bequeme Art der Nahrungsbeschaffung! Ein kurzer Scheinangriff auf den Hintertatzen, und die Petrijünger lassen Gerät und Beute sausen angesichts der bis zu drei Meter hohen und dreihundert Kilo schweren Bedrohung.
Einer diese gummibehosten ‘sportsmen’ kommt in einem Faltboot den flott fließenden Brooks River hinabgeglitten, überraschend flott, wie ich, der ich am Ufer stehe, feststelle. Schon von weitem ruft er mir ängstlich zu, ich solle doch ja aufpassen, ob sich ihm nicht von irgendwo her ein Bär nähere. Dann erst erkenne ich das Dilemma: Der Paddler hat einen mächtigen Lachs an der Angel, oder viel mehr der Lachs den Paddler, welch letzterer sich krampfhaft dagegen wehrt, in die Mündung des glasklaren Flüsschens gezogen zu werden; denn der See rollt zur Zeit in heftigen Brandungswellen. Schlieβlich gelingt der Bremsversuch mit einer leichten Havarie am Ufer.
 
Lachse und Bären
 
Lachse – sie sind das offenkundige Geheimnis der Bärenkonzentration im Katmai-Nationalpark. Unwiderstehlich von einem inzwischen zwar weitgehend erforschten, aber immer noch rätselhaft erscheinenden Instinktrhythmus gesteuert, kehren sie nach fünfjährigem Aufenthalt im Meer – hier in der Bristol Bay der Bering-See – unaufhaltsam an ihre Geburtsstätten zurück, in die flachen Quellbereiche der Gebirgsbäche, gegen die Strömung, versteht sich; aber auch gegen Brandung und Stromschnellen, vorbei an Schiffen und Anglern, Adlern und Alaskabären – wenn sie Glück haben!