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Ein Stück weiter war so eine Art Wäscherei. Esel schleppten die Wäsche herbei, und Dutzende von Indern schlugen die Wäsche auf die Steine, anschließend wurde sie auf die Erde bzw. die Ufersteine zum trocknen gelegt. Kein Wunder, daß Weißes nie Weiß blieb oder wurde. In unseren Hotels hatten wir immer mausgraue Handtüche, die arg nach Kuh rochen.

Über uns schwebten Hunderte von Raubvögeln und vor allem Geier. Es sah schon unheimlich aus, wie diese Riesenvögel über uns kreisten. Sie zentrierten sich vor allem an einer Stelle, die sich dann als die Verbrennungsstätte herausstellte. Wir fuhren mit den Booten zurück und stiegen bei den Verbrennungsstätten aus, wo gerade vier Leichen verbrannt wurden. Teilweise schauten noch die unverbrannten Füße oder Köpfe aus dem Holzhaufen, und in der Luft lag ein eklig-süßer Geruch. Uns war nicht wohl zumute. Dabei ist das Verbrennen doch eine hygienischere Art der Bestattung als das Begrabenwerden, zumal in so einem heißen Land. Wer sollte hier auch eine normale Beerdigung bezahlen und woher den Platz nehmen für soviele Menschen? Das Holz für die Verbrennung ist von den meisten Familien hier schon kaum zu bezahlen, denn es gibt nicht viel Holz.

In Indien gibt es allerdings auch eine für unsere Begriffe wirklich üble Art der Bestattung. Die Parsen - eine Religionsgemeinschaft oder Sekte - verehren den Wind, das Feuer und die Erde als heilig. Damit diese drei Elemente nicht verunreinigt werden, legt man die Toten auf den sogenannten Türmen des Schweigens den Geiern zum Fraß hin. Ein Kind soll innerhalb von 10 Minuten von einem Schwarm Geier gefressen werden, sagte man uns. Und überall lagen die Knochen herum.

Nachdem wir wieder unsere Almosen an die vielen bettelnden Hände verteilt hatten, liefen wir durch die engen Gassen der Stadtd und kamen auch durch den "Kuhstall". Das ist eine schmale Gasse, die durch einen kleinen Tunnel führt, in dem es fast finster ist und in dem sich die Kühe während der größten Tageshitze aufhalten und natürlich eine Menge Mist hinterlassen. Da wir das natürlich nicht wußten, hatten manche von uns anschließend grüne Füße, als wir wieder aus dem Tunnel herauskamen. Daher schufen wir den Namen Kuhstall für diese Gasse.

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Rechts und links der Gassen sieht man ganz fürchterliche Armut, elende Verschläge, in denen Menschen hausen, in denen Kinder geboren werden, in denen gestorben wird. Vorbeihuschende Frauen und viele kleine Gestalten hocken in dunklen Ecken, und alle, alle haben ein Kind auf dem Arm oder im Bauch. Zwar wird in Indien in jeder Stadt mit Plakaten dafür geworben, nur zwei Kinder in die Welt zu setzen, aber Kinder sind für die Inder das Natürlichste auf der Welt und die einzige Altersversorgung, da nutzen solche Kampagnen wenig. Einer unserer Rikschafahrer hat 10 Kinder und war erst 40 Jahre alt. Wir hatten ihn auf 60 - 65 Jahre geschätzt. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt derzeit (1981) in Indien 38 jahre, wobei man die hohe Säuglingssterblichkeit natürlich auch berücksichtigen muß. Auch die Müttersterblichkeit ist sehr hoch. Kein Wunder bei diesen Verhältnissen. Man erzählte uns, daß eine Frau, wenn die Wehen einsetzen, mit der Rikscha zur Hebamme fährt (sofern sie in der Stadt wohnt), dort ihr Kind zur Welt bringt und mit der gleichen Rikscha wieder nach Hause fährt. Ich glaube aber, daß diese armen Frauen hier aus den Gassen nicht mal das Geld für die Rikscha erübrigen können und die Kinder zu Hause bekommen, ob nun mit oder ohne Hilfe.

Auf dem Land sieht das noch viel schlimmer aus, da gibt es weder sauberes, gekochtes Wasser noch entsprechende sterile Tücher, und was sich nachts bei höchstens Kerzenschein in so mancher Lehmhütte abspielt, können wir uns wohl gar nicht vorstellen. Dennoch überleben die meisten Kinder und Mütter, und die Bevölkerungszahl steigt beängstigend an.

Wir gingen also weiter durch die Gassen, und Veronika erklärte uns die einzelnen Tempel und Türmchen, in den Götter aus Stein hockten. Hanuman, der Affengott und Shiva und natürlich Ganesh mit dem dicken Bauch. Die Kinder und die Bettler folgten uns auf Schritt und Tritt, ganz zu schweigen von den Händlern, die alle ihre Waren an uns verkaufen wollten. Hinter einem Stand saß ein kleines Mädchen mit einem Welpen von etwa 5 Wochen, ein drolliges Tierchen, das mir natürlich gefiel. Das Mädchen wollte mir den Hund für 50 Paisas, das sind etwa 17 Pfennig, verkaufen!

Ich kaufte zwischendrin einige schöne Seidenschals, für die Benares ja berühmt ist. Die schönsten Seidensaris kommen hierher, und es gibt wirklich wunderschöne Ornamente und Farben. Ich habe mir einmal einen Sari binden lassen, das ist gar nicht so einfach. Aber er paßt nicht zu weißen, großen Frauen, sondern ist einfach ideal für kleine, zierliche, braune Frauen. Wir wirken darin plump. Zu den Inderinnen paßt der Sari wunderbar, und er ist ein ideales Kleidungsstück bei diesem Klima.

Zum Schluß erstand ich noch einen Messingkrug, wie ihn die Inderinnen zum Wasserholen benutzen. Dann ging es weiter mit dem Bus zum berühmten Affentempel. Ich war ganz entsetzt über den unvorstellbaren Dreck in diesem Gebäude. Alles war von den Tauben und den Affen vollgeschissen, es stank ekelhaft, und überall hockten diese lausigen, verdreckten Affen herum. Wie man das als Heiligtum verehren kann, wunderte mich schon. Mich wunderte überhaupt, daß die Inder ihre Heiligtümer nicht sauberhalten und auch, daß sie nicht längst auf die Idee gekommen sind, sich wenigstens Plumsklos oder was Ähnliches zu bauen. Sie verunreinigen ja ihre eigene Umwelt, alle Straßenränder liegen voller Haufen von Mensch und Tier. Es ist einfach ekelhaft, und die Gerüche sind in der Hitze wirklich unerträglich. Manchmal wurde ich direkt aggressiv, wenn es einfach zuviel wurde.

Wir waren mal wieder "bedient" und fuhren dann zurück zum Hotel, wo sich auch eine Bank befand, bei der wir Geld umtauschen wollten. Offiziell machte die Bank um 10.00 Uhr auf, aber in Wirklichkeit erst eine Weile später. Unsere preußische Art mußten wir hier schleunigst vergessen. Wer hat schon eine Uhr? In der Bank lagen die Ordner kreuz und quer hinter den Schreibtischen gestapelt, man palaverte und dachte gar nicht daran, uns zu bedienen. Dann fiel plötzlich der Strom mal wieder aus, und die Ventilatoren standen still. Schließlich blieb einer von unserer Gruppe dort, der für alle wechseln wollte, denn sonst hätte jeder seinen Paß gebraucht und ein Formular ausfüllen müssen. Im Formularausfüllen sind die Inder ja wahre Meister. Ohne Formular geht nichts. Ob sie das noch von den Engländern übernommen haben? Bei jedem Umtauschen und natürlich bei jedem Flug und für die Visa mußten jede Menge Fragen beantwortet werden.