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Wir gingen weiter den Berg hoch, um den berühmten Tempel von oben besser sehen zu können, denn kein Nicht-Hindu darf den Tempel betreten. Auf dem Weg dorthin folgten uns wieder ganz elend verkrüppelte Bettler und Kinder. Eine Bettlerin war so schlimm entstellt, wie wir das noch nie gesehen hatten. Ihre Wirbelsäule war so gekrümmt, daß sie den Kopf fast auf den Knieen hatte und nur schräg noch oben sehen konnte. Ganz furchtbar! In solchen Fällen gaben wir immer etwas, und uns ging solch ein Schicksal sehr nach, und auch wenn man noch soviel Elend gesehen hat, läßt es einen doch nicht kalt und zumindest ich gewöhnte mich nicht daran, sondern war immer wieder neu erschüttert und tief berührt.

Anschließend ging es zurück zum Hotel, und wir wollten den Nachmittag für uns verbringen, während das offizielle Programm nach Bhatgaon führen sollte, der dritten Königsstadt. Nachdem wir aber schon soviele Tempel gesehen hatten, die sich alle ziemlich ähnelten, wollten wir lieber auf eigene Faust in die Stadt gehen. So fuhren wir mit Rikschas in die New Road (die Champs Elysée von Kackmandu!) und schlenderten durch eine bazarähnliche Straße, wo Lissis etliches Tankas erstand. Tankas sind nach einem bestimmten Muster bemalte Stofftücher, die je nach Feinheit der Malerei ein Sündengeld kosten. Einige gefielen mir auch, aber wohin damit?

Wir wurden von allen Seiten angequatscht und hatten bald genug davon. Wieder mit einer Rikscha fuhren wir kreuz und quer durch die sehr lebendige und bunte Stadt zurück zum Hotel. Nach dem Duschen bei Kerzenschein - der Strom war natürlich wieder mal oder immer noch weg - gingen wir zum Abendessen, das gleichzeitig das Abschiedsessen sein sollte, denn Franz und Veronika sollten am nächsten Tag ihre anstrengende Rückreise per Bus nach Delhi beginnen. Es gab wirklich was Leckeres zu essen, nämlich Reis in einer dicken Fleisch-Pilz-Soße und hinterher Eis, das wir trotz aller Warnungen aßen. Außerdem hatten Franz und Veronika 4 Liter Whisky und Gin spendiert, das sollte gegen Bakterien aller Art wohl helfen.

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Am nächsten Morgen waren wir schon früh auf den Beinen und konnten dem Rotel noch zum Abschied winken, der noch einmal mordsmässig hupte. Dann fanden wir uns zum schon bekannten Widerlich-Frühstück ein mit ekligen Eiern und muffiger Marmelade. Und da ich jede Menge Mückenstiche abbekommen hatte, die entsetzlich juckten und zudem ständig zwischen Durchfall und Verstopfung hin und her pendelte, war meine Laune nicht gerade bestens. Aber offensichtlich ging es den meisten anderen auch so ähnlich.

Mit einem Bus von Yeti-Travels, dem größten nepalesischen Reiseunternehmen, fuhren wir dann los nach Dak-Schin-Kali, einem etwa 20 km entfernten Örtchen, wo zweimal wöchentlich der blutrünstigen Göttin Kali männliche Ziegen, Hähne und Enten etc. geopfert werden. Wir fuhren durch eine interessante Landschaft, sahen hinab in tiefe Schluchten, suchten aber die schneebedeckten Gipfel des Himalaya vergeblich. Kurz vor Dak-Schin-Kali sahen wir schon die Leute mit ihren Tieren in Richtung Opferplatz laufen. Ich wollte mir dieses Gemetzel auf keinen Fall ansehen, weil mir die Viecher so Leid taten. Außerdem fehlt mir jedes Verständnis dafür, obwohl es in vielen Kulturen immer schon Brauch war und teils immer noch ist.

Wir hielten schließlich auf einem großen Parkplatz und wurden gleich wieder von aufdringlichen Händlern und Bettlern umlagert. Es war wirklich zum Dreinschlagen, und so langsam hatte ich wirklich keine Nerven mehr für dieses ewige Anpöbeln. Der Weg führte treppab zu verschiedenen Tempelchen, und eine kleine Brücke führte über einen schmalen Fluß, der vielleicht 20 cm Wasser führte. An diesem Fluß saßen die Menschen und rupften die geschlachteten Hähne oder Enten oder schabten den geköpften Ziegen das Fell ab, nachdem sie vorher in einer Tonne mit einer heißen Dreckbrühe drin gebrüht worden waren. Die Leute standen bis zu den Knöcheln in Federn, Fell und Blut, und für mich war das eine grausige Angelegenheit.

Unser einheimischer Reiseleiter erklärte uns, daß die Opfertiere vorher gefragt würden, ob sie geopfert werden wollen, und dabei verwendet man einen Trick, indem man den Tieren Wasser über den Kopf schüttet, woraufhin sie natürlich den Kopf schütteln. Dieses Kopfschütteln wird als Zustimmung gedeutet. So ein Quatsch! In Wirklichkeit stemmen sich die verzweifelten Tiere mit aller Kraft dagegen und werden hinter ihren Schlächtern hergeschleift. Eine widerliche Szene, die ich nicht nochmal mit ansehen möchte. Von anderen hörte ich später, daß innerhalb 10 Minuten mindestens 10 Ziegenköpfe und 35 Hähnchenköpfe im Akkord abgeschlagen wurden. Es wird übrigens nur das Blut der Göttin Kali geweiht, das Fleisch wird als heilig gegessen, und diejenigen, die ihre Tiere zum Opfern bringen, müssen auch noch für das Schlachten bezahlen, obwohl sie so arm sind. In meinen Augen ist das kalte Geschäftemacherei von einigen, die vermeintlich ein bißchen cleverer sind als die anderen. Aber der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge.

Auf dem Rückweg zur Asphaltstraße, die von den Chinesen erbaut wurde und die zur chinesischen Grenze führt, sahen wir riesengroße Agaven, die teilweise schon meterhohe Blüten oder aber Knospen hatten. Solche Giganten habe ich vorher noch nie gesehen.

Unser Reiseleiter erzählte uns so allerlei, und u.a. auch, daß die Nepalesen glauben, Neckermann sei ein Ort, den dem Deutsch gesprochen wird, und daß es Neckermänner und Neckerfrauen gäbe.

Die Gegend, durch die wir fahren, soll auch noch die Heimat von Leoparden sein. Das hatte ich hier auch nicht erwartet.

Die Straße führte streckenweise steil bergan, und der Motor schnaufte ganz ordentlich. Ringsherum wuchsen Bananen und überall sah man die Menschen damit beschäftigt, sich zu lausen.

Unser Ziel war Kodari, ein kleiner Ort an der chinesischen Grenze. So fuhren wir Stunde um Stunde bergan durch tiefe Schluchten und tief unten ein Fluß, der herrlich kühles und sauberes Wasser versprach. Vielleicht kam unser Himalayawasser, das wir in Indien kaufen konnten, aus diesem Fluß. Laufend sahen wir waghalsige Hängebrücken, die hoch über den Fluß gespannt waren und über die sich nicht jeder trauen würde. Es ist schon eine wacklige und schwankende Angelegenheit.