Dann sollten wir uns noch mit Mittagsproviant für die folgenden Tage in der Wildnis eindecken. Martin beschrieb uns den Weg zum Supermarkt und meinte, in 3 Minuten wären wir dort. Diese 3 Minuten entsprachen in Wirklichkeit 30 Minuten Fußmarsch, und fortan haben wir bei Zeit- oder Entfernungsangaben immer nachgefragt, ob es sich um „Martin-Minuten" oder echte Angaben handelt. Das hat Martin ziemlich irritiert, aber dann konnte er doch darüber lachen wie wir auch. Dieser Supermarkt befand sich im Erdgeschoß eines Kaufhauses. Für unsere Vorstellungen war das Angebot sehr dürftig, aber nach der Reise hatten wir das Gefühl, ein üppiges Angebot vorzufinden. Es gibt in der Mongolei z.B. keinen Käse, wie wir ihn kennen, sondern eine Art Quark, der in Platten auf den Jurtendächern in der Sonne getrocknet und derart steinhart wird, daß man Angst um seine Zähne haben muß. Dauerwurst und ausländische Konserven, vornehmlich aus Deutschland, waren jedenfalls zu haben, aber so gut wie kein Obst und Gemüse, dafür aber ganz ordentliches Brot und Unmengen Schnaps aller Varianten. Die Mongolen - und nicht nur die - sind bekannt für ihre ausgesprochene Trinkfreudigkeit. Im Hotel füllten wir dann auch unsere Wasserkanister für die Übernachtungen in der Wildnis.

Martin hatte von allen Teilnehmern 100 US-Dollar eingesammelt. 50 Dollar wollte er für jeden in Tugrik, die Landeswährung, umtauschen. 1050 Tugrik entsprechen 1 US-Dollar = ca. DM 2,35 derzeit. Wir haben es bis zum Ende der Reise nur mit Mühe geschafft, dieses Geld auszugeben. Allerdings kann man in den Städten auch mit Dollar bezahlen. Die restlichen 50 Dollar waren eine Vorauszahlung für diverse Eintritte und die fakultative Fahrt zum Orchonwasserfall.

 

Wir gingen durch die Passkontrolle und nahmen dann unsere Koffer in Empfang. Unser Reiseleiter war mit uns geflogen, aber das wußte ich bis dahin noch nicht. Martin war ein smarter 40jähriger mit sehr sanftem, liebenswertem Wesen, der Ethnologe ist und bereits eine Mongoleireise für Roteltours durchgeführt hat. Vor dem Flughafen steht unser Rotelbus und Horst, unser Fahrer für die 3000 km durch die Mongolei. Horst ist ein gestandener, kerniger Bayer in den besten Jahren, der nicht den Eindruck machte, zimperlich zu sein. Und das war er weiß Gott nicht! Unser Rotelbus war ein ganz kompaktes und sehr robustes Fahrzeug (Mercedes) mit 350 PS und insgesamt 26 m Länge. An den Seiten hingen Sandbleche, und die Kühlerhaube wurde von einem Steinbockgehörn geziert. Dieser Bus faßt 350 Liter Trinkwasser und kann 700 Liter Diesel tanken, damit sind wir in der Wildnis also gut ausgerüstet.

 

Am Montag, 16. Juli, war es endlich soweit und mein wochenlanges Reisefieber verwandelte sich in ruhige Gelassenheit und Vorfreude auf die lang ersehnte Mongolei. Superpünktlich wurde ich um 7.30 Uhr von Hildegard und Helmut bei strömendem Regen zum Flughafen nach Friedrichshafen gebracht, und versehen mit zahllosen guten Wünschen checkte ich mein Gepäck durch bis Ulan Bator in der Hoffnung, meinen Koffer dort auch wieder in Empfang nehmen zu können. In Berlin weinte der graue Himmel auch, und da ich noch reichlich Zeit bis zum Abflug nach Ulan Bator hatte, inspizierte ich den Flughafen in aller Ruhe und fand auch gleich den Abfertigungsschalter der Mongolian Airlines, vor dem sich bereits viele Mongolen mit Sack und Pack eingefunden hatten. Wie exotisch wirkten diese Menschen auf mich und wie blaß und fad kamen mir dagegen die Europäer vor! In dem Bewußtsein, in der nächsten Zeit kaum Obst oder Salat zu bekommen, genoß ich noch einen großen bunten Salatteller und fand mich zum verabredeten Zeitpunkt vor dem Abfertigungsschalter ein. Der Airbus 310 der Mongolian Airlines (der von einem Pferdekopf mit wehender Mähne geziert ist), der immer montags und donnerstags ab Ulan Bator nach Berlin via Moskau und zurück fliegt, war um 13.25 Uhr gelandet, und ich hatte angesichts der vielen Mongolen den Eindruck, bereits in einer anderen Welt zu sein. Einige meiner Reisegefährten konnte ich anhand der roten Rotelaufkleber bereits erkennen, dann verloren sich diese aber im vollbesetzten Flieger. Es waren jedenfalls weitaus mehr Mongolen an Bord als Europäer. Um 16.05 Uhr hoben wir ab und sobald wir die erforderliche Flughöhe erreicht hatten, wurden wir von hübschen mongolischen Stewardessen mit Getränken und Essen versorgt. Währenddessen wurde auf den Bildschirmen an der Decke laufend die aktuelle Flugposition auf der Landkarte angezeigt und dann folgte ein wunderschöner Dokumentarfilm über die Mongolei - eine tolle Einstimmung auf diese Reise. In einer mongolischen Wochenzeitung wurde über das aktuelle Sumoturnier in Japan berichtet, an dem auch drei Mongolen teilnahmen. Da ich seit Jahren ein großer Sumofan bin, hoffte ich, in der Mongolei vielleicht das Glück zu haben, mongolische Ringer zu Gesicht zu bekommen.

 

Man stelle sich vor, in einem Meer von Edelweiß zu stehen, das bis zum Horizont reicht und die Wolken berührt.....

Man stelle sich vor, bei der Rast in freier Natur von Hunderten freilaufender Pferde, Yaks, Ziegen und Schafen umgeben zu sein.....

Man stelle sich vor, wochenlang keine Teerstrasse zu sehen, keinem einzigen PKW zu begegnen, kein Flugzeug zu hören oder zu sehen und nur ab und zu ruhigen, friedlichen Menschen zu begegnen, die im Einklang mit der Natur leben in einer grandiosen Landschaft voller Stille und Unberührtheit......

Man stelle sich die kahle Unendlichkeit der völlig schattenlosen Wüste Gobi vor, von deren Grausamkeit Tierskelette zeugen und die einem die eigene Verletzlichkeit vor Augen hält.....