Bei großer Hitze rumpeln wir weiter und treffen zum ersten Mal auf eine Yakherde. Yaks werden auch Grunzochsen genannt, weil sie ähnlich wie Schweine grunzen, wohl aber einige Töne tiefer. Es sind urige Viecher mit dickem, langem Fell meist in schwarz oder schwarz-weiß, aber es gibt auch schöne Grau- und Brauntöne. Von diesen Tieren war ich auf Anhieb fasziniert. Sie sind wesentlich temperamentvoller und auch angriffslustiger als normale Rinder, und manche haben wahre Prachtexemplare von Hörnern. Die Stiere sind mächtige, ehrfurchtgebietende Tiere, um die wir einen Bogen machten. In der letzten Gruppe wollte ein Unbelehrbarer Nahaufnahmen von so einem Stier machen und ist dann angegriffen und am Bein ziemlich verletzt worden.

Wir kommen nach Zezerleg, einer Stadt mit Holzhäusern, die wie eine Art Laubenkolonie aussieht. Auch hier gibt es ein Kloster, das wir auf der Rückfahrt besichtigen wollen. Hier beginnt das Changai-Gebirge, die Gegend wird zunehmend grüner, und die ersten Bäume und Blumenwiesen tauchen auf. Ausserdem wird es wieder schwül und einige Tropfen Regen fallen. Auf der Paßhöhe Tsaaran Dawaa in etwa 1800 m Höhe steigen wir aus und laufen den Berg hinab durch eine plötzlich völlig veränderte Landschaft, man fühlt sich fast in die Schweizer Alpen versetzt. Hier blühen Skabiosen, Glockenblumen, Storchschnabel, Labkraut und viele andere uns vertraute Blumen. Kaum sind wir wieder in der Ebene angekommen, ist die Landschaft wieder weit und eben.

 

Wir machen uns wieder auf den Weg weiter in den Westen Richtung Karakorum/Zezerleg. Martin erzählt uns die Geschichte von Dschinggis Khan und seinen Eroberungen. Dschinggis Khan hat das größte je bestehende Weltreich erobert mit seinen legendären Mongolen-Reitern, und angesichts der extrem dünnen Besiedelung scheint es schier unglaublich, wie das möglich sein konnte. Er hatte ein ganz ausgeklügeltes Botensystem entwickelt, aber letztlich war dieses unwahrscheinliche Unterfangen nur möglich durch die Pferde. Und die Mongolen lieben ihre Pferde bis auf den heutigen Tag mehr als alles andere auf der Welt. Schon im Alter von 3 Jahren lernen die Kinder reiten - mit oder ohne Sattel - und sie scheinen mit ihren Pferden verwachsen zu sein. Für sie ist reiten so selbstverständlich wie bei uns radfahren, skaten oder später autofahren.

Während der Fahrt sehen wir vereinzelt größte Steinbauten, das sind die Überreste der Kolchosen aus der kommunistischen Zeit unter der Führung der Sowjets, die von 1924 bis 1990, dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dauerte. Im Zuge der von den Sowjets angestrebten Sozialisierungsmaßnahmen wurde das traditionelle Nomadenleben weitgehend unterbunden und die Menschen praktisch enteignet, ihr Vieh konfisziert und in Kolchosen verwaltet. Der Buddhismus wurde als reaktionäre Religion verteufelt und verboten und in dessen Folge zahllose Klöster zerstört und Abertausende von Lamas (Mönchen) umgebracht. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches 1990 fanden erstmals freie Parlamentswahlen statt, in deren Folge energische Maßnahmen hin zu Demokratie und Marktwirtschaft unternommen wurden. Das ganze Ausmaß kommunistischer Mißwirtschaft zeigte sich erst jetzt, und der Zusammenbruch der industriellen Produktion und Kolchosenwirtschaft hatte Massenarbeitslosigkeit und eine galoppierende Inflation zur Folge, die große Teile der Bevölkerung ins Elend stürzte. Es erfolgte eine Reprivatisierung der Viehbestände, und immer mehr Mongolen gaben ihre unfreiwillige Seßhaftigkeit auf und kehrten mit ihren Herden zu ihrem traditionellen Nomadenleben zurück. Dieser Trend hält bis heute an. Vor einigen Jahren hatte Ulan Bator noch fast 700.000 Einwohner, inzwischen sind es nur noch rd. 500.000. Die Verelendung in der Stadt, in dessen Folge sich außer Arbeitslosigkeit auch Kriminalität und Prostitution überdimensioniert ausbreiten, führt die Menschen zurück zu ihren Wurzeln.