Als wir losfahren, scheint die Sonne wieder. Mein Sitznachbar, Martin jr., sieht leichenblaß und elend aus, und dann greift er plötzlich zur Tüte und muß sich übergeben. Da Fahrerhaus und Bus getrennt sind und wir uns nur über Mikrofon verständigen können, dauert es immer eine Weile, bis wir Signal zum Halten geben können, so daß der arme Martin schließlich aus dem Fenster hängt und sich die Seele aus dem Leib kotzt. Danach steigt er ins Fahrerhaus und Eni, die mongolische Freundin unseres Fahrers sitzt neben mir. Nach einiger Zeit wechselt Martin dann in den Jeep, aber ihm ist immer noch schlecht. Wir fahren durch eine sehr einsame, baumlose und einsame Landschaft unter bewölktem Himmel, es ist schwül, und das Geholpere setzt uns gewaltig zu. Schließlich machen wir Mittagspause. Bei mir gibt es trockene Brotkanten und sauberes Wasser. Wenn man hungrig und durstig ist, schmeckt das ausgezeichnet. Danach durchfahren wir wieder endlose Edelweißwiesen und kommen endlich in Zezerleg an, wo wir das 500 Jahre alte Kloster besichtigen, das als einziges nicht zerstört oder beschädigt worden ist. Gräser wachsen auf den Dachschindeln, und alles sieht ziemlich mitgenommen aus. Im Inneren gibt es immer das gleiche zu sehen, nämlich zahllose Buddhas, Tankas und schöne Holzdecken. Wir sind aber von der Fahrerei total geschafft und haben Mühe, Martin’s engagierten Ausführungen zu folgen.

 

Die Landschaft wird immer steiniger, und streckenweise haben wir den Eindruck, durch eine Mondlandschaft ans Ende der Welt zu fahren. Auf übler Rüttelpiste holpern wir dunklen Wolken entgegen, die Regen verheissen und der Landschaft eine gewisse Trostlosigkeit verleihen. Mein Magen knurrt mal wieder, und meine Vorräte sind bis auf Fruchtschnitten erschöpft. Seit Tagen gibt es absolut nichts zu kaufen, nicht mal ein Stück Brot, und so nehme ich im Laufe der Reise 4 kg ab.

Schließlich taucht in dieser Einöde ein kleines Städtchen - Tariat - auf, in dem es sogar Steinhäuser, eine Schule und ein Krankenhaus gibt. Schließlich erreichen wir den See Terchijn Zagaan nuur, der in 2.060 m Höhe liegt und 16 km lang und äusserst fischreich ist. Die Mongolen essen keinen Fisch, weil Fische nie ihre Augen schliessen und damit als Symbol für die ewige Wachsamkeit gelten.

Wir steigen aus und laufen eine Stunde am Seeufer entlang, während Horst den Bus zu unserem Übernachtungsplatz an diesem See fährt und sich um das Abendessen kümmert, das aus fünf Riesenhechten besteht, die unser mongolischer Freund Bayar schon organisiert hat. Auf unserem Spaziergang zum Übernachtungsplatz begegnen wir einer sehr großen Yakherde und vielen Kälbern, und hier finde ich winzige Küchenschellen, Enzian, Vergißmeinnicht, Anemonen u.a. Es wird schwülheiß und die Luft riecht nach Gewitter. Horst hat schon ganze Arbeit geleistet. Einige Mongolen haben mit Yakmist bereits ein Feuer zwischen zwei Steinen gemacht, darüber haben sie eines unserer Sandbleche gelegt, und darauf kommen die in Alufolie gewickelten Hechtstücke. In Sichtweite stehen etliche Jurten, und so nach und nach kommen etliche Kinder und später auch die erwachsenen Mongolen zu uns zu Besuch, schauen sich ganz dezent unser Riesengefährt und unser Treiben an, und auch wir können uns an diesen für uns so exotischen Menschen kaum sattsehen. Was für bemerkenswerte, eindrucksvolle Gesichter es hier gibt! Besonders die Kerben und Furchen in den gegerbten alten Gesichtern können viel erzählen von grausamen Wintern und Dürrezeiten, aber auch von Lachen und Lebensfreude. Auch der markante, kräftig gebaute Patriarch der Familie und ein weiterer, sehr schöner, athletischer junger Mann besuchen uns. Ich könnte Bildbände von diesen Gesichtern erstellen und wurde nie müde, diese Gesichter anzuschauen.