Dieses erste Teilstück aus der Schlucht erweist sich als echte Herausforderung. Wurzeln müssen als Halteseil herhalten und teils riskante Sprünge bringen uns nach oben. Jetzt ist es auch uns ungeübten Bergsteigern klar, was ein „class 5“ Wanderweg bedeutet. Ausgebaute Wege sind hier oben Fehlanzeige. Lediglich sehr kleine, in extrem unregelmäßigen Abständen an Bäume angebrachte Pfeile und einige Trampelpfade dienen uns nun als Orientierung. Auch unsere Kondition, durch diverse Sportarten nicht unbedingt gering, stößt nach einer Stunde an ihre Grenzen: Wir brauchen eine Pause! Der ungeplante Umweg, das Gepäck und die Temperaturen, die mittlerweile auf 35 Grad geklettert sind, setzen uns zu. Die Vegetation hier oben wird zunehmend geringer und die Sonne erreicht mit scheinbar ungeminderter Strahlkraft unsere Köpfe. Kleine Salzanlagerungen bevölkern mein grünes T-Shirt. Selbst die Kängurus ziehen schattigere Umgebungen vor. Lediglich ein Gruppe Wildschweine wird durch uns aufgeschreckt, ergreift aber sofort die Flucht. Unser Anblick muss auch zum „Davon-Laufen“ gewesen sein. Obwohl wir nun schon seit drei Monaten zusammen durch Australien reisen, habe ich uns selten so wortkarg in Erinnerung.

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Diesmal raubt uns jedoch kein Naturereignis die Sprache, sondern die körperlichen Anstrengungen. Jeder ist mit sich selbst und dem steilen Untergrund beschäftigt. Die ausgetrocknete Erde liegt nur lose auf festem Boden, ungewollte Rutschpartien sind die Folge. Gerade entlang einiger steil abfallender Schluchten erschleicht uns deshalb ein mulmiges Gefühl. Zudem stellen sich die 600 zu überwindenden Höhenmeter sehr schnell als Trugschluss heraus. Hinter jeder Bergkuppe steckt die nächste Ernüchterung. Der Weg führt meist wieder bergab, bevor er dann umso steiler wieder nach oben geht. Die tatsächlich bewältigten Höhenmeter werden die zunächst anvisierten  wohl deutlich überschreiten. Diesen Anstrengungen müssen auch meine foto- und filmtechnischen Ambitionen Tribut zollen. Camcorder, Fotokamera und Stativ bleiben fast während des gesamten Aufstiegs im Rucksack und ich ertappe mich mehrmals dabei, wie ich über meine – in jenem Moment vermeintlich sinnlose – Last fluche.

Meine Motivation neigt sich dem Ende, ich bin gereizt. Und ich habe Durst. Erst jetzt fällt uns auf, wie rapide unsere Wasservorräte gesunken sind. Von jeweils sieben Litern hat jeder kaum noch zwei Liter übrig und der Bach im Tal stellt die einzige Wasserquelle dar. Der gut gemeinte Ratschlag der Ranger, den Aufstieg erst am nächsten Morgen zu versuchen, huscht mir wieder ins Gewissen. Am Morgen verhallte dieser noch ungehört in der Vorstellung, von ganz oben ein kühles Bier bei untergehender Sonne zu genießen. Die Morgenkühle wäre sicherlich der einfachere Weg gewesen, doch unser Ehrgeiz ließ eine Umkehr bzw. eine Aufgabe unseres Vorhabens jetzt nicht mehr zu. Beine auf Autopilot und Gehirn in Stand-by-Modus geschaltet. Aus dieser endlos scheinenden Lethargie erwache ich erst wieder durch eine eher zufällige Entdeckung: Wellblechdach, Eisentonne, grobes Sieb… eine Regenauffanganlage! Ein kleiner Glücksmoment, der meine Laune spürbar positiv beeinflusst. Mit vollen Wasserflaschen und neuer Motivation brechen wir auf zum letzten Teil des Aufstiegs. Dennoch verpassen wir unser eigentliches Ziel.