Australien Reisebericht:
Australiens Osten - Die grüne Seite des roten Landes
Tag 1 und 2: Freitag und Samstag, 09.-10.01.2009
Eine Geschichte von uns, Quantas und zwei Reiserucksäcken
04.45h - eine Thrombosespitze steckt in meinem Bauch, als es an der Tür klingelt. Das fängt ja gut an. Ich bin dankbar, dass Martin sich zunächst um die Spritze kümmert, bevor er die Tür öffnet.
Pünktlich holt uns das vorbestellte Taxi ab und bringt uns die ersten Kilometer unserem großen Ziel entgegen: Australien! Die erste Etappe ist Hamburg Airport, den wir frierend erreichen, denn vor den deutschen Wintertemperaturen schützen unsere leichten Windjacken nicht. Doch heute kann uns nichts mehr schrecken: Die Freude, dass es endlich losgeht ins Land der Träume und der Kängurus, ist übergroß und wärmt von innen.
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Das junge Paar, das sich hier auf Reisen begibt, sind Martin und ich, Mariell. Kurz vor dem Ende unseres Studiums wollen wir die Freiheit des Studentenlebens noch einmal auskosten und haben uns auf den Weg gemacht, um zum ersten Mal den Kontinent am anderen Ende der Welt für uns zu entdecken. Vier Wochen haben wir Zeit, bis wir dem Studium der Medizin bzw. Literaturwissenschaft wieder ausgeliefert sind. Vier Wochen – bei einem Land von über 7 Millionen km² Ausmaß ist das nicht viel. Wir müssen also schon im Vorfeld entscheiden, wie wir die Reise gestalten wollen: Wollen wir so viele Highlights des Landes wie möglich sehen und mit Inlandflügen von einer Attraktion zur nächsten jetten? Oder lassen wir es ruhiger angehen: Verzichten wir auf ein paar Ziele und bereisen nur einen Teil des riesigen Landes, lernen diesen dafür aber intensiver kennen? So schwer uns der Verzicht auch fällt, wir entscheiden uns für die zweite Variante: Australiens Südosten wollten wir bereisen, die dicht besiedelte, grüne Küste des roten Landes. Mit Melbourne in Victoria als Ausgangs- und Endpunkt unserer Reise soll es zunächst im Mietwagen an der Küste entlang bis nach Sydney, New South Wales, gehen: Gut 1200 Kilometer, für die wir uns 13 Tage Zeit lassen. Vor Reiseantritt einigen wir uns detailliert auf Tagesetappen und Stationen entlang der Strecke – dieser Nationalpark soll besichtigt, jener Wanderweg beschritten werden, an diesem Ort wollen wir nächtigen, durch jenen nur durchrauschen.
Linktipp: Australien Rundreisen
Eine akribische Reisevorbereitung! Denn schnell ist uns klar, dass wir eigentlich immer noch viel zu viel sehen wollen und daher gut planen müssen. Aber grau ist bekanntlich alle Theorie: Wie oft werde ich auf unserer Tour später unseren Reiseführer zur Hand nehmen und spontan die Tagesetappe abändern. Nach ein paar Tagen in Sydney geht es bereits weiter. Ein Inlandflug soll uns ins 2000 Kilometer nördlich gelegene Cairns in Queensland bringen. Erst nach einer Verschnaufpause von einer Woche wollen wir von hier aus zurück nach Melbourne fliegen, um mit einem neuen Mietwagen weitere Ausflugsziele in Victoria anzusteuern. Und nach 33 Tagen wird es dann zum letzten Mal heißen: Sachen packen, Rucksack schultern und ab in den Flieger, wenn unser Monat in Australien um ist und es zurück nach Deutschland geht. Doch davon wollen wir jetzt noch nichts wissen, die ganze Reise liegt ja noch vor uns!
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Unser frühmorgendlicher Flug führt uns von Hamburg zunächst nach London. Erst hier steigen wir in die Maschine der australischen Fluggesellschaft Quantas, die uns mit dem obligatorischen Tank-Zwischenstopp in Hongkong nach Melbourne bringt. Den langen Flug habe ich mir noch schlimmer vorgestellt. Zwar gelingt es mir nicht wie anderen Fluggästen, mich durch 20-stündigen Konsum des Bordkinos ins Hollywood-Nirwana befördern zu lassen, aber immerhin: Ein wenig Schlaf finde auch ich und dank der Thrombosespritze beunruhigen mich auch meine angeschwollenen Füße nur wenig. Munter lassen Martin und ich uns daher von dem englischen Steward alles servieren, was die Bordkarte zu bieten hat. Wenngleich wir nie dahinter kommen, nach welcher Zeitzonenberechnung an Bord Frühstück, Mittag- oder Abendessen serviert werden. Daher frühstücken wir nach unserer vermeintlichen Nachtruhe überraschenderweise ein Rindersteak. Aber okay, wieso nicht. Erst als der Steward nach angelsächsischer Tradition zwei dicke Marshmallows ungefragt in meinem Kakao versenkt, die sich kurz darauf in glipschig-klebrige Schwaden auflösen, lerne ich seine Offerten dankend abzulehnen.
Trotz Fensterplatz können wir in der Tiefe unter uns nur selten Land- oder Wassermassen ausmachen. Der Landeanflug über Hongkong entschädigt aber großzügig für die vergangenen Stunden, indem er einen Panoramablick über die Buchten und vorgelagerten Felsinseln der Stadt bietet. Ein bisschen Nervenkitzel ist auch dabei, da die Landebahn direkt am Wasser liegt und wir uns beim Anblick der näher und näher kommenden Wasseroberfläche fragen, ob wir unwissentlich in ein Wasserflugzeug gestiegen sind oder ob doch noch fester Boden unter den Tragflügeln der Maschine erscheinen wird. Hongkongs tolle Lage überzeugt uns und die Stadt landet auf unserer langen Liste noch zu besuchender Orte.
Beim Weiterflug über Australiens Landesinnere hinweg gibt es dann doch noch etwas zu sehen. Oder vielmehr gibt es eigentlich nichts zu sehen, außer Australiens viel beschworener endloser Weite und Leere. Wir überfliegen eine karge Wüstenlandschaft, die aus der Vogelperspektive dennoch großen Reiz hat. Denn in dem roten Sand zeichnen sich gleichmäßige, vom Wind geformte Wellenstrukturen ab, die ineinander übergehende Muster und rätselhafte Bilder formen. Der Gedanke an die für Europäer nicht minder geheimnisvolle Kunst der Aborigines drängt sich geradezu auf und gibt Anlass zum Nachdenken über unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungsgewohnheiten.
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Tag 3: Sonntag, 11.01.2009
Von fettigem Bacon, brennender Sonne und einem verdienten Bier zum Feierabend
Gegen 9 Uhr wachen wir auf – von Jetlag jetzt und später keine Spur. Von unserem Gepäck und sauberen Sachen allerdings auch nicht. Doch wir lassen uns die Ankunftsfreude nicht trüben, auch wenn wir schon einmal besser aussahen: In langen Jeans und den schweren Wanderstiefeln, die wir aus Platzgründen auf dem Flug anhatten, machen wir uns auf den Weg. Und schon nach wenigen Metern landen wir einen Volltreffer, wir finden ein charmant-gemütliches Café, in dem sie uns ein fantastisches Frühstück servieren: Große Mengen fetttriefenden Specks treffen auf Spiegelei, Röstbrot und Rukola, Spinat und Süßkartoffeln. Genau das richtige für uns. Vom Nährwert her sollte dieses Frühstück zudem für die nächsten eineinhalb Tage ausreichen. Vor Rätsel stellt Martin lediglich die Kaffeewahl: Da die Kellnerin seinen Wunsch nach einem schlichten coffee mit einem verständnislosen Hochziehen der Augenbrauen quittiert, studiert er ohne größeren Erfolg die Karte: short black, long black, flat white…
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Da nützt es ihm auch nichts, das ich mich fröhlich entsinne, über das Kaffee-Problem schon einmal etwas gelesen zu haben. Genau, in Bill Brysons Australienklassiker „Frühstück mit Kängurus“. Aber helfen kann ich Martin nicht, ich erinnere mich zwar, dass es eine lustige Szene war, aber welche Maßangabe - von short über long zu flat – einem „normalen“ Kaffee am nächsten kommt, habe ich mir als notorische Teetrinkerin nicht gemerkt. Sei’s drum, Probieren geht bekanntlich über Studieren und Martin bekommt eine Art vierfachen Espresso, der im Koffeingehalt mit dem Nährwert des egg and bacon sandwich konkurrieren kann.
Derart gestärkt geht es auf in Melbournes Zentrum. Und zwar zu Fuß entlang des hübschen Lake Albert, der mit schwarzen Schwänen und Palmen die Skyline der Stadt malerisch unterlegt. Mitten im weitläufigen Park überrascht uns gegen 12 Uhr plötzlich die Sonne, die den Park nach einem trüben Morgen in wenigen Minuten in einen Glutofen verwandelt. Jetzt denken wir doch fluchend an unsere kurzen Hosen, unsere Hüte und vor allem an die Sonnencreme, die sich in unseren verschollenen Rucksäcken befinden. Den Sonnenbrand, den wir doch unbedingt vermeiden wollten, holen wir uns natürlich gleich in dieser halben Stunde. Denn als wir im erstbesten Geschäft Sonnencreme kaufen, ist es schon zu spät. Trotzdem genießen wir unseren ersten Tag down under und bummeln am Yarra River entlang zum Eureka-Tower, von dessen 88. Stockwerk wir uns einen gründlichen Überblick über die Stadt verschaffen. Am späten Nachmittag treffen wir am zentralen Federation Square ein, der vor allem durch seine moderne Architektur auffällt, und gönnen unseren überhitzten Füßen bei einem lokalen Bier eine Erholungspause.
Zurück im Hostel finden wir unser versprochenes Gepäck leider nicht vor. Zwar haben wir uns unterwegs zumindest das Allernötigste gekauft, trotzdem blicken wir einem weiteren Tag in Wanderstiefeln in der Hitze Melbournes mit gemischten Gefühlen entgegen. Telefonisch verspricht uns Quantas unsere schmerzlich vermisste Sommerkleidung für den kommenden Mittag und ich hoffe inständig, dass sie Wort halten, schließlich haben wir schon für übermorgen einen Mietwagen gebucht und wollen Melborne verlassen.
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Tag 4: Montag, 12.02.
Von Pflanzen in allen Größen, Formen und Farben
Schon jetzt betrachten wir das Galleon liebevoll als unser Stammcafé und bewundern die bunte Mischung von Holz- und Plastikstühlen der 70er Jahre, die das Café bevölkern. Martin betreibt weiter Feldstudien im Selbstversuch und sieht sich einem Latte Macchiato von der Größe eines Schnapsglases gegenüber.
Heute kommen wir uns in den Wanderstiefeln nicht ganz so deplatziert vor: Die Royal Botanic Gardens bieten einen guten Vorgeschmack von der australischen Flora und überwältigen uns. Farne, exotische Blumen, Palmen, Seerosen – alles gedeiht hier zum Besten und nimmt zumeist gigantische Ausmaße an. Zwischen himmelhohen Grünpflanzen wandernd können wir nicht genug sehen und staunen.
Erst die brennende Mittagssonne lässt uns widerwillig fliehen und wir suchen die schützende Kühle des großen, modernen Melbourne Museum auf – eine Wohltat für unsere norddeutsche Winterhaut, aber auch ein informatives Erlebnis. Und selbst hier können wir in einem Innenhof heimische Fauna und Flora erkunden.
Im Hostel wartet immer noch kein Gepäck auf uns, langsam verlieren wir Nerven und Geduld. Doch dann die Erleichterung: Gegen 19h erhalten wir unsere Rucksäcke. Dann kann es ja losgehen morgen, wir freuen uns auf die Tour!
Tag 5, Dienstag 13.01.2009
Von Straßenatlanten, Zelthierarchien und viel, viel Sand
Hitze!
Die Sonne brennt schon morgens mit voller Kraft am Himmel, kaum auszuhalten ist es an diesem Morgen in unserem kleinen 6-Bett-Zimmer. Das Bad ist vor gleißendem Licht nur mit Sonnebrille zu betreten und wir beeilen uns fortzukommen, raus aus dem Hostel, raus aus der Stadt. Und zwar mit dem Mietwagen, einem Ford Territory, der uns in den nächsten Tagen noch ans Herz wachsen wird. Bei der Buchung des Wagens von Deutschland aus haben Martin und ich penibel darauf geachtet, ein Navi mitzubestellen - bei einer Strecke von über 1000 Kilometer eine sinnvolle Investition, dachten wir. Leicht perplex bin ich daher, als mir der Angestellte der Mietwagenfirma auf unsere Nachfrage einen 500 Seiten starken Autoatlas in die Hand drückt. Und dann gleich noch einen zweiten, für New South Wales nämlich, das eben war erst Victoria! Der nette junge Herr fragt uns noch, ob wir schon Erfahrungen mit dem Linksverkehr haben und wünscht uns dann good luck für die Reise…
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Victoria aufgeschlagen auf dem Schoß geht es los. „Erst mal raus aus Melbourne, dann ist das Schlimmste geschafft“, gibt sich Martin optimistisch. Und er soll Recht behalten. Die ersten 20 Kilometer aber sind trotz Klimaanlage schweißtreibend, der ungewohnte Linksverkehr und die fremde Stadt mit ihren sich kilometerlang dahinziehenden Vororten verlangen uns einiges ab. Leider auch unserem Ford, der sich beim Anfahren an der Kreuzung mit einem wesentlich stärkeren Truck anlegt und sich ein paar empfindliche Kratzer am Außenspiegel einfängt. „Links vom Lenkrad befindet sich entschieden zu viel Auto“, ist – nach einer Begutachtung des Schadens – Martins entschuldigender Kommentar. Die Mietwagenfirma wird es uns nachsehen, wird nicht auch ein Auto erst durch seine Falten und Schrammen so richtig interessant?
Melbourne hinter uns lassend wird die Fahrt entspannt. Wilde Tiere gibt es noch keine entlang der Straße, obwohl wir schon bald die berühmten gelben Warnschilder - „Kangaroos next 10 km!“ – sehen und gespannt Ausschau halten. Wir fahren durch eine recht unspektakuläre Gegend und passieren Orte, deren Namen weitaus interessanter sind als sie selbst: Koo Wee Rup, Korumburra und Leongatha klingen exotisch und verlockend. Schon jetzt bin ich insgeheim dankbar, dass wir kein Navi an Bord haben. Denn mit dem Finger auf der Karte buchstabiere ich die zum Teil unaussprechlichen Ortsnamen und kenne mich auf unserer Strecke in Kürze bestens aus. Während ich mich also mit Victoria in Papierform anfreunde, schließt Martin unseren Ford ins Herz und so kommen wir zügig voran und abends erreichen wir unser erstes Tagesziel: den Wilsons Promontory Nationalpark, kurz The Prom. Schon die Aussicht auf die Halbinsel ist beeindruckend. Die Straße windet sich eng an der Küste entlang und führt dann durch die Vegetation der Insel. Der Straßenrand geht sofort in dichtes Buschwerk über und mehrfach kann ich mümmelnde und neugierige Wallabies ausmachen, die hoch aufgerichtet den wenigen Autos hinterherschauen. Toll! Scheu ist hier Fehlanzeige, Australiens Tierwelt ist an keine bedeutenden Fressfeinde gewohnt und weist nur geringe Fluchtinstinkte auf.
Das Granitvorgebirge sei ein Teil der ehemaligen Landbrücke nach Tasmanien, verrät uns mein schlauer Dumont-Reiseführer über The Prom. Und den Granit bekommen wir bald zu sehen. Allerdings in Form von hauchfeinem, schwarzen Sand, in den wir mühsam versuchen, unsere Zeltheringe zu schlagen. Unsere site sei nicht die beste, teilt uns die Campingplatz-Verwaltung von Tidal River mit. Ach was! Aber es sei Besuchersaison und wir bekämen einen der letzten verfügbaren Zeltplätze. „You’re lucky, it’s our last one“ – so oder ähnlich sollten wir noch manchen Platz und manches Zimmer in den nächsten Tagen bekommen. Erleichtert machen wir uns also an den Aufbau unseres mitgebrachten Zeltes. Es ist denkbar einfach konstruiert und zugegebenermaßen recht klein. Doch wie bescheiden es ausfällt, merken wir erst an den Blicken unserer Campingnachbarn. Halb belustigt, halb mitleidig verfolgen sie unser Tun, bis ein australischer Familienvater sich erbarmt, sein Grillgut kurz aus den Augen lässt und uns anspricht: „So, this is your tent?“ Angesichts der komfortablen Wohnwagen um uns herum, deren Vor- und Vorvorzelte bereits sehr viel mehr Raum bieten als unser mobiles Eigenheim, schwant auch uns, das es für die hiesigen Profi-Camper eine bessere Hundehütte ist. Die Frau unseres Grillmeisters gibt uns den Rest mit ihrem gut gemeinten Angebot: Wir bräuchten bloß anzuklopfen, wenn wir es heute Nacht doch noch vorziehen sollten, in ihren Wohnwagen umzuziehen.
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Als das Zelt steht, gibt es für uns kein Halten mehr. Vor dem Abendessen wollen wir noch schnell die paar Schritte zum Strand gehen und baden. Angesichts der idyllischen flachen Bucht und des ruhigen Wassers verzichte ich auf meine Gummischwimmschuhe, die ich mir aus Angst vor Rochen und sonstigem Unheil am Meeresgrund gekauft habe. „Was soll denn hier schon sein, alle gehen hier ins Wasser.“ Richtig. Und vermutlich kann man in Australien statistisch gesehen hundert Mal schwimmen gehen, ohne einem Rochen zu begegnen. Aber ausgerechnet wenn ich es das erste Mal versuche, erwische ich den Sechser im Lotto. Nach wenigen Minuten Badespaß macht sich unweit von Martin und mir etwas davon, das etwa 40 cm Durchmesser hat, flach und hell ist. Und mit eleganten Schwüngen unter den Wellen in Richtung offenes Meer davonsegelt. Nach dem ersten Schrecken beglückwünschen wir uns. Wir hatten nicht damit gerechnet, beim Baden einem Rochen zu begegnen, so etwas passiert einem ja sicherlich nur einmal. Denken wir.
Müde schlafen wir in unserem Zelt ein. Dass der spätabends aufgekommene Wind in immer heftigeren Böen gegen unsere Zeltwände stürmt und ab und zu leichte Schauer des dunklen Sandes durch die Belüftungslöcher pustet, stört uns vor Müdigkeit nicht.
Tag 6, Mittwoch 14.01.2009
Von Erdnussbuttersandwiches, singendem Sand und dem Geheimnis der Einsamkeit
Gegen 5 Uhr früh ist es soweit, unser Zelt gibt seinen Kampf gegen den Sturm nach erbittertem Widerstand auf und bricht über uns zusammen. Resigniert und genervt schälen wir uns aus Schlafsack und Zeltplane und wischen uns den Sand aus den Augen. Im Dunkeln suchen wir erst einmal die Waschanlagen auf und vor dem Spiegel müssen wir dann doch lachen: Zwei Doppelgänger in schwarz gucken uns an! Der Sand sitzt uns in den Haaren, den Ohren, zwischen den Zähnen und auch sonst in jeder Pore unseres Gesichts. Notdürftig gesäubert verbringen wir den zweiten Teil der Nacht im Auto.
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Zweites Aufstehen: Nachdem wir unsere besorgten Nachbarn beruhigt haben, dass wir die Nacht trotz Sturmschäden glimpflich überstanden haben, frühstücken wir zwischen neugierigen Papageien und Möwen. Als besonders hitzeresistent (wir haben ja keinen Kühlschrank) und gehaltvoll erweist sich von unseren Vorräten die Erdnussbutter. Dick Smith Peanut Butter, extra crunchy liefert Energie für den Tag, selbst wenn man sie auf ungetoastetes Toastbrot schmiert, welches die Australier wie so viele Nationen extra soft mögen.
The Prom ist durchzogen von Wanderwegen. Nicht nur, aber auch wegen seines lustigen Namens wählen wir den Lilly Pilly Gully Nature Walk. Fünf Kilometer führen uns durch Eukalyptuswälder und in immer höhere Höhen, von denen wir einen schönen Blick auf Insel und Meer haben. Nur die ersehnten Koalas bekommen wir heute noch nicht zu Gesicht, obwohl wir immer wieder wie hypnotisiert in die Baumwipfel starren, wenn uns ein Eukalyptusbaum besonders üppig erscheint: „Wenn ich ein Koala wäre, würde ich diesen Baum kahl fressen.“ Aber vielleicht ist es ja auch die falsche Sorte? Denn es gibt rund 700 verschiedene Arten, vom großen Königseukalyptus über den knorrigen Geistereukalyptus bis zum frostbeständigen Schneeeukalyptus. Die anpassungsfähige und vielfältige Gattung der Eukalypten macht 70% australischen Baumbestands aus. Da hat der Koala gute Karten, könnte man meinen. Aber er ist Gourmet und frisst jeweils nur ein paar Arten. Denn eine zu hohe Konzentration des giftigen Eukalyptusöls mögen selbst Koalas nicht.
Zur Belohnung genehmigen wir uns nach der Wanderung noch einen Abstecher zum Squeaky Beach. Er hält, was er verspricht: Unter unseren Fußsohlen quietscht der weiße Quarzsand bei jedem schlürfenden Schritt. Doch dann müssen wir schon weiter, die Gegend der Gippsland Lakes ist unser Ziel. Einen Zwischenstopp legen wir in dem kleinen Fischerort Port Albert ein. Hier ist wirklich der Fisch begraben. Trotzdem oder gerade deswegen prangt ein neues Zu-Verkaufen-Schild an einer ehemals weiß verputzten Backsteinruine. Ein Dach gibt es nicht mehr, dafür Löcher in der Wand, durch die wilde Pflanzen wuchern. Ich wüsste zu gern, was dieser Schutthaufen wohl noch kosten soll?
Auf unserem Weg zum Golden Beach ist es dann soweit: Gut getarnt in den fahlen Grün- und Brauntönen der weiten Ebene, die sich zu beiden Seiten der Straße erstreckt, entdecken wir eine Känguruherde. Und ein paar Emus gibt es gleich noch dazu. Natürlich halten wir an und steigen aus. Da wir meilenweit die einzigen auf der schnurgeraden Straße sind, ist so ein spontanes Anhalten auch kein Problem. Trotz der relativ weiten Entfernung von etwa 100 Metern sehen die Sätze der Grauen Kängurus beeindruckend aus, als sie sich springend entfernen.
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Schon wenige Kilometer später macht Martin erneut eine sanfte Vollbremsung: Zwei Kängurus stehen nur wenige Meter neben der Straße und ja, was machen sie eigentlich? Sie gucken uns an. Und wir sie. Wir stehen uns gegenüber und Martin und ich sind hingerissen, ein so schönes Kängurupärchen zu sehen. Ob die Kängurus über uns ähnlich denken, wissen wir nicht. Das Männchen guckt uns etwas irritiert an; wenn wir mal ehrlich sind, scheint es mehr zwischen den Beinen als zwischen den Ohren zu haben. Das Weibchen mit seinen sanften braunen Augen hingegen lässt sich nur kurz stören und ist in Gedanken vielleicht bei seinem Joey, dessen Schwanzspitze aus dem verräterisch gerundeten Beutel lugt.
Nur ungern trennen wir uns von diesem faszinierenden und idyllischen Anblick. Auf Augenblicke wie diese haben wir gehofft, dafür sind wir ans andere Ende der Welt geflogen. In der immer noch heißen Abendsonne stehen wir irgendwo in der australischen Pampa zwei Kängurus gegenüber.
Doch ganz allein sind wir nicht, ein Schwarm Mücken nutzt unsere andächtige Stille und macht sich genüsslich über uns her. Aber das sind keine vorsichtigen europäischen Mücken, die sich nach langer Vorbereitung hinterrücks an die Wade anschleichen und unbemerkt einen sauberen Stich hinterlassen. Die australische Variante geht da sehr viel rabiater vor, die Mücken sind im Nu überall und stechen ungehemmt drauflos, am liebsten ins Gesicht. Notgedrungen treten wir den Rückzug an, doch auch im Auto hat sich bereits ein Dutzend der Quälgeister eingenistet, so dass wir einige Minuten hektisch um uns schlagend versuchen, den Biestern Herr zu werden. Als wir es endlich geschafft haben, begutachten wir die Stiche und versuchen, wenigstens die Beulen im Gesicht mit Salbe zu kühlen. Macht nichts, es hat sich gelohnt, die Kängurus werden wir nie vergessen.
Wenig später erreichen wir den Ort Golden Beach am Ninety Mile Beach. Wir haben hohe Erwartungen an diesen Küstenabschnitt und wollen hier die Nacht verbringen, am liebsten direkt am Strand. Denn, und da möchte ich meinen Dumont-Reiseführer zitieren, „am fantastischen Ninety Mile Beach kann man kilometerlange Strandabschnitte ganz für sich alleine haben“. Das stimmt, das ist wahr. Menschenleer präsentiert sich uns der Strand mit der wilden Brandung, nach links und nach rechts erstreckt er sich meilenweit und einladend. Die Sache hat nur einen Haken: Der Anblick lässt sich nur vom Auto aus genießen. Sobald man aussteigt sind sie da und stürzen sich auf einen: Trilliarden von Mücken, die die Gegend jetzt im Sommer beherrschen. Wir überschlagen kurz, wie viele Stiche wir während unserer zehnminütigen Kängurupause einkassiert haben und rechnen hoch auf eine Nacht: Wahrscheinlich würden wir morgen früh gar nicht erst aufwachen. Unsere Übernachtung am Strand entfällt daher. Bei tief stehender Sonne lassen wir unseren Blick ein letztes Mal über den Strand schweifen und fahren zurück.
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In der Abenddämmerung hüpft uns dann doch tatsächlich fast noch ein Känguru vor unser Auto. Zum Glück sehen wir es rechtzeitig zu seiner gewagten Überquerung Anlauf nehmen, so dass wir bremsen können und zusehen, wie wenige Meter vor uns das stattliche Graue mit nur zwei Sätzen die breite Straße überwindet. Dann verschwindet es wieder in der Weite der Landschaft.
Tag 7, Donnerstag 15.01.2009
Von Fähren, Koalas und Pelikanen
Nach einer Nacht im Motel in dem wenig attraktiven Städtchen Sale brechen wir frühzeitig auf nach Paynesville. Von hier, haben wir gelesen, passiert eine Fähre nach Raymond Island, eine kleine Insel, auf der Koalas leben. Und die wollen wir jetzt endlich sehen. Als wir ankommen, liegt die kleine Fähre bereits abfahrbereit am Kai. Wir haben keine Ahnung, wie oft sie ablegt, wie lange die Fahrt dauert oder wo man Fahrkarten kauft. Wir wissen nicht einmal, wie groß die Insel ist und ob wir das Auto nicht doch lieber mitnehmen sollten. In Eile suchen wir die paar Dinge zusammen, die wir auf die Insel mitnehmen möchten, Sonnencreme, Fotoapparat, alles weitläufig verteilt in unserem Ford. Auch Tabletten gegen Übelkeit stecken wir ein, falls uns das Schlingern während der Überfahrt auf den Magen schlagen sollte. Ich dränge zur Eile und panisch laufen wir auf die kleine Fähre, um dort jemanden zu suchen, der uns eine Fahrkarte verkaufen oder Auskunft über die Insel geben kann. Doch schon legen wir ab und ich sehe mich verzweifelt um, wir haben doch keine Karte und brauchen wir das Auto nicht doch? Aber noch während wir uns so umsehen, wird uns schlagartig klar: Die Fähre dreht nicht etwa ab und verlässt den vermeintlichen Meeresarm. Nein, sie steuert geradewegs auf das gegenüberliegende Ufer zu, das nur einen Katzensprung von etwa 50 Metern entfernt und bereits Raymond Island ist. Wir standen die ganze Zeit schon davor. Die Fähre pendelt im Viertelstundentakt, Fahrkarten sind nicht nötig und die Überfahrt dauert keine zwei Minuten, womit auch das Risiko von Seekrankheit nahezu vollständig ausgeschlossen ist. So viel Lärm um Nichts, wir können gar nicht mehr aufhören zu lachen.
Begleitet vom Lärm vieler Papageien wandern wir unter Eukalyptusbäumen über die Insel. Auch krüppelige Sträucher wachsen hier. Es sind Banksien, deren große, zylindrische, silbrig-haarige Blütenstände um diese Zeit schon fast verblüht sind. Banksien kommen nur in Australien vor und dieser hier, einer Old Man Banksia, sagt man eine dynamisierende Wirkung nach. Wir glauben das ungeprüft und gehen weiter.
Auf Raymond Island müssen wir uns wieder gegen zudringliche Mücken wehren, aber schon bald werden unsere Mühen belohnt. In einem entfernten Baum mache ich eine Verdickung, eine Unförmigkeit in der Astgabel aus. Mit zusammengekniffenen Augen und einem kleinen Fernglas suchen wir Gewissheit und spätestens als die Kugel sich langsam bewegt, ist klar: Wir haben unseren ersten Koala gesehen. Okay, viel erkennen wir nicht, aber wir freuen uns trotzdem riesig. Hochmotiviert schleichen wir jetzt weiter unseren Weg entlang, den Blick gebannt nach oben gerichtet. Und schon entdecken wir ein dickes, plüschiges Männchen, das in nächster Nähe ein Verdauungsschläfchen auf einem Ast hält. Damit haben wir den Koala bei seiner Lieblingsbeschäftigung ertappt, denn die knuffigen Gesellen verbringen sagenhafte 18 Stunden des Tages schlafend. Auch deshalb, weil das giftige Öl der Eukalyptusblätter, die sie täglich in rauen Mengen vertilgen, die Tierchen so müde macht.
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Martin und ich stehen jetzt direkt unter dem Pelzknäuel. Wenn der dicke Koala sich im Schlaf nicht so gut festkrallen würde, könnte er uns direkt in die Arme fallen. Den Gefallen tut er uns aber nicht. Mit seiner dicken, breiten Ledernase, den wuscheligen Ohren und dem dichten Fell sieht er aber auch zu niedlich aus. Wohl geweckt von dem leise raschelnden Laub unter ihm, wacht unser Koala jetzt auf. In Zeitlupe hebt er sein breites Teddygesicht an und richtet seine kleinen Knopfaugen auf uns, wobei er sichtlich Mühe hat, sie offen zu halten. Dann sinkt sein Kopf erschöpft zurück auf den Ast und er schläft wieder ein. Wahrscheinlich hält er uns für einen merkwürdigen Traum. Schlaf weiter, Dicker! Wir schleichen leise davon.
Noch viele weitere Koalas hält Raymond Island für uns bereit. Martin und ich haben den Trick raus, wie man sie schnell entdeckt. Wir suchen die Äste einfach nach großen Kugeln ab, denn die Koalas haben wirklich sehr dicke Hinterteile und manchmal wundert es uns, dass die Äste sich unter ihrem Gewicht nicht biegen. Besonders freuen wir uns über mehrere Weibchen, die mit ihren Jungen in den Bäumen hocken. Die Weibchen wirken alle viel munterer als die Männchen, die wir sehen. Vielleicht sind sie wegen ihres Nachwuchses wachsamer und behalten uns deshalb ein wenig im Auge, wenn wir unter ihnen stehen bleiben.
Neben Koalas, Gelbhaubenkakadus und Regenbogenloris sehen wir auch einen Kookaburra, einen australischen Eisvogel, der wegen seines Schreis auch Lachender Hans genannt wird. Leider ist ihm wohl gerade nicht zum Lachen zumute, er übt sich in Schweigen. Aber es wird nicht unser letzter Laughing Jack bleiben und vorerst sind wir zufrieden, überhaupt einen zu sehen. Sein Schnabel ist breit, kräftig und zweifarbig und über sein großes, braunes Auge zieht sich ein breiter, dunkler Streifen, der ihm ein verschmitztes Aussehen verleiht. Er ist gewissermaßen der Waschbär unter den Vögeln. Das unterscheidet ihn auch vom Blue-winged Kookaburra, der mit seinen hellen, unbestreiften Augen seine Umgebung eher verschlagen beäugt. Denn blaue Punkte haben beide Arten auf den Flügeln! Von den Vögeln des Landes wird der Lachende Hans schnell zu meinem Liebling und lässt sogar die Kakadus hinter sich.
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Zurück an der Uferpromenade von Paynesville testen wir unsere kalten Ravioli aus der Dose, mit denen wir uns für die Tour eingedeckt haben. „Man kann davon leben. Aber es schmeckt beschissen!“, würde Mick Dundee dazu sagen. Wir gehen mit unserem frugalen Mahl nicht ganz so hart ins Gericht und essen brav auf. Weiter geht es in den Küsten- und Touristenort Lakes Entrance, der in Nadelöhrlage den Meereszugang der langgezogenen Gippsland Lakes markiert. Auf einer Anhöhe halten wir an und genießen die Aussicht. Unter uns breitet sich eine blaue Seenlandschaft mit fahlgrünen Inseln aus, die von schmalen weißen Sandstränden gesäumt sind. Im Hintergrund bildet das Meer einen würdigen Rahmen. Ganz aufgeregt begrüßen wir außerdem die vielen Brillenpelikane, die in dieser fischreichen Gegend beheimatet sind. An manchen Stellen kommen wir den großen Tieren ganz nah, sie gleiten auf den Strand zu und blicken uns aus gelbumrandeten Augen an. Ihre Schnäbel sind mit bis zu 47cm Länge in der Tat beachtlich, da passen sicher einige Fische hinein.
In Lakes Entrance beziehen wir einen Campingplatz. Der Zeltaufbau gelingt uns mit links, allerdings müssen wir es zunächst mit reichlich Wasser von dem schwarzen Sand befreien, der noch immer überall klebt.
Tag 8, Freitag 16.01.2009
Vom Countryfeeling zum Sandpeeling
Morgens um sechs beginnt der Tag für uns kühl und windig mit einem schnellen Frühstück im Freien. Weil sich die Sonne am Vormittag nicht blicken lässt, verschieben wir sämtliche Wassersportpläne auf den Nachmittag und suchen stattdessen das Griffiths Sea Shell Museum auf, das mit 90.000 Muscheln aus aller Welt lockt. Obwohl vom Reiseführer empfohlen, haben wir doch den Eindruck, das Wohnzimmer eines eigentümlichen, wenn auch sammlerisch ambitionierten älteren Ehepaars zu betreten. Wie ein Museum sieht es hier nicht aus, auch wenn sich in den zahlreichen Vitrinen des muffigen Raumes in der Tat mindestens 90.000 Muscheln feinsäuberlich aufgereiht sind. Gefühlt sogar noch ein paar mehr. Persönliche Erinnerungsstücke und Fotos der sammelnden Hobbytaucher vervollständigen die Muschelmassen und ein paar alterschwach ächzende Korbstühle laden zum besinnlichen Betrachten der aufgestellten Topfpflanzen ein. Als Krönung wird das Ganze von einer hypnotisch leiernden Countrymusik untermalt, wir sind hingerissen. Yeehaw! Dass im Nebenraum eine Modelleisenbahn durch eine Miniaturlandschaft schnauft, scheint uns als Ergänzung der Sammlung schon fast logisch. Trotz oder wegen aller Absurdität verbringen Martin und ich eine amüsante Stunde im Sea Shell Museum. Bei einem Kaffee danach führen wir in aller Ruhe unser tägliches Reisetagebuch fort. Sonst schreiben wir meistens abends im Zelt, was aber manchmal dazu führt, dass ich mittendrin einschlafe. Da passt uns das schlechte Wetter heute ganz gut, um den gestrigen Tag gewissenhaft nachzutragen.
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Mittlerweile hat sich das Wetter wenigstens etwas gebessert. Zwar hat der Wind noch weiter zugenommen, aber immerhin scheint die Sonne wieder. Für etwaige Segelaktivitäten ist es aber doch zu stürmisch und daher nehmen wir mit einer dreistündigen Bootstour vorlieb. „Seals and Dolphins“ heißt sie etwas hochtrabend, denn der einzige Seehund, den wir sehen, ist Bootshund Molly. Die seetaugliche Mischlingsdame wuselt stilecht mit einer Schwimmweste bekleidet über Deck und ist everybody’s darling. Aber auch ohne Delfine ist die Wasserlandschaft, die wir jetzt kennenlernen, beeindruckend schön. Auf den Inseln leben Kängurus, nisten Pelikane und Kormorane und in der schmalen Enge, die Lakes Entrance seinen Namen gab, ergießt sich die Meeresbrandung mit weißer Gischt in die türkisblauen Fluten der Seenplatte.
Wir haben immer noch nicht genug von Wind und Wasser und begeben uns spätnachmittags an den Strand. Am Ninety Mile Beach türmen sich meterhohe Wellen und der Wind lässt Sandkörner wie feine Messerstiche auf unsere nackten Arme und Beine prasseln. Trotzdem genießen wir die Naturgewalt und finden in der auslaufenden Brandung Schutz vor dem ungewollten Peeling. Wann erlebt man die Natur schon so überschäumend und kraftvoll!
Zum Abendessen nutzen wir zum ersten Mal einen der typisch australischen öffentlichen Grills: Auf Campingplätzen, an Stränden, in Stadt- und Nationalparks laden diese barbecue facilities jeden zum Lieblingsessen der Aussies ein. Ganz umsonst und auf Knopfdruck erhitzt sich die Grillplatte und schon lassen sich leckere Steaks brutzeln. Wer behauptet, Deutschland wäre die Grillnation Nr. 1, hat diesen australischen Standard noch nicht kennengelernt. Ab jetzt genießen wir immer öfter Steaks mit gebratenen Zwiebeln, Tomaten, Pilzen und Paprika. Begleitet von einem australischen Bier oder dem ebenfalls sehr guten hiesigen Wein bereiten wir uns so ohne großen Aufwand ein wahres Festessen.
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Tag 9, Samstag 17.01.2009
Von subventionierten Wallabies und einem rettenden Motel
Bei strahlendem Sonnenschein und Windstille reisen wir wie immer mit Bedauern ab. Wir fahren durch eine fruchtbare Landschaft, in der sich grüne Hügel und Landwirtschaft mit Wäldern abwechseln, die mit ihrem farnbestandenen Unterholz und den riesenhohen Eukalypten selbst im Vorbeifahren einen Eindruck von Urwald vermitteln. Ab und zu scheint ein Wallabie am Straßenrand uns freundlich zuzunicken. Martin vermutet, dass die gewitzt wirkenden Kerlchen in staatlichem Auftrag die vorbeifahrenden Autos zählen und damit wichtige statistische Daten liefern. Beweisen können wir diese Theorie aber noch nicht. 250 Kilometer und eine unsichtbare Landesgrenze später sind wir in Eden an der Twofold Bay in New South Wales. Im Oktober kann man von hier aus Wale beobachten - da müssen wir wohl später wiederkommen. Unser Mittagspicknick nehmen wir an einem Strand ein, doch der Wind wird immer stärker und ein zweites Sandpeeling wollen wir uns dann doch nicht zumuten. Eine zweite Bucht liegt windgeschützter und wir gehen baden.
On the road again. Vorbei an Merimbula und Bermagui fahren wir weitere 200 Kilometer bis Batemans Bay, heute haben wir viel Strecke zurückgelegt. Unsere CD-Sammlung ist uns dabei eine große Stütze und vor allen The Boss Hoss harmonieren erstaunlich gut mit der australischen Landschaft. Nach zwei Nächten im Zelt und morgendlicher Frische gönnen wir uns in Batemans Bay ein Motel; wie so oft haben wir Glück und ergattern nach einigem Suchen das letzte der erschwinglichen freien Zimmer.
Tag 10, Sonntag 18.01.2009
Von gefährlichen Plumpbeutlern, harmlosen Würgeschlangen und dem Paradies auf Erden
Gut erholt durch die Nacht in einem echten Bett beginnen wir den Tag mit einem Bad in den trüben Wellen am Correga Beach, bevor wir den hiesigen Birdland Animal Park betreten. Zuerst sind wir skeptisch, der kleine Park macht von außen nicht viel her und neben uns scheint sich auch nur eine Handvoll weiterer Besucher hierher verirrt zu haben. Aber schnell erweist sich der Park als Volltreffer. Schon die Anwesenheit eines kleinen, pummeligen Wombats lässt unsere Herzen höher schlagen, denn auf diesen Plumpbeutler haben wir schon sehnsüchtig gewartet. Für die wenigen Besucher wird der kleine Wonneproppen auch schon einmal aus seinem Gehege befreit und darf auf unseren Schößen Probe sitzen. Bei Martin fühlt er sich augenscheinlich am wohlsten, wie ein Baby liegt er in seinem Arm, lässt sich die kleine Plauze kraulen und guckt aus vergnügten Schweinsäuglein um sich. Noch ist er friedlich, sobald er aber geschlechtsreif ist, wird er wie seine Artgenossen ein zum Teil aggressives Revierverhalten an den Tag legen, warnt uns die Tierpflegerin. Sie erklärt uns, dass der Park ein Auswilderungsprogramm betreibt: Auch unser Wombat wird eines Tages in freier Wildbahn die Chance haben, sich von seiner ruppigen Seite zu zeigen. Dann wird er Eindringlinge mit seinem gepanzerten Hinterteil an der Decke seiner Höhle erdrücken. Kaum zu glauben.
Wir sehen noch dösige Koalas, sprunghafte Wallabies, zwei Schnabeligel, verschiedene Echsen und heimische Vögel. Ein Wallabiejunges erhält eine Sonderbehandlung: Es ist in der Wildnis allein aufgefunden und im Park abgegeben worden. Leider passiert es manchmal, dass den Springbeutlern der Nachwuchs unbemerkt aus dem Beutel plumpst. Das ist dann meist das Ende. Aber dieses kleine Wallabie hatte Glück im Unglück. Eifrig umsorgt von der menschlichen Pflegemama verbringt es den Tag am liebsten in einem extra aufgehängten Jutesack, bis die nächste Flasche Milch gebracht wird. Auch noch andere kuriose Geschichten erfahren wir im Birdland Animal Park: etwa von dem Hirschen Arthur, dessen bester Freund aus Kindheitstagen ein Känguru ist und der daher zu seiner großen Zufriedenheit im Kängurugehege logiert. Oder von einem Corella, der seinen Kopf am liebsten in eine alte Konservenbüchse steckt und daher nach dem australischen Volkshelden Ned Kelly benannt ist, der eine selbstgefertigte Rüstung mit grobem Eisenhelm trug. Lauter tierische Persönlichkeiten beherbergt dieser Park und jede hat ihre eigene Geschichte.
Außer dem Wombat lernen wir auch noch andere Parkbewohner aus der Nähe kennen. Martin lässt sich eine schwere Diamantpython um den Hals legen. Den Hinweis der Tierpflegerin, dass das Tier an seinem Hals völlig ungefährlich sei, da es sich um eine Würge- und keine Giftschlange handele, finde ich gelinde gesagt eher beunruhigend. Mir gefällt die australische Version eines Streichelgeheges besser. Hier gehen wir auf Tuchfühlung mit einer Kängurusippe und vor allem die Jungtiere kommen schüchtern, aber neugierig näher.
Neben den Tieren in Gehegen und Käfigen flattern ganz verschiedene Vögel frei durch die Anlagen. Neben Dutzenden Regenbogenloris sehen wir einen heftig balzenden Magpie-lark, eine Drosselstelze. Die wörtliche Übersetzung ist Elstern-Lerche und das beschreibt den schwarz-weißen Angeber, der seinen Kopf in den Nacken wirft und seine Federn plustert, sehr gut. Auf einem Ast über dem nahe gelegenen Fluss hält dann noch ein stelzbeiniger Silberreiher Ausschau nach unvorsichtigen Fischen.
Wir verbringen viele schöne Stunden in dem kleinen Park. Uns ist klar: Selbst der berühmte Zoo in Sydney wird mit der familiären Atmosphäre dieses Parks nicht mithalten können. Und hier muss man nicht für das Knuddeln eines Wombats extra zahlen, hier ist für 16 Dollar alles inklusive.
Fish and chips im Magen verabschieden wir uns nachmittags aus Batemans Bay, wo es uns sehr gut gefallen hat. Wir steuern den Murramarang Nationalpark an und rumpeln bald über kaum befestigte Straßen durch immer dichteres Grün. Unseren Ruf als last minute-Pärchen unterstreichend ergattern wir einen der letzten Zeltplätze auf dem winzigen Natur-Campingplatz. Der Wellblechverschlag mit Kaltwasserdusche ist einziger Luxus auf der kleinen Lichtung – wenn man die barbecue facilities als Standardausstattung auffasst. Schon bei unserer Ankunft werden wir von Schwärmen von zutraulichen Regenbogenloris umschwirrt. Dazu gesellen sich die größeren, kräftig rot-violett gefärbten Pennantsittiche, die Crimson Rosellas, und die leuchtend orange-grünen Königssittiche, die King Parrots. Farbenfroh und lautstark geht es zu. Doch noch eindrucksvoller ist das Schauspiel, das sich uns bei Sonnenuntergang in der baumbestandenen Bucht bietet: Wilde Kängurus hüpfen in großen Sätzen neugierig auf uns zu, lassen sich kurz streicheln und grasen friedlich weiter vor sich hin, als sie erkennen, dass sie von uns keine Extra-Fütterung mit Chips oder ähnlichem erwarten können. Sie sind die wenigen Touristen, die es hierher verschlägt, gewohnt und sind doch Wildtiere. Die Sonne geht schnell unter und die runden Rücken der grasenden Tiere zeichnen sich im Gegenlicht ab.
Erst als es vollständig dunkel wird und sich Nachtkühle verbreitet, nehmen Martin und ich Abschied von dem kleinen Paradies. Da weit und breit kein elektrisches Licht die Finsternis vermindert, bewundern wir von unserer Lichtung aus noch das hundertfache Funkeln des Sternenhimmels der Südhalbkugel und rollen uns nach einem perfekten Tag müde und glücklich in unseren Schlafsäcken zusammen.
Tag 11, Montag 19.01.2009
Von lauten, gefährlichen und neugierigen Tieren aller Art
Das Gezwitscher dutzender Papageien weckt uns. Auf unserem Ford, auf Zeltdach und Spannseilen sitzen sie, spähen nach Frühstückskrümeln und sorgen für gute Laune am Morgen. Derart geweckt nehmen Martin und ich ein erfrischendes Bad und frühstücken am Strand.
Zurück am Zelt erwartet uns ein weiterer Vertreter der einheimischen Fauna auf Futtersuche: Ein Goanna, ein australischer Waran, züngelt über die Lichtung. Von Zungen- bis Schwanzspitze taxieren wir ihn auf 1,60 Meter Länge. Und auch ein zweiter Waran kommt in biegsamen Bewegungen angeschlichen. Ihre Ruhe täuscht darüber hinweg, dass sie schnell und beweglich sind und sogar klettern können. Unsere beiden Exemplare lassen sich aber zum Glück nicht aus ihrer stoischen Ruhe bringen und verziehen sich bald darauf zurück ins Unterholz.
Nach diesem aufregenden Erlebnis brechen wir auf zu einer kleinen Wanderung. Ausgestattet mit reichlich Wasser, Fotoapparat, Hut und Wanderstiefeln stapfen wir in der ersten Hitze des Tages bergan. Viele Wanderer gibt es hier wohl nicht, es geht über Stock und Stein und der ausgewiesene walking track verengt sich mehr als einmal zu einer schmalen Spur zwischen Felsen, hohen Gräsern und undurchdringlichem Buschwerk. Ich bemühe mich fest aufzutreten, nicht nur, um in dem unwegsamen Gelände nicht umzuknicken, sondern auch, um etwaige Schlangen frühzeitig auf- und damit abzuschrecken. Das habe ich in meinem Dumont gelesen und ich lache zwar über mich, aber es scheint mir ein immerhin praktikabler Rat. Außerdem gehe ich voran: Nach langem Abwägen habe ich entschieden, dass lieber ich von der Schlange gebissen werden möchte und nicht Martin. Nicht, dass ich da besonders scharf drauf wäre. Aber bei dem Gedanken, meinen sehr viel größeren und schwereren Freund auf der Suche nach Hilfe durch australisches Gehölz zu schleifen, scheint mir noch weniger wünschenswert. Für alle Fälle rekapituliere ich trotzdem die Notfallmaßnahmen. Immerhin lehrt der weise Dumont auch, dass Schlangenbisse weder ausgesaugt noch aufgeschnitten werden sollen. Stattdessen möge man das Bein ruhig halten sowie gleichzeitig – und jetzt wird es lustig – die bissfreudige Schlange nach Möglichkeit fangen, töten und dem herbeigerufenen Notarzt zur Bestimmung des Gegenserums vorzeigen. Na klar, wenn’s weiter nichts ist! Überhaupt bleiben die Notfallratschläge meines Dumonts hinter der Qualität seiner Reisetipps zurück. Schon während der Reisevorbereitungen musste ich, nicht ganz ohne Entsetzen, lachen: „Von den ca. 1500 verschiedenen Spinnen Australiens gelten 30 als giftig. Nur zwei Giftspinnen können allerdings dem Menschen gefährlich werden: die Trichternetzspinne, deren Verbreitung auf den Großraum Sydney begrenzt ist, sowie die Rotrückenspinne, die überwiegend in Trockenregionen vorkommt. Beim Biss einer Trichternetzspinne sollte man ebenso vorgehen wie beim Biss einer Giftschlange.“ Absatzende. Und bei der Rotrückenspinne? Was muss man da machen? Hallo?? Doch hier schweigt der Ratgeber.
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Ich vermute im Stillen, dass Notfallmaßnahmen beim Biss einer Rotrückenspinne überflüssig sind, weil man sofort tot umfällt oder Schlimmeres und will es gar nicht so genau wissen. Kräftigen Schrittes und wider Erwarten ungebissen erreichen Martin und ich den Clear Point. Der Aussichtspunkt belohnt unsere kurze, aber schweißtreibende Wanderung mit einem Panoramablick über unsere Kängurubucht und den weiteren Küstenverlauf. Grünbewaldete Hügel fallen mal sanft, mal steil ab in das dunkelblaue Meer, während über uns einige hohe Schleierwolken den hellblauen Himmel durchziehen.
Noch einmal erfrischen wir uns im Meer, bevor wir schweren Herzens aufbrechen. Gerne würden wir noch bleiben in unserem kleinen Natur- und Tierparadies, aber das geht uns ja mittlerweile fast jeden Tag so. Und wir trösten uns mit dem Gedanken, dass uns noch weitere tolle Erlebnisse auf unserer Strecke erwarten. Daher fahren wir weiter Richtung Jervis Bay, wobei wir Australiens Retorten-Hauptstadt Canberra zu unserer Linken lassen, denn ein Abstecher von über 300 Kilometern für Hin- und Rückweg sind uns diesmal leider zu viel. Stattdessen kommen wir abends in Huskisson an und bekommen, wen wundert’s, die letzte site auf einem recht teuren Campingplatz. Immerhin gibt es hier Waschmaschine und Trockner, so dass wir kurzerhand unsere gesamte Wäsche in die Trommel kippen. Wir reisen ja mit wenig Gepäck und vor allem unsere Handtücher, die als Strand- und Duschtücher zugleich fungieren, werden solcherart vom Salz befreit eine Wohltat sein.
Spätabends setzt ein Possum dem ereignisreichen Tag die Krone auf. Hochinteressiert beäugt der Kletterbeutler unser Zelt, zunächst aus dem sicheren Abstand einer Astgabel, doch dann siegt seine Neugier und er erkundet unser bescheidenes Eigenheim aus nächster Nähe. Sein buschiger Schwanz lässt an unser europäisches Eichhörnchen denken, aber das Possum ist viel größer und mit seinen großen Ohren und Augen gehört es eindeutig zu den nachtaktiven Tieren.
Tag 12, Dienstag, 20.01.2009
Von baked beans am Strand und Käfern in Sauce
Gegen 7h werden wir von zeterndem Vogelgeschrei geweckt. Wir kriechen müde aus dem Zelt und können die Lärmquelle sofort orten. Zwei Kookaburras beharken sich lautstark und in unmittelbarer Nähe unseres Schlafplatzes. Nun haben wir es doch noch gehört, das „Lachen“ des Laughing Jack. Um diese Uhrzeit jedoch klingt es weniger heiter als lärmend, da war uns das Papageiengeschnatter als Weckdienst lieber. Da jedoch die Sonne bereits jetzt unbarmherzig auf unser Zelt brennt und wir von einer gesunden Schlaftemperatur meilenweit entfernt sind, machen wir uns auf den Weg. Der in der Nähe gelegene Hyams Beach soll der weißeste Strand der Welt sein. Eine so kühne Behauptung will natürlich überprüft werden. Und tatsächlich nehmen wir unser Frühstück – extra fluffiges Toast mit der obligatorischen Erdnussbutter und baked beans aus der Dose - kurz darauf an einem zumindest sehr, sehr weißen Strand ein. Ohne Sonnenbrille kommt man hier nicht weit, der Sand blendet enorm, also hat das Guinness Buch vielleicht Recht. Bis zum Mittag verbringen wir unsere Zeit damit, am Strand zu spazieren, zu baden und unsere neue Schnorchelausrüstung einzuweihen. Dann fliehen wir vor der Kraft der Sonne in unseren gut klimatisierten Ford, der inzwischen aus gegebenem Anlass den Spitznamen Ford Fliegenkiller trägt.
Im 30 Kilometer entfernten Nowra besuchen wir erneut einen kleinen Wildlife Park. Ein Glastunnel ermöglicht den Blick in das unterirdische Gängesystem zweier ausgewachsener Wombats, die entspannt auf dem Rücken liegen und um die Wette schnarchen. Mit Emus und Kängurus, Koalas, einem beängstigend großen Salzwasserkrokodil, einer Meute Dingos und diversen Vogelarten sind auch hier sehr viel mehr Tiere als Besucher, was uns nur Recht ist. Ein Pfau schlägt scheinbar nur für uns ein Rad; wir fühlen uns geehrt, vielen Dank. Besonders reizend ist diesmal aber ein Koalajunges, das sich mit seinen zwei großen Brüdern einen Baum teilt. Eine Tierpflegerin bietet uns kurzerhand an, den Kleinen zum Streicheln aus dem Gehege zu holen, das wäre kein Problem - no worries. Das lassen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen. Und der kleine Koala ist wirklich wahnsinnig weich und flauschig. Kein Plüschtier kann da mithalten; so fühlt sich außer einem Koalababy höchstens noch der Bär aus der Lenor-Werbung an, Stichwort kuschelweich.
Nach diesem Flauschtest wird der Kleine zurück in seinen Baum gehängt, wo er sofort wieder einschläft. Seine dicknasigen Brüder haben seine Abwesenheit nicht einmal bemerkt.
Neben den Tieren ist auch die Natur in dem weitläufigen Park sehenswert. Das langgestreckte Gelände wird begrenzt von dem Shoalhaven River zur einen und einer steil aufragenden, wild zerklüfteten und grün bewucherten Felswand auf der anderen Seite. Ein adventure track führt durch Felsspalten, über kleine Plateaus und vorbei an niedrigen Höhlen.
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Armdicke Luftwurzeln aus sechs Metern Höhe dienen uns als Hängematte, wir fühlen uns wie mitten im Dschungel. Aber in Australien ist eben auch ein kleines Stück Wildnis schon ein großes Erlebnis.
Die Nacht verbringen wir heute in Kiama. Der Ort ist bekannt für sein blowhole, eine Felsspalte, durch die bei geeignetem Wind und entsprechender Brandung eine Wasserfontäne bis zu 60 Meter hoch in den Himmel schießt. Als wir da sind, tut sich jedoch nicht viel; es ist windstill. Wie sich herausstellt, ist dies jedoch die oft zitierte Ruhe vor dem Sturm: Während wir noch unser barbie genießen, ziehen sich dunkle Wolkengebirge über dem Wasser zusammen, schlagartig kommt Wind auf, es blitzt und donnert in nicht allzu weiter Ferne und wenig später öffnen sich die Himmelsschleusen zu einem prasselnden Regen, der gar nicht wieder aufhören will. Wir ergeben uns in unser Los und essen soweit möglich in Ruhe auf. Dabei versuche ich, die diversen Insekten zu ignorieren, die von groß bis sehr groß reichen und genau wie wir unter dem Dach der Grillstation Schutz suchen. Glücklicherweise landet der fette Käfer, den der Sturm zu uns fegt, in Martins Grillsauce und nicht auf meinem eigenen Teller. Auf solche Bruchpiloten im Essen kann ich gut verzichten. Unser Zelt ist natürlich schon längst dem Erdboden gleich gemacht. Wir ziehen die letzten Heringe aus dem Boden, damit es sich nicht unnötig quält, und überlassen es seinem nassen Schicksal. Bei strömendem Regen räumen wir in Rekordzeit all unsere Vorräte und Habseligkeiten auf die Vordersitze unseres Fliegenkillers und machen es uns hinten so gut wie möglich bequem. Geräumig genug ist es ja. Ein bisschen bereuen wir jetzt aber die große Portion Knoblauchbutter auf unseren Steaks, denn wegen des Regens können wir die Fenster nur minimal öffnen…
Tag 13, Mittwoch, 21.01.2009
Von Wasserdrachen, Würgefeigen und einem Wasserschaden
Petrus hat ausgegrollt. Vor dem Frühstück bauen wir unser geschundenes Zeltchen auf, damit es vor der Weiterfahrt trocknet. Bei viel schwarzem Tee und Instantkaffee vergessen wir die unbequeme Nacht und im nahe gelegenen Minnamurra Rainforest Park kehrt unsere gute Laune endgültig zurück. Ein knapp fünf Kilometer langer Pfad führt uns durch einen wahren Urwald, bergauf, bergab, über Hängebrücken und Holzstege bis hin zu einem Wasserfall. Dichtes Unterholz mit grünen Farnen wird überragt von Mammutbäumen, durch deren breite Kronen hier und da das Sonnenlicht bricht. Auf ihrem langen Weg zum Waldboden setzen die Strahlen immer wieder zufällige Akzente, alle Abstufungen von Licht und Schatten sind vertreten und bringen das Grün der Pflanzen abwechslungsreich zum Leuchten. Wir lassen uns Zeit und entdecken die gut versteckte Tierwelt um uns herum: Mehrere kleinere Echsen sind da zu erspähen, ein in rot, blau und grün irisierend schillernder Harlekinkäfer und ein scheuer Leierschwanz: Der fasanenähnliche Vogel ist für seinen Gesang berühmt, doch in unserer Anwesenheit schont er seine wertvolle Stimme. Normalerweise ist es andersherum: Man hört ihn, sieht den scheuen Vogel aber nicht. Den Lyrebird erkennen Martin und ich auf Anhieb, ziert er doch die australischen 10-Cent-Münzen. So einfach kommt man zu ornithologischen Kenntnissen. Überhaupt ist das australische Münzgeld viel netter als unsere Euros und Cents. Neben dem Leierschwanz werden sie von Kängurus, Emus, dem Schnabeltier und anderen tierischen Australiern bevölkert. Am besten gefällt mir der kugelige Schnabeligel auf den silbernen 5-Cent-Münzen, die behalte ich lieber, als sie auszugeben.
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Faszinierend sind auch die strangler figs, die Würgefeigen. Überall sind sie zu entdecken. Denn ihre Samen gelangen durch den Verdauungstrakt eines Vogels auf jeden beliebigen Baum, treiben dort in farnartigen Blättern aus und lassen ihre Wurzeln gen Boden wachsen. Weitere Luftwurzeln umschließen nach und nach den Wirtsbaum, bis dieser abstirbt und die Würgefeige allein dasteht.
Bevor wir Kiama endgültig verlassen, kühlen wir uns in einem natürlichen Felsenpool ab, der an der Küste gelegen immer wieder von Meerwasser überschwemmt wird. Jetzt kann es weitergehen. Auf Anhieb finden wir den nahen Nan Tien Tempel, den größten buddhistischen Tempel der südlichen Hemisphäre, wie er uns angepriesen wird. Leider dürfen wir das weitläufige Gelände wegen der fortgeschrittenen Stunde nicht mehr betreten, kurz hinter dem löwenbewachten Eingangsportal ist Schluss. Wir erhaschen nur einen flüchtigen Blick durch die hohen Gitterstäbe auf Buddhastatuen und gepflegte Rasenflächen; im Hintergrund ragt eine siebengeschossige Pagode in den frühabendlichen Himmel. Schade, ich hätte zu gern eine Gebetsmühle angestoßen, ein wenig Beistand kann schließlich nie schaden, aber da müssen wir wohl nach Nepal fahren.
Prompt verlässt uns für heute unser treues Glück. Nachdem wir es bis hierher so ziemlich ohne Verfahren geschafft haben, verfransen wir uns nun bei einbrechender Dunkelheit völlig in dem Gewirr von Highways, Freeways und dubiosen, auf der Karte rot eingezeichneten Straßen. Eigentlich hatten wir uns ziemlich wahllos das Örtchen Heathcote zum Ziel gesetzt, doch wo wir auch fahren und abbiegen, immer steht nur Campbelltown auf den Straßenschildern. Alle Wege führen nach Campbelltown. Am Ende wissen wir gar nicht mehr, wo wir sind, landen aber zum Glück in einem kleinen Ort, in dem wir fragen können, in welche Richtung die Blue Mountains liegen. Denn bevor unser Roadtrip in Sydney zu Ende geht, haben wir noch drei Tage in den blauen Bergen im Hinterland der Metropole geplant.
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Heute kommen wir nach unserer Autobahnodyssee allerdings nicht mehr weit. Gegen 22 Uhr und bei noch dazu plötzlich strömendem Regen passieren wir die Stadtgrenze von Camden. Nicht, dass wir hier unbedingt hin wollten, aber wir bleiben. Ein Motel gewährt uns Unterschlupf. Leider brummen in dem altmodisch tapezierten Zimmer Kühlschrank und Klimaanlage lautstark um die Wette. Wir ziehen es daher vor, in untemperierter, aber ruhiger Atmosphäre zu schlafen und ziehen auch den Kühlschrankstecker. Die erste Nachthälfte verbringen wir so ungestört, bis ein stetiges Wassertropfen mich unnachgiebig aus dem Schlaf trommelt. Wir haben das Eisfach des Kühlschranks abgetaut, das geht bei den 30 Grad, die hier ohne Klimaanlage herrschen, schneller als gedacht. Und die Eisfächer sind in diesem Land stets gründlich zugefrostet, da kommt schon einiges an Wasser zusammen. Handtücher beheben den Schaden und wir schlafen wieder ein.
Tag 14, Donnerstag 22.01.2009
Von einer kalten Dusche, dem venezianischen Karneval und abschließendem Kängurusteak
Erstaunlich problemlos finden wir an diesem Morgen den Weg zu den Wentworth Falls, unserem ersten Anlaufpunkt in den Blue Mountains. Benannt ist die Stadt nach einem der Pioniere der Überquerung der Hochebene, denn die Berge galten lange Zeit als unüberwindbar. Ihre auf 1200 Meter Höhe gelegenen Plateaus sind von bewaldeten Schluchten durchzogen und können hier und da mit Wasserfällen aufwarten. Einer dieser Wasserfälle trägt den Namen Wentworths, er stürzt rund 300 Meter in die Tiefe. Touristisch gut erschlossen bieten sich uns vom Sammelplatz aus gleich mehrere Wanderwege an. Ohne lange zu überlegen laufen wir los, denn wir möchten die Besucherscharen gerne schnell hinter uns lassen. Zum Glück entwischen wir dadurch auch den berühmten australischen Fliegen, mit denen wir hier erstmalig Bekanntschaft machen. Sie sind an Impertinenz nicht zu übertreffen und belagern uns förmlich.
Wir wandern zunächst steil bergab, der Wentworth Pass Track führt eng an der Felswand entlang. Von hier genießen wir einen Blick über scheinbar endlose Eukalyptuswälder. Ich bin eifrig bemüht, die namengebende blaue Tönung der Blue Mountains wahrzunehmen, die mein Dumont verspricht. Die ätherischen Öle der Eukalyptusbäume sollen diesen Dunst bewirken. Aber so ganz können Martin und ich dem nicht zustimmen: Schön ist es, aber blau? Die Wentworth Falls nehmen ihren Weg ins Tal über mehrere Felsvorsprünge und kleine Plateaus, wo sie natürliche Wannen bilden und wir ihren Weg kreuzen.
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Einer dieser Zwischenstopps birgt ein besonderes Vergnügen: Ein etwas tieferer Felsenpool sammelt genug Wasser für eine kleine Abkühlung zwischendurch. Also rein in die mitgebrachten Badesachen und los geht’s! Der Boden ist reichlich glitschig, aber Martin und ich tasten uns vorwärts bis zur Felswand, über die das Wasser wie eine natürliche Dusche aus sechs Metern Höhe herabprasselt. Es handelt sich allerdings um eine sehr kalte Dusche, denn das Wasser wärmt sich erst im Pool etwas auf. Aber wir werden in den nächsten Stunden noch genug schwitzen und sehen die Bergdusche als gesunde Prophylaxe.
Wir marschieren weiter, der National Pass Track soll uns über sechs Kilometer durch die Natur führen. Rechts von uns türmen sich ockerfarbene Felswände haushoch auf. Die Gesteinsschichten des Sandsteins verlaufen parallel; wie Schiefer ragen vielfach abgebröckelte, trockene Platten und Nasen aus der Wand hervor und laden zu kleinen Klettermanövern ein. Vorsicht ist natürlich geboten, denn links vom Weg geht es bergab. Der Abhang ist hier steil, aber trotzdem von hartgesottenem Buschwerk bewachsen. Nach etwa einem Kilometer bleiben wir irritiert stehen: Links von uns, ein paar Meter in der Tiefe sehen wir zwischen den kargen Bäumen zufällig ein abgebrochenes Schild, das vor unbefestigten Wegen mahnt und den Track, auf dem wir uns gerade befinden, als gesperrt markiert. Etwas mulmig wird uns jetzt schon. Seit wann liegt das Schild da, gilt die Sperrung noch? Außer uns ist hier niemand unterwegs. Nach kurzem Abwägen schleichen wir vorsichtig weiter über den schmaler werdenden Weg. Aufpassen muss man vor allem, wenn sich wieder ein Wasserrinnsal seinen Weg ins Tal bahnt und dabei die Sandsteinplatten in rutschige Fallen verwandelt. Später führt uns der Weg wieder weiter bergab. Eine grob gehauene Steintreppe windet sich durch eine abenteuerliche Indiana-Jones-Kulisse: Das Tageslicht wird von den hohen Eukalyptusbäumen gefiltert, bringt Sandstein und Farne zum Leuchten und lässt die dunklen Schatten umso geheimnisvoller wirken.
Wir entdecken Echsen, die leise durch das Laub rascheln und sich auf Steinen von der Sonne wärmen lassen. Die wenigen Blüten und Beeren in dieser grünen Umgebung überraschen durch kräftiges Blau oder Gelb. Da außer uns kaum andere Menschen hier Lärm verursachen, nehmen wir die Geräusche der Natur umso eindringlicher wahr. Das Rascheln der trockenen Eukalyptusrinden, die Weg und Waldboden wie ein Teppich bedecken, lässt uns immer wieder aufhorchen. Huscht da nicht was davon? Überhaupt gefallen uns die Eukalyptusrinden gut. Statt ihre Blätter abzuwerfen, schälen die Eukalypten sich im Herbst aus ihrer dünnen Rinde, die dann olivgrün bis rostbraun und von Astlöchern durchzogen zu Boden fällt. Ich entdecke eine Rinde, deren Astlöcher zwei Augen bilden, eine venezianische Maske. Sieht man erst einmal genauer hin, laden von überall Monokel, schlanke Brillen und elegante Masken zum Anprobieren ein.
Nach Stunden schöner, aber auch anstrengender Wanderung landen wir an einem weiteren Wasserfall. Das klare Wasser der Empress Falls ergießt sich in einer kleinen Schlucht über glischige, dunkle Felsen. Ein bisschen zucke ich schon zusammen, als ich bemerke, dass es nicht nur uns hier gefällt. Ein eastern water dragon, eine Wasseragame, fühlt sich als rechtmäßiger Besitzer dieser Wasserstelle und verfolgt argwöhnisch jede unserer Bewegungen. Nicht sehr schmeichelhaft zählt man ihn zu den leguanartigen Schuppenkriechtieren. Statt der maximal möglichen 90 cm misst unser junges Exemplar knapp 40 cm, zwei Drittel seiner Körperlänge nimmt allein der Schwanz ein. An Brust und Bauch prahlt er mit einem kräftigen Rot, ansonsten ist er schwarz-braun getigert, hat einen schwarzen Strich hinter den Augen und einen Stachelkamm, der sich vom Nacken über den Rücken zieht.
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Nachdem wir den Drachen ausgiebig bewundert haben, verlassen wir sein Revier und machen uns an den steilen Aufstieg, der uns noch einmal mit einem Panoramablick über den durchwanderten Eukalyptuscanyon belohnt. Der blaue Eukalyptusdunst ist jetzt deutlich zu erkennen. Nach sechs Stunden Wanderung bei über 30 Grad sind wir redlich erschöpft und dankbar für unseren klimatisierten Fliegenkiller, der uns die zehn Kilometer nach Katoomba bringt. In dem touristischen Hauptort der Blue Mountains beziehen wir für ganze drei Nächte die Jugendherberge. Nachdem wir die letzten eineinhalb Wochen täglich weitergezogen sind, kommen wir uns nun richtig sesshaft vor. Zum Abendessen in einem kleinen Restaurant mit australischer Küche kann Martin endlich ein Kängurusteak testen und ist begeistert von der geschmacklichen Mischung aus Rind und Wild. Ich kann meinem Gambassalat ebenfalls viel abgewinnen und auch unser guter Eindruck vom hiesigen Bier wird wieder bestätigt. So lässt es sich doch aushalten!
Tag 15, Freitag 29.01.2009
Von Buschfliegen und Tropfsteinen
„You like lots of sugar in your breakfast, don’t you?“ Über so viel kritische Anteilnahme des Herbergsvaters an meinen Essgewohnheiten kann ich so früh am Morgen noch gar nicht lachen, Martin dafür umso mehr. Nach unserem energiereichen continental breakfast mit Cornflakes, Tee und Marmeladentoast brechen wir gut gestärkt zu den Jenolan Caves auf. Das letzte Dutzend der 70 Kilometer zieht sich ganz schön in die Länge, denn wir schleichen auf engen Serpentinen an einem ganz beachtlichen Abhang entlang und hoffen inständig, dass uns auf der engen, aber zweispurig markierten Straße niemand entgegen kommt. Der Ausblick ist aber wieder grandios, wir blicken auf hochgewachsene Eukalyptuswälder herab. Angekommen bei den Jenolan Caves suchen wir uns zunächst eine zu besichtigende Tropfsteinhöhle aus. Denn das weitläufige System umfasst gleich 20 erforschte Höhlen und wer weiß, wie viele unterirdische Hallen, Säle und Gänge noch ihrer Entdeckung harren. Wir entscheiden uns für den Temple of Baal und glücklicher Weise geht es bald unter die Erde. Denn oben werden uns die Fliegen schnell zur unerträglichen Qual. Passt man nicht auf, kriechen sie einem völlig schamlos ins Ohr, versuchen sich an der Nase und schrecken selbst vor Augen und Mund nicht zurück, um sich an Eiweiß zu laben. Wir hatten ja schon davon gelesen, aber allen Mahnungen zu Gelassenheit zum Trotz verliert man bei dieser Zudringlichkeit als Europäer schnell die Nerven. Ich rette mich kurzerhand in eine mumienhafte Gesichtsverhüllung: Das Tuch, das ich mir fest um Hals, Kopf, Ohren, Mund und Nase schlinge, lässt nur die Sonnenbrille frei und den Fliegen keine Angriffsfläche, ha!
Unter Tage kann ich meine Schutzkleidung wieder ablegen. Unbehelligt von den Quälgeistern können wir unserem Guide Jeff lauschen, der uns neben den obligatorischen Erklärungen zu Stalaktiten, Stalagmiten und weiteren Tropfsteinen auch sehr anschaulich von der Entdeckung der 340 Millionen Jahre alten Jenolan Caves erzählt. In unserer Höhle können wir mit etwas Phantasie den Gott Baal entdecken, aber auch einen neun Meter langen Tropfsteinschleier bewundern, der den Flügel des Engels Gabriel darstellen soll.
Zurück in Katoomba bereiten wir uns in der Herbergsküche ein deftiges Abendessen. Saftige Steaks treffen wieder auf gebratene Zwiebeln, Pilze, Tomaten und Paprika; ein stubby XXXX Gold rundet die Sache ab.
Tag 16, Samstag 24.01.2009
Von drei Schwestern und einer Schlange
Wir beginnen unseren Tag so deftig, wie wir ihn beschlossen haben. Ganz zuckerfrei, dafür umso fettreicher bereitet Martin uns heute egg and bacon mit baked beans. Abtrainieren wollen wir uns die Kalorien auf einer weiteren Wanderung. Wir beginnen am Besucherzentrum Echo Point, von wo aus man sich den schönen Ausblick auf die Felsformation Three Sisters mit mehreren Busladungen Touristen teilt. Der landschaftlichen Schönheit tut die hektische Atmosphäre indes keinen Abbruch. Einer Aborigine-Legende nach sollen drei Schwestern von ihrem Vater in diese mächtigen Felsnadeln verwandelt worden sein, weil er sie beim Flirten erwischte. Ich halte die Legende für wahr, immerhin posieren die drei Schönen noch heute kokett für jedes Foto.
An den drei Schwestern vorbei beschreibt der Weg einen weiten Bogen ins Tal. Nachdem die steilen Giants Stairways hinter uns liegen, geht es ziemlich bequem voran. Schon nach etwa einem Kilometer sind nur noch wenige Touristen unterwegs, die meisten haben keine Zeit oder keine Lust auf die Wanderung. Wir genießen aber noch einmal die Blue Mountains und lassen uns Zeit für den Weg. Die Gegend ist schön, aber etwas Neues oder Besonderes sehen wir zunächst nicht. Vielleicht sind für Echsen, Drachen und ähnliches doch zu viele Besucher auf diesem recht ausgetretenen Pfad unterwegs. Doch dann bleibt Martin vor mir plötzlich abrupt stehen und ich sehe sofort warum: Nur drei Meter vor uns befindet sich eine Schlange. Sie dreht uns den Rücken zu, hat uns aber mit Sicherheit längst bemerkt. Gut 1,30 Meter lang liegt ihr kräftiger, geschmeidiger Körper glänzend schwarz im Laub. „Schwarz“, das habe ich gelesen, ist als Auskunft über das Aussehen einer Schlange eine völlig unbrauchbare Aussage. Viel zu viele Schlangen sind am Rücken schwarz gefärbt; die Unterseite ist meistens interessanter und wäre damit für die Bestimmung eines Antiserums relevant. Ob unser Untier wohl eine rötliche Färbung am Bauch hat? Nachgucken möchte ich nicht. Denn dann handelte es sich um die giftige Rotbauchschwarzotter, deren Nervengift Lähmungen verursacht. Im Allgemeinen gilt sie für den Menschen nicht als besonders gefährlich, aber wenn man Pech hat und die Atmungsorgane betroffen sind, kann ihr Biss durchaus tödlich sein. Sie ist in dieser Gegend beheimatet und tagaktiv, vielleicht stehen wir also wirklich einer Red-bellied Black Snake gegenüber.
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In respektvollem Abstand bleiben Martin und ich stehen, zumindest mir ist auch ganz schön mulmig zumute. Auf Koalas, Wallabies, Kängurus und Possums in freier Wildbahn habe ich mich gefreut, den Rochen habe ich auch noch verkraftet, aber auf die Begegnung mit einer Schlange, die womöglich giftig ist, kann ich eigentlich verzichten. Australienkenner haben mich vor der Reise immer wieder beruhigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung doch ziemlich gering ist. Und jetzt liegt dieses Ding da vor mir! Nachdem der erste Schrecken überwunden ist, überlegen Martin und ich, was jetzt zu tun ist. Wir wissen zwar relativ genau, was wir gemacht hätten, wenn die Schlange uns gebissen hätte. Hat sie aber nicht und vorerst scheint sie auch keine Angriffspläne zu schmieden. Aber wie verhält man sich, wenn eine Schlange gar nichts macht? Dieses Exemplar will scheinbar einfach da liegen bleiben, wo es ist, und das ist ziemlich präzise auf unserem Weg. Der misst etwa zwei Meter in der Breite und ist damit eindeutig zu schmal für mich und eine Schlange, finde ich. Aber während Martin und ich noch grübeln, lässt das Reptil Gnade vor Recht ergehen und verschwindet mit plötzlicher Eile im Gebüsch. Und wir beglückwünschen uns, dass wir das Untier durch unser todesmutiges Nichtstun in die Flucht geschlagen haben.
Unsere weitere Wanderung verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Mir sitzt der Schreck aber für den Rest des Tages in den Gliedern, stampfend und mit verdoppelter Wachsamkeit schreite ich voran. Martin nimmt es da gelassener, er freut sich über die unerwartete Begegnung. Jedem das Seine… Zusammen hingegen genießen wir die Aussicht, die sich unterwegs von einem Lookout bietet. Wir blicken zurück auf die drei Schwestern und das dichte Waldgebiet zu ihren Füßen, das wir eben durchquert haben. Im Hintergrund erhebt sich fahl-blauer Dunst über dem Eukalyptusmeer und ein paar kleine weiße Wolken hängen am klaren Himmel. Sehr schön.
Nach ein paar Stunden kommen wir am Endpunkt der Tour an und hier befinden sich auch wieder jede Menge Touristen. Bergauf geht es mit der steilsten Eisenbahn der Welt – immerhin 52 Grad Steigung. Wir rauschen vorbei an Farnen und dabei wird doch tatsächlich die Titelmelodie von Indiana Jones abgespielt, sehr witzig. Oben angekommen treffen zwei Welten aufeinander: Eben haben wir noch mutterseelenallein in der Wildnis einer Schlange gegenübergestanden und jetzt stolpern wir von der Bahn direkt in den modernen Glasbau eines klimatisierten Besucherzentrums: Herren-, Damen- und Behindertentoilette befinden sich zur Linken, Selbstbedienungsbistro mit Pommes und Eis zur Rechten, Souvenirshop mit Plüschkoalas und Gummischlangen geradeaus. In dieser sterilen Umgebung kommen wir uns in den verschwitzten Wandersachen richtig deplatziert vor. Wir sind von dem Aufeinanderprallen dieser Welten wenig angetan und ergreifen die Flucht nach vorn.
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Mit der Seilbahn überqueren wir das Tal und begeben uns auf den Heimweg. Mitten in Katoomba sehe ich zu meinem Entsetzen noch eine Spinne auf dem Gehweg. Sie ist beigefarben, Fünfmarkstückgroß und sagen wir mal: haarig. Darüber hinaus ist sie zum Glück tot. Denn Spinnen finde ich wenn möglich noch schrecklicher als Schlangen. Aber auch von der toten haarigen Spinne wird mir noch ein bisschen schlecht.
Am Abend heißt es packen. Alles, was im Fliegenkiller herumliegt, muss wieder in den Rucksäcken verstaut werden. Denn morgen fahren wir nach Sydney und müssen beim Autovermieter von unserem jüngsten Familienmitglied Abschied nehmen, schade.
Tag 17, Sonntag 25.01.2009
Von Mautprellern, Parkhäusern und Straßenkünstlern
Auf dem Weg zum Flughafen prellen Martin und ich blöder Weise gleich zwei Mal die Straßenmaut. Beim ersten Mal geraten wir völlig unverhofft auf die gebührenpflichtige Strecke. Schilder am Straßenrand erinnern säumige Zahler, dass die Nummernschilder automatisch erfasst werden und hohe Geldstrafen drohen. Oha. Wo bitteschön hätte man denn hier etwas zahlen sollen? Beim zweiten Mal wollen wir es besser machen. Die Mautstelle naht, ich habe das Kleingeld schon abgezählt und pflichteifrig in der Hand, da rauschen wir vorbei an der Durchfahrt. „Hey, halt, da war sie!“, aber keine Chance, ich kann nur noch zusehen, wie sie im Rückspiegel kleiner und kleiner wird. Die Leierschwänze und Schnabeligel wandern unverrichteter Dinge zurück ins Portemonnaie. Offensichtlich ist unsere Spur den Inhabern einer Jahresplakette vorbehalten, finden wir heraus. Aber unsere Autovermietung kann weiterhelfen. Nachdem wir wahrheitsgemäß von den Kampfesnarben am Außenspiegel berichtet haben, fragen wir auch gleich, wie wir die fällige Maut nachlöhnen können. Drei Tage und fünf Telefonate später wird uns dies auch gelingen.
In Sydney haben wir uns in einem Hostel einquartiert. In einem ehemaligen Parkhaus gelegen lässt die Atmosphäre zu wünschen übrig. Auch dass das einzige kleine Fenster in unserem 6-Bett-Zimmer auf einen alten Abluftschacht geht, trägt nicht zum Wohlbefinden bei. Aber wir sind nicht wählerisch. Wir wohnen günstig, zentral und haben eine Küche, in der man mit etwas Überwindung und bestehendem Tetanusschutz sogar ganz gut kochen kann. Hostel eben. Und viel Zeit verbringen wir hier sowieso nicht, wir laden unser Gepäck ab und auf geht’s.
Vom Sydney Tower aus verschaffen wir uns einen ersten Überblick. Der Himmel ist leicht bewölkt, aber die Lage der Stadt begeistert auch so. Wasser und Land greifen ineinander und bilden in gefälligem Wechsel Landzungen, Buchten und Halbinseln. Auch Harbour Bridge und Opernhaus sind von hier aus zu sehen. Wir lassen es uns nicht nehmen, in 300 Metern Höhe eine Postkarte zu schreiben und sie in den nostalgischen Briefkasten der highest working post box of the southern hemisphere einzuwerfen. Zurück auf der Straße herrscht Hochbetrieb; Touristen und Einheimische drängen sich. Uns fallen die vielen Asiaten auf, die gab es in Melbourne kaum. Sydney ist wohl wirklich der berühmte Schmelztiegel der Nationen. Am Hafen verbreiten die Straßenkünstler gute Laune. Martin fällt durch seine Größe auf und wird sofort als Freiwilliger rekrutiert, um bei einem akrobatischen Akt zu assistieren. Danach schlendern wir weiter zur Oper, die natürlich von allen Seiten betrachtet werden will. Die Architektur überzeugt mich, nur weißer habe ich sie mir vorgestellt. Vielleicht fehlt aber heute auch nur das reflektierende Sonnenlicht.
Über den Martin Place geht es zurück in unser Hostel. Mithilfe einer einzigen Pfanne zaubert Martin eine Riesenportion Schinken-Nudel-Gemüse-Auflauf. Davon bin ich mindestens so beeindruckt wie von den Kunststückchen der Straßenartisten. Satt und müde beziehen wir anschließend unsere Schlafgarage und schlummern zufrieden ein.
Tag 18, Montag 26.01.2009
Von Flaggen, Flughunden und einem Wolkenbruch
Australia Day!
Das haben wir natürlich super abgepasst: Am australischen Nationalfeiertag sind wir in der inoffiziellen Landeshauptstadt Sydney. Passend dazu beginnen wir unseren Tag im Australian Museum. Zwei Stunden müssen reichen für die informative Aborigine-Ausstellung und die Abteilung „Surviving Australia“. Die Tipps, die wir hier erhalten, kommen etwas spät, aber bis hierher haben wir es ja auch so unversehrt geschafft. Im Anschluss kaufen wir im Supermarkt schnell ein paar Teile ein und eilen zu den Botanic Gardens. Denn wie fast alle wollen wir an diesem Tag picknicken, aber nicht allein. Wir haben eine Verabredung mit Marc und Julia, die Martin und ich während unseres Erasmus-Jahres in Frankreich flüchtig kennengelernt haben. Seit zwei Jahren haben wir uns nicht gesehen oder gehört, aber pünktlich um 12 Uhr gibt es ein Wiedersehen im Park. Zum Glück sind Marc und Martin beide sehr groß, so dass sie sich schnell entdecken. Denn nicht nur wir haben uns hier verabredet. Mit Blick auf Harbour Bridge und Hafen picknickt halb Sydney im Park und über allem liegt eine friedliche Volksfeststimmung. Zumindest für den hier vertretenen weißen Teil der Bevölkerung ist heute ein Festtag. Denn der Australia Day feiert die Landung des First Fleet, der ersten britischen Siedler im Port Jackson. Und damit markiert der 26. Januar 1788, so der verständliche Einwand von Aborigines, den Beginn ihrer Unterdrückung. Im Park ist von der Umstrittenheit dieses Datums jedoch nichts zu merken. Weder das Schicksal der indigenen Bevölkerung trübt die Feierlaune noch der Umstand, dass auch die ersten Siedler wohl kaum besonders gejubelt haben. Denn es waren deportierte Strafgefangene und man darf annehmen, dass diese Briten auf das mühsame Erschließen und Besiedeln eines fremden, brütend heißen und auf vielerlei Weise tödlichen Kontinents nicht sonderlich scharf waren.
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Aber wie gesagt: Heute ist davon nichts zu spüren, durch den Hafen ziehen noch mehr Boote als sonst, die Straßen und Gebäude sind beflaggt und immer wieder sieht man nationalstolze Australier (und Touristen) mit T-Shirts, Hosen und Caps in den australischen Farben.
Als der erste Hunger gestillt ist, spazieren wir durch den Park. Marc wundert sich, dass wir unter einem Baum voller Flughunde minutenlang fasziniert stehen bleiben. Immerhin hängen die flying foxes nur schlafend im Baum, für den gebürtigen Sydneysider ist dieser Anblick das Normalste der Welt. In ihre ledrigen Flügel gewickelt befinden sich die großen Tiere zu Dutzenden nur ein paar Meter über unseren Köpfen, ihr rotbraunes Fell und ihre kleinen Hundeschnauzen sind gut zu erkennen.
Wir schlendern an Dutzenden von Oldtimern vorbei, die in der Innenstadt eine Parade bilden, und lernen in einem kleinen Park Marcs Freunde kennen. Auf einer Bühne wird Livemusik gegeben und wir setzen unser Picknick fort, eine bunte Mischung aus Weintrauben, Chips, Schokolade, Bier, Donuts und Co. Doch am frühen Nachmittag ist das Fest jäh zu Ende. Die Schwüle des Tages entlädt sich in einem Wolkenbruch, der die Straßen im Nu leerfegt, selbst die Oldtimerparade löst sich in kürzester Zeit auf. Und leider erliegt auch unsere gemütliche Runde schließlich der Unbill des Himmels.
Als wettergeprüfte Norddeutsche sind Martin und ich von so wenig Regenresistenz der Australier doch etwas enttäuscht. Wir suchen uns einen Unterschlupf und zwei Stunden später ist es zwar noch wolkig, aber wieder trocken. Den Park haben Martin und ich jetzt für uns alleine und so können wir bei Einbruch der Dämmerung in aller Ruhe beobachten, wie die Flughunde aufwachen, ihre Flügel strecken und spannen und sich auf die nächtliche Jagd begeben. Erst einer, dann immer mehr verlassen ihren Schlafplatz. Schwarz und vampirhaft zeichnen sich die Silhouetten der geschickten Flieger vor dem düsteren Abendhimmel ab, ein tolles Schauspiel.
Unser Abendessen führt uns heute nach Chinatown. Hier herrscht ein buntes Treiben und wir lassen uns in ein kleines Restaurant hineinkomplimentieren, wo ein Sezchuan-Huhn unseren Hunger stillt.
Tag 19, Dienstag 27.01.2009
Von hochgiftigen Mini-Spinnen, harmlosen Haien und dem tödlichsten aller Tiere
Da unser Zimmer kein Fenster hat, sind Martin und ich unangenehm überrascht, als wir morgens in T-Shirt und Shorts vor die Tür treten und es tatsächlich immer noch regnet. Damit haben wir nicht gerechnet. Trotzdem nehmen wir die Fähre nach Manly, wo wir das Aquarium Oceanworld besichtigen wollen. Wir sind keine ausgesprochenen Kenner der Fischwelt, aber die mal bunt-schillernde, mal kurios geformte Artenvielfalt gefällt uns. Zwischendurch werden uns auf einem Nebenschauplatz noch einige hochgiftige Australier vorgestellt, darunter die giftigste Schlange der Welt, der Inlandtaipan, und die Rotrückenspinne. Letztere geht wohlverpackt in ihrem Plexiglasbehälter durch die Reihen und ich bin entsetzt: „So winzig ist die? Die sieht man ja gar nicht, bevor sie einen beißt.“ Wozu braucht dieser Winzling überhaupt ein Gift, das einen Menschen umbringen kann? Als Beute kommen wir ja wohl nicht in Frage. Aber die Warum-Frage ist in Australien grundsätzlich unangebracht. Land und Tiere sind von einer irritierenden Maßlosigkeit geprägt. Am größten, am kleinsten, am giftigsten, am gefährlichsten - der Superlativ ist hier Standard. Ein kleines Kroko macht auch noch die Runde, dann grübeln Martin und ich gemeinsam mit einer Schar begeisterter Kinder, welches Tier denn nun das tödlichste sei und jährlich die meisten Opfer fordere. Taipan, Trichter- oder Rotrückenspinne, Tigerhai, Leistenkrokodil, Riesenrochen, Würfelqualle, Blaue Galeere – alles ambitionierte Kandidaten. Mich schauert bei diesem Schreckensszenario. Blauringoktopus, Tiger Snake und Todesotter, Agakröte, Steinfisch, Waran, Skorpion, giftige Ameisen und Raupen – auch verkehrt. Was wir auch vorschlagen, die Tierpflegerin schüttelt den Kopf. Wir kommen nicht drauf, welches Tier kann noch tödlicher sein als all die genannten? Es muss ein wahres Monster sein und wir lauern auf diesen Rekordhalter. Die richtige Antwort holt uns indessen schlagartig in die Realität zurück: Es ist das Pferd. Das Pferd ist das tödlichste der Tiere. Offenbar sterben mehr Menschen bei Reitunfällen und durch wild gewordene Gäule, als durch Giftschlangen oder gefräßige Krokodile. Irgendwie bin ich sehr erleichtert.
Ein Plexiglastunnel bietet uns danach eine tolle Perspektive auf sympathische Riesenschildkröten, imposante Rochen und Sandtigerhaie, die Grey Nurse Sharks. Mit einer Länge von etwa zwei Metern, dem eiskalt-verschlagenen Blick und der spitzen Nase über den zahnbewehrten Kiefern sehen sie sehr furchteinflößend aus. So lange man sie nicht provoziert, sollen sie aber friedlich sein und daher bietet das Aquarium für Mutige begleitete Tauchgänge in dem Haibecken an. Lust hätten Martin und ich ja schon zu dieser Mutprobe, allerdings soll das besondere Erlebnis auch einiges kosten. Daher verschieben wir es auf unseren nächsten Australienurlaub.
Auch aus dem Trockenen sind die Tiere gut zu beobachten. Besonders die Rochen lassen sich bewundern, wenn sie mit einer Spannweite von 1,60 Meter über den gerundeten Tunnel und damit dicht über unsere Köpfe hinweggleiten. Mit ausgebreiteten Flügeln bewegen sie sich mühelos und elegant durch das Wasser.
Heute spazieren wir noch über die Harbour-Bridge, die sich immerhin 1149 Meter lang über Sydneys Hafen erstreckt. Und auch durch Sydneys erstes Stadtviertel, The Rocks, bummeln wir, da sich die Sonne mittlerweile zurückgemeldet hat. Im Vorgarten eines kleinen Hauses steht eine Frangipani in voller Blüte. Der mittelgroße Baum, eigentlich in Mittel- und Südamerika zu Hause, ist übersät mit wächsernen, gelb-weißen Blüten, die Tropenexotik und Urlaubsflair atmen. Wer einen solchen Baum im Vorgarten hat, kann eigentlich nur entspannt und vergnügt durch sein Leben gehen. Ganz ohne Garten finden Martin und ich hingegen Entspannung und Vergnügen abends im Kino.
Tag 20, Mittwoch 28.01.2009
Von Sydney nach Cairns an einem Tag
Blauer Himmel und Sonnenschein. Wieder mit der Fähre fahren wir zum Taronga Zoo. Diesmal können wir die Fahrt durch den Hafen Sydneys besser genießen. Vom dunkelblauen Wasser in den hellblauen Himmel ragt die Skyline der Stadt und die Segel der Oper strahlen heute weiß in der Sonne. Im Zoo starten wir mit den Koalas, arbeiten uns vom züngelnden Riesenwaran zu Freshie und Saltie vor, durchwandern das Reptilienhaus, sehen „normale“ und die seltenen Baumkängurus, erhaschen einen Blick auf das Schnabeltier sowie die Tasmanischen Teufel und lauschen Lachendem Hans, Kakadus und Loris.
Besondere Aufmerksamkeit verdient das quietschfidel durch das Wasser paddelnde Schnabeltier. Mein Dumont weiß Genaueres: Zusammen mit dem Schnabeligel gilt der Platypus als Überlebender einer evolutionären Zwischenstufe. Halb Reptil, halb Säugetier verfügen diese Tiere nicht über einen getrennten Geschlechts- und Ausscheidungsapparat und heißen daher unappetitlicher Weise Kloakentiere. Man darf annehmen, dass die Armen sich ihrer zweifelhaften Besonderheit nicht bewusst sind… Für die Naturwissenschaft sind diese Schnabeltiere jedoch eine echte Sensation. Sie kombinieren ein wasserdichtes Robbenfell mit einem platten Biberschwanz und einem Entenschnabel. Und obwohl sie Eier legen, werden ihre Jungen nach dem Schlüpfen gesäugt, wobei die Milch nicht aus Zitzen, sondern einfach aus der Haut austritt. Verrückter geht es eigentlich nicht. Als am Ende des 18. Jahrhunderts das erste Schnabeltier nach England kam, dachten die Biologen daher wohl, der Präparator hätte sich einen Scherz erlaubt und dieses Phantasiegebilde aus verschiedenen Versatzstücken zusammengesetzt.
Im Nachttierhaus erspähen wir dann noch zahlreiche springende, segelnde, kletternde und bodenständige Beuteltiere. Denn neben Kängurus, Wallabies, Possums und Wombats zählen auch noch Beutelratten, Beutelmarder, Beutelmäuse, Flugbeutler und weitere Tiere in die artenreiche Gattung der Beutelsäuger. Diese Gattung ist fast nur in Australien vorzufinden.
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Sie bildet eine Vorstufe zu unseren heimischen Säugetieren und verdankt ihr Überleben in Australien der jahrtausendelangen Isolation des Kontinents. Ähnlich wie die Eukalypten die australische Flora dominieren und auf die unterschiedlichsten Gegebenheiten spezialisiert sind, haben die Beuteltiere die ökologischen Nischen des Kontinents besiedelt. Im Nachttierhaus lernen wir nun also diejenigen unter ihnen kennen, die das Sonnenlicht scheuen. Die Räume sind hier nur spärlich beleuchtet, damit die nachtaktiven Tiere überhaupt zu sehen sind und nicht nur in ihren Verstecken schlafen. Am Tag wird ihnen hier also eine künstliche Nacht vorgegaukelt. Ob nachts dafür Licht eingeschaltet wird, damit sie in Ruhe schlafen können? Leider haben wir es eilig und ich kann dieser Frage nicht auf den Grund gehen.
Stattdessen ziehen wir weiter zu den Seeleoparden und Pinguinen. Die genießen mit Abstand die beste Aussicht des Zoos, ach was - die beste Aussicht von ganz Sydney: Weiße Segelboote kreuzen in der Bucht vor Opernhaus und Skyline. Einfach traumhaft, Pinguin müsste man sein…
Der Taronga Zoo ist riesig, wir könnten gut und gerne den ganzen Tag hier verbringen, aber leider geht das nicht. Denn um 17 Uhr geht unser Flieger nach Cairns. Nach vier Tagen in Sydney heißt es wieder Sachen packen und weiter. Die Fluggesellschaft Virgin Blue bringt uns heil und pünktlich in den Nordosten Australiens und selbst unser Gepäck kommt gleichzeitig mit uns an - wir sind sehr dankbar!
Empfangen werden wir vom tropischen Queensland spätabends mit 29 Grad und Regen, also dem typischen Wetter für diese Jahreszeit. Bei einer mittleren Temperatur von 29 Grad kann ein durchschnittlicher Januar in Cairns mit 17,8 Regentagen aufwarten. Na herzlichen Glückwunsch, das ist ja wie der Juni in Hamburg. Aber wir wollen von Cairns aus das Great Barrier Reef erkunden, da nimmt man solche Zahlen in Kauf.
Tag 21, Donnerstag 29.01.2009
Von big brekky bis Abendbrot
Schweißgebadet wachen wir morgens in unserem Hostel auf. Unser Zimmer hat zwar eine Klimaanlage, die nicht einmal wie in Camden die Geräusche eines Mähdreschers imitiert. Trotzdem haben wir sie abgestellt, als der penetrante Geruch nach toter Katze unerträglich wurde. So richtig Glück haben wir mit den Klimaanlagen in diesem Land nicht. Und mit den Zimmer-Kühlschränken auch nicht, wir haben es doch tatsächlich schon wieder geschafft, unseren über Nacht abzutauen. Dabei haben wir ihn nur von Stufe 5 auf Stufe 2 heruntergestellt, aber für eine mittlere Zimmerflutung war das schon ausreichend. Also wieder wischen, dafür ist jetzt wenigstens der Fußboden sauber.
Wir wollen sechs Tage in Cairns bleiben und gehen den heutigen Tag daher ausnahmsweise ganz entspannt an. Wobei sich alles andere wegen der hohen Temperatur und der noch höheren Luftfeuchtigkeit auch von allein verbietet. Wenn es nicht regnet, schwitzt man; nass ist man in jedem Fall. Zur Stärkung kocht Martin uns ein spätes und opulentes big brekky mit Speck und Eiern. Danach erkunden wir Cairns. Das geht schnell, denn der Ort ist recht klein und eher unattraktiv. Hafen und Strandpromenade sind noch das netteste. Obwohl Cairns am Meer liegt, ist von selbigem nicht viel zu sehen. Schlammiges Watt erstreckt sich vor uns, es ist Ebbe. Doch auch bei Flut sollte man nicht unbedingt ins Wasser hüpfen, wenn der Strand nicht durch Netze vor Würfelqualle gesichert ist. Im Sommer, also jetzt, tauchen manchmal ganze Schwärme dieser Quallen in Strandnähe auf.
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Die Nesselzellen der Seewespe sind mit einem extrem starken Gift ausgestattet. Wenn sie einen blöd erwischen, kann das Atemzentrum gelähmt werden und das Opfer sterben. Ansonsten tun die Verätzungen einfach grauenvoll weh und hinterlassen unschöne Narben. Und wie so oft in Australien sind es keine monströsen, roten Feuerquallen, die man erkennen könnte, bevor sie einen zu Tode quälen. Vielmehr sind es durchscheinende, nur etwa 20 cm große Tierchen, deren meterlange Tentakeln einen Kontakt mit ihnen aber nicht ganz unwahrscheinlich machen. Ganz schön unheimlich. Um den zahlreichen Touristen trotzdem ein wenig Abkühlung zu bieten, gibt es in Cairns eine künstlich angelegte Lagune. Ein bisschen seltsam ist es hier zwar schon, aber auch Martin und ich machen uns einen faulen Tag an dieser artifiziellen Badestelle.
Später geht es zum Einkaufen ins klimatisierte Einkaufscenter. Die Straße dorthin ist mit kleinen Bäumen gesäumt, Cocky Appels. Aus den kleinen weißen Blütenkelchen ragen gut hundert Staubfäden wie feine Fühler heraus. Sie beginnen weiß, sind ab der Mitte rosa gefärbt und enden in einem gelben Punkt, den Pollen. Diese filigranen Kunstwerke der Natur ernten unsere Bewunderung, da bleiben selbst wir Nicht-Botaniker stehen.
Im Hostel kreieren wie einen riesigen bunten Salat mit Garnelen und allem, was das Herz begehrt. Und manchem, was es nicht begehrt: Ein Käfer verirrt sich in unser Abendessen, diesmal leider auf meinen Teller, brrr.
Tag 22, Freitag 30.01.2009
Von anonymem Kreischen, Summen, Surren und Klopfen
Heute reicht die Zeit nur für ein schnelles Frühstück. Um 9 Uhr nehmen wir die Kuranda Scenic Railway, eine altmodische Eisenbahn, die uns gemeinsam mit vielen anderen Touristen ins Hinterland von Cairns bringt, ins Atherton Tableland. Die 34 Kilometer lange Strecke führt kurvenreich durch 15 Tunnel und über 40 Brücken, eröffnet Perspektiven auf das Meer und die Barron Falls, führt eng an Felswänden vorbei und durch sattgrünen Regenwald. Nach eineinhalb Stunden dieser wirklich schönen Zugfahrt fahren wir unter baumhohen Farnen in den Bahnhof von Kuranda ein. Das wäre doch eine schöne Begrünungsidee für deutsche Bahnhöfe.
Mitten im Regenwald gelegen ist Kuranda dank zahlreicher Cafés und Souvenirshops ganz auf Touristen eingestellt. Die meisten von ihnen schaffen es nur bis zum ersten Restaurant, wo sie bei Pommes und Cola die zwei Stunden bis zur Rückfahrt verbringen. Wir möchten etwas mehr sehen und begeben uns nach einem Eiskaffee auf den ausgeschilderten Jungle Walk. Natürlich sind wir fast allein unterwegs.
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Nur wenige Kilometer lang führt der Weg durch den Regenwald und doch gibt es hier wieder einiges zu entdecken für uns. Farbenfrohe Schmetterlinge flattern hier, unter anderem sehen wir einen Cairns Birdwing, einen Schwalbenschwanz. Auf seiner Brust prangt ein rotes Mal, sein Körper ist gelb und auf seinen Flügeln werden hellblaue, türkise und gelbe Flächen von strengen schwarzen Konturen begrenzt. Aber auch eine Gruppe strahlend blau-schwarzer Libellen lässt sich bei ihrem Sonnenbad beobachten. Neben diesen Insekten überraschen wir einen Australian Brush-Turkey, ein Buschhuhn. Dieser komische Truthahn ist etwa 70 cm groß und hat, weil es sich um ein Männchen handelt, neben den schwarzen Rumpf- und Schwanzfedern einen kahlen, roten Kopf und Hals und einen gelben Kehlkopf. Er pickt aufgeregt an einem Apfel und ist insgesamt ein eher hässlicher Geselle.
Je tiefer Martin und ich im Regenwald verschwinden, desto lauter wird es um uns herum, eine Geräuschkulisse aus Rascheln, Kreischen, Summen und Sirren umgibt uns. Wer oder was diese Laute verursacht, lässt sich im Einzelnen gar nicht feststellen. Ein bisschen skeptisch ziehe ich mir meinen breitkrempigen Hut tiefer in Gesicht und Nacken - nur für den Fall, dass mir ein Musikant aus diesem tierischen Orchester auf den Kopf fallen will. Der Rückweg führt uns dann an einem breiten Fluss vorbei. Wir sind uns sicher, dass sich jede Menge hungrige Krokodile in den braunen Fluten verbergen und halten großzügig Abstand.
Für den Rückweg nach Cairns nehmen wir die Skyrail Rainforest Cableway, die mit 7,5 Kilometern längste Seilbahn der Welt. Hoch über den Baumkronen des Regenwalds gondeln wir dahin und überqueren dabei auch den sicher krokodilverseuchten Fluss, zum Glück ohne abzustürzen. Die Vogelperspektive auf den Wald ist spannend, zumal wir unsere Fahrt zwei Mal unterbrechen können und auf kleinen Lehrpfaden durch den Dschungel geführt werden. Dabei lohnt es sich, den Blick überall zu haben, denn der Wald ist vom Boden bis in die Kronen belebt. Ein Riesenschreck durchfährt mich allerdings, als mein neugieriger Blick dabei auf eine gut vier Zentimeter große Spinne fällt, die in ihrem überdimensionalen Netz über dem Weg vor uns hängt. Igitt, mich schüttelt es, bei Spinnen hört der Spaß bei mir echt auf.
In unserem Hostel buchen Martin und ich voll Unternehmungslust eine Rifftour. Deswegen sind wir immerhin hauptsächlich hier. Wir entscheiden uns für eine Segeltour zum Green Island am morgigen Tag und stellen den Wecker auf sechs Uhr.
Tag 23, Samstag 31.01.2009
Von Haarbändern, Haien und Gorgonzolasauce
Ziemlich müde begeben wir uns morgens zum Pier. Die dicken grauen Wolken und der stetige Regen heben unsere morgendliche Laune nicht gerade. Wir stellen uns mental schon auf schweren Seegang und Mann-über-Bord-Manöver ein, da wird unsere Tour wegen Unwetter abgesagt. So ganz böse sind wir ja nicht, aber was machen wir jetzt mit dem trüben Tag? Weil wir schon einmal da und von dem warmen Regen eh schon durchgeweicht sind, hüpfen wir in die Lagune. Die haben wir um 7.30 Uhr an diesem verregneten Samstag ganz für uns alleine. Und deshalb trainiere ich in der Sicherheit des klaren Lagunenwassers meine Schnorchelkünste. Ich war nämlich noch nie richtig Schnorcheln und so ganz geheuer ist mir die Sache noch nicht. Ich durchpaddele also fleißig die Lagune und studiere aufmerksam den sauberen Boden des Schwimmbeckens. Ziemlich langweilig, nicht einmal die Sichtung eines verlorenen Haarbands kann ich vermelden. Stattdessen beschleicht mich das ungute Gefühl, dass sich, sobald ich den Blick abwärts richte, direkt vor mir ein zähnefletschender Hai aufbaut. Na das kann ja was werden, wenn wir übermorgen tatsächlich im Meer schnorcheln. Für morgen ist nämlich auch Mistwetter angesagt.
Unser Tag verläuft völlig ereignislos. Wenig motiviert begeben wir uns in das kleine Museum der Geschichte von Queensland. Doch schon der muffige Vorraum wirkt selbst so museal und renovierungsbedürftig, dass wir keine Lust mehr haben. Also stöbern wir ein bisschen in den Souvenirshops, essen trotz des Regens ein Eis, schreiben ein paar Postkarten und finden uns unversehens in einem Tour-Buchungscenter wieder, wo ein enthusiastischer junger Mann unsere Tropen-Lethargie schamlos ausnutzt. Gegen die Raftingtour und den Fallschirmsprung können wir uns noch durchsetzen, aber mit dem Krokodilabenteuer hat er uns dann erwischt. „Warum nicht, machen Sie man“, stimmen wir zu. Bei Pasta in Gorgonzolasauce kommen wir am Abend wieder zur Besinnung. Zum Glück haben wir uns nicht den Fallschirmsprung andrehen lassen, bei dem Wetter. Auf die Krokodile sind wir doch gespannt.
Tag 24, Sonntag 01.02.2009
Von schlecht gelaunten Handtaschen und australischem Humor
Der Himmel ist hellgrau und es regnet nur wenig. Warm ist es sowieso. Brav treten wir gegen Mittag unser gebuchtes Crocodile Adventure an. Da die Gummitiere wasserfest sind, fällt es auch nicht aus und mit dem kleinen Tourbus geht es zu einer nahe gelegenen Krokodilfarm, wo Krokos für Handtaschen gezüchtet werden. Dafür werden sogar Eier aus wilden Gelegen genutzt, welche die Bauern sich für einen stattlichen Preis abkaufen lassen, wenn sie sie auf ihren Äckern finden. Und trotzdem soll die Farm dem Schutz der freilebenden Krokodile dienen.
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Denn könnten sie die Eier nicht verkaufen, würden die Bauern die Gelege zerstören. Und das begehrte Krokodilleder käme nicht von Farmen, sondern von Wilderern. Die Erklärung unseres Guides klingt logisch. Aber kurbelt nicht das Angebot auch die Nachfrage an? So ganz sicher sind wir uns nicht, ob er Recht hat. Auf der Farm gibt es Krokodile in allen Alters- und Gewichtsklassen. Eine Gruppe Jungtiere hat, so unserer Guide, gerade genau die richtige Größe, um aus ihrer Haut schöne Handtaschen herzustellen. Ein kleineres Exemplar mit zugebundener Schnauze darf angefasst werden: kühl, wie Gummi und schon jetzt sehr kräftig, der Kleine. Missgelaunt fixiert er uns aus seinen bräunlich-gelb marmorierten Augen mit den zu schmalen Schlitzen verengten Pupillen. Wahrscheinlich schmiedet er blutige Vergeltungspläne, um sich dereinst für das demütigende Zuschnüren seiner kräftigen Kiefer zu rächen. Wir sind hoffentlich nicht da, wenn es so weit ist.
Nach der Farmführung fahren wir mit einem Boot auf einen trüben, grünen Krokodilteich. Die ausgewachsenen Monster werden mit Hühnerfleisch geködert. Unsichtbar schwimmen sie unter Wasser heran, bis sie plötzlich hervorschnellen und zuschnappen. Dabei katapultieren sie ihre massigen Körper gut zwei Meter aus dem Wasser. Nicht ohne Grund ist es an Bord verboten aufzustehen, denn leicht könnten die Tiere das schnöde Hühnerfleisch ignorieren und eine viel größere und lohnendere Beute ins Visier nehmen.
Wir spazieren über das weitläufige Gelände. Neben den Zuchtkrokos gibt es ein paar Wallabies und Koalas, die muss wohl jede australische Touristeninstitution haben. Sie sind aber auch jedes Mal wieder super. Außerdem stakt ein langbeiniger, weiß-braun gefiederter Vogel durch das Gras. Bei unserem Anblick bleibt er wie versteinert stehen. Das ist seine Spezialität, es ist nämlich ein Bush stone-curlew, ein Langschwanztriel. Wenn er sich bedroht fühlt, erstarrt er in den seltsamsten Verrenkungen zur Salzsäule. Leider scheint das Totstellen keine besonders effektive Taktik zu sein; der Fortbestand seiner Art gilt als bedroht. Auch eine andere bedrohte Vogelart wollen wir hier eigentlich gerne noch sehen. Aber das Gelände der Helmkasuare ist leider versperrt. Diese scheuen, wenig erforschten Waldvögel sind flugunfähig wie Emus und ähnlich groß. Sie besitzen eine dolchartige Kralle an ihren Stelzenfüßen, mit denen sie durchaus einen Menschen aufschlitzen könnten. Ich hätte auch ohne dieses Mordinstrument Respekt vor ihnen, immerhin sind ausgewachsene Helmkasuare größer und deutlich schwerer als ich.
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Gesehen hätte ich sie trotzdem gerne, aber die heben wir uns für die nächste Reise auf. Dafür lernen wir ein paar „Problemkrokodile“ kennen, die in freier Wildbahn zu viel Schaden angerichtet haben und deshalb hier in Gefangenschaft leben müssen. Info-Tafeln geben Auskunft über jedes einzelne Tier, wie groß, wie schwer und wie alt es ist, wie es heißt und was es verbrochen hat. Dabei gehen die lockeren Australier mit solchen Tragödien manchmal ganz schön humorvoll um: Martin und ich prusten vor Lachen, als wir über das vier Meter lange, 400 Kilo schwere Krokodilmännchen Sollie lesen, es sei „named after the dog he ate on New Year’s Day, 1988.“ Eine fantastische Namenswahl.
Ein weiterer Programmpunkt im Park ist die Crocodile Attack Show. Klingt großspurig, ist aber wirklich ganz spannend und interessant. Nicht zu sehen in der trüben Suppe eines kleinen Wasserlochs liegt Bob, schlechtgelaunt und hungrig, wie sich das gehört für ein Krokodil. Obwohl ich weiß, dass es gleich passieren wird, zucke ich heftig zusammen, als das gut drei Meter lange Untier aus dem Wasser schnellt und seine riesigen Kiefer zuschnappen lässt. Von seinem verhassten Tierpfleger lässt es sich zu Todesrolle und Verfolgungsmanövern provozieren. Aber immer wieder schafft es Bobs barfüßige, plappernde Beute in letzter Sekunde hinter das schützende Gitter zu hechten. Bob ist frustriert. „He hates me“, freut sich hingegen sein lässiger Pfleger.
Abends bieten die dicken Regenwolken über Cairns ein sehenswertes Schauspiel. Tief hängen sie über Land und Meer und umschließen die nahen Hügel, während sich die Lichter der Cafés in den nassen Bohlen der Promenade widerspiegeln. Eine Sinfonie in blau. An unserer morgigen Rifftour beginnen Martin und ich aber angesichts der bedrohlichen Schönheit zu zweifeln.
Tag 25, Montag 02.02.2009
Von Verzweiflungstaten, Koalafleisch und Hochprozentigem
Wieder klingelt der Wecker um sechs Uhr. Und wieder wird unsere Buchung storniert. Wir wollen es morgen wieder versuchen, einen Tag haben wir noch in Cairns. Sollten wir etwa tatsächlich so ein Pech haben und es eine ganze Woche nicht zum Riff schaffen? Es ist zum Verzweifeln. Da das aber nicht zu uns passt, schlagen wir den altbekannten Weg zum Tour-Büro ein und buchen für den Nachmittag die Raftingtour. Bei so viel Regen in den letzten Tagen sollte eine Wildwasserfahrt immerhin eine sichere Sache sein, oder doch nicht? Gegen Mittag erreicht uns die Hiobs-Botschaft: „Sorry, it’s cancelled. Too much water in the river...“ Zu viel Wasser für das Wildwasser-Adventure? So langsam bekommt selbst unser Optimismus Sprünge. Was machen wir denn jetzt? Wir studieren noch einmal gründlich unseren Reiseführer. Und fahren dann mit dem Bus ins Besucherzentrum des Royal Flying Doctor Service von Queensland. Es liegt in einem ruhigen Wohnviertel und wir sind die einzigen Besucher des kleinen Museums, werden dafür aber umso herzlicher von dem ehrenamtlichen Mitarbeiter empfangen. Ein kleiner Film und zwei Räume mit historischem Material, Informationen und Fotos belegen die Geschichte der australischen Kult-Institution.
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Sie wurde 1928 von dem Pfarrer John Flynn gegründet, der damals noch zu Kamel seine Krankenbesuche unternahm. Heute können die Maschinen der flying doctors jeden Punkt in Australien binnen zwei Stunden erreichen. Das will bei diesem Land schon etwas heißen! Vor allem Martin als angehender Arzt ist beeindruckt. Zum Anfassen und Ausprobieren lädt eine kleine Beechcraft aus den 70ern ein, die im Garten des Museums steht. Wir klettern in die ausgemusterte Maschine, die noch original mit Arztkoffer, Liege und urtümlichen Defibrillatoren ausgestattet ist. Ein paar Spinnenweben wohnen hier freilich auch.
Nach unterhaltsamen zwei Stunden sind wir rechtzeitig im Stadtzentrum zurück, um uns im Dundee’s ein ganz besonderes Dinner zu gönnen. Nach einem Tapasteller zur Vorspeise wollen wir es wissen und bestellen den bunten Australien-Teller: Krokodil- und Kängurufleisch am Spieß, eine Wurst aus Emufleisch, ein kleines Barramundi-Filet und ein Koala-Steak. So zumindest erklärt die Bedienung, was wir da auf unseren Teller haben. Sprach’s und ging davon. Martin und ich gucken uns alarmiert an: Koala? Haben wir wirklich Koala bestellt, stand das in der Karte? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Gerade als wir beschließen, dass man, wenn man Känguru ist, wohl auch Koala essen kann, kommt die Bedienung herbeigestürzt: „It’s buffalo!“, korrigiert sie aufgeregt ihren Irrtum. Stimmt, das war’s, buffalo stand noch auf der Karte. Ein wenig erleichtert sind wir schon. Den Schrecken spülen wir mit einer Flasche Pertaringa Shiraz Undercover hinunter: dunkelrot, fast dickflüssig und sehr, sehr kräftig im Geschmack. Ob der gute Topfen mit einem Alkoholgehalt von 15% in Frankreich noch als Wein durchgehen würde, wage ich zu bezweifeln. Der hat wohl die ganze Portion australischer Sonne abbekommen. Auf jeden Fall schmeckt er uns ganz hervorragend und gewinnt unsere Herzen für die hiesigen Lagen. Ab jetzt werden wir unser Bier zum barbie häufiger durch einen Wein ersetzen. Zum Nachtisch gibt es auf dem Heimweg noch ein Eis, bevor wir beschwingt unsere Sachen packen. Denn morgen ist unser letzter Tag in Cairns, am frühen Abend geht der Flieger nach Melbourne. Vorher wollen wir aber noch zum Riff, hoffentlich fällt die Tour nicht wieder aus!
Tag 26, Dienstag 03.02.2009
Von Außerirdischen und Unterwasserweltlern
An das Weckerklingeln haben wir uns jetzt schon gewöhnt. Wir verstauen unser Gepäck im Abstellraum und gehen zum Hafen. Der Himmel sieht nicht viel anders aus als die letzten Tage, grau und regnerisch, daher können wir es gar nicht fassen, dass unser Schiff tatsächlich ablegt. Eine sonnige Überfahrt ist es nicht, aber besser als nichts. Erster Stopp ist Green Island. Hier mieten wir einen stinger suit, einen Ganzkörperanzug aus Lycra, der gegen Würfelquallen schützen soll. Mit Flossen, Taucherbrille und Schnorchel watscheln wir dann wie sympathische blaue Marsmännchen ins Wasser. Die Korallen rund um die Insel sind durch die vielen Touristen, die die festlandnahe Insel besuchen, leider schon stark beschädigt. Aber spannend ist es allemal, unter uns tut sich eine ganz andere Welt auf und einige seltsame Fische kreuzen unter uns entlang.
Vom abgelegenen Outer Reef erhoffen wir uns mehr. Unser Schiff lädt uns auf einem Ponton ab, von dem aus wir die Unterwasserwelt erkunden. Hier draußen scheint jetzt sogar die Sonne. Leider ist die Sicht unter Wasser trotzdem sehr eingeschränkt; der Regen hat dem Plankton wohl einen Wachstumsschub versetzt. Durch diesen Grünschleier sehen wir aber dennoch die verschiedensten Korallen. Mal befinden sie sich dicht unter uns, mal fällt das Riff ab in eine unheimliche, dunkle Schlucht. Über die Korallen flitzen bunte Fische. Den Clownfisch können wir Nemo sei Dank bestimmen, ansonsten müssen wir nachlesen: Anemonenfische, Barsche, Doktor-, Lipp- und Falterfische sind eine Wissenschaft für sich. Hübsch anzusehen sind sie zum Glück auch dann, wenn man ihre Namen nicht kennt. Bei dieser Ablenkung vergesse ich auch mein mulmiges Hai-Gefühl. Martin versucht zwischendurch unter Wasser Fotos zu machen. Dafür haben wir uns in Hamburg eigens eine wasserdichte Umhängetasche aus Plastik gekauft, mit Sichtfenster zum Durchfotografieren. Der Spaß hat uns 50 Euro gekostet – der teuerste Gefrierbeutel unseres Lebens, scherzen wir. Immerhin: Die Kamera bleibt wie versprochen trocken. Aber die Fotos lassen trotzdem zu wünschen übrig, das Handling von Beutel und Kamera ist gar nicht so einfach unter Wasser. Nach ein paar Stunden verlassen wir die künstliche Insel und schippern zurück in den Hafen. Dort schnappen Martin und ich uns das nächstbeste Taxi und düsen mit Zwischenstopp beim Hostel zum Flughafen. Geschafft, das war knapp. Einchecken und ab nach Melbourne, wo wir den Weg zum Hostel jetzt schon kennen. Nach der entspannten Woche im Doppelzimmer sind jetzt im 8-Bett-Zimmer wieder starke Nerven und Ohropax gefragt.
Tag 27, Mittwoch 04.02.2009
Von Heimkehrern und Nationalhelden
Standesgemäß beginnen wir unseren zweiten Melbourne-Aufenthalt im Galleon und fühlen uns schon wie zuhause. Das drunken sailor’s big brekky lässt keine Wünsche offen, höchstens den nach einem Verdauungsschnäpschen. Danach erkunden wir die Docklands, Melbournes Hafenviertel, bis uns die Mittagshitze ein zweites Mal ins Stadtmuseum treibt. Diesmal verlieren wir uns bis Ladenschluss in den Abteilungen Mind and Body und Stadtgeschichte. Irritiert stehen wir dort vor einem ausgestopften australischen Nationalsymbol: dem Rennpferd Phar Lap, das in den späten 20er und frühen 30er Jahren jede Menge Rennen gewonnen hat, darunter den Melbourne Cup. Er war offenbar der Stolz der Nation. Um den frühen Tod des Wallachs ranken sich Verschwörungstheorien und wir gewinnen den Eindruck, dass wir vor dem Kennedy down unders stehen. Etwas grotesk erscheint mir, dass die ausgestopfte Hülle des armen Gauls in Melbourne zur Schau gestellt wird, während sein Knochengerüst das Nationalmuseum seiner Heimat Neuseeland bereichert und sein 6,2 Kilo schweres Sportlerherz in Canberra zu finden ist. Das nenne ich postumen Ruhm.
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Am Federation Square genießen wir die Abendsonne, kaufen Steaks, Gemüse, Wein und Muffins und suchen uns im Albert Park einen öffentlichen Grill. Mit Blick auf See und Stadtsilhouette bereiten wir uns ein perfektes Dinner bei Sonnenuntergang. Das Leben kann ja so schön sein.
Tag 28, Donnerstag 05.02.2009
Von Meer-, Sand- und Sonnenbädern
Was für eine Enttäuschung: Martin hatte sich schon so auf das Wiedersehen mit dem Fliegenkiller gefreut, stattdessen wird uns heute ein Mitsubishi Pajero zuteil. Auch nicht verkehrt, aber im Vergleich schneidet er doch deutlich schlechter ab. Obwohl er so groß ist, hat man nicht besonders viel Platz im Innern. Aber gut, er fährt und das auf einer ganz besonderen Strecke: Die Great Ocean Road südwestlich von Melbourne gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Von Torquay bis Warrnambool führt sie rund 300 Kilometer an der Küste entlang und gewährt immer wieder neue und reizvolle Ausblicke auf Steilküste, Strände, Felsen und Meer.
Aus Melbourne finden wir heute problemlos heraus: Das gebuchte Navi ist diesmal wirklich an Bord und leitet uns zuverlässig Richtung Torquay. Völlig geschmacksneutrale, dafür extra fettige fish and chips müssen als schneller Mittagsimbiss herhalten. Entschädigung verspricht der Besuch am Strand. Wir blicken auf das dunkelblau leuchtende Meer und merken einmal wieder, wie gut es uns geht. Einen echten Strand-Stopp legen wir aber erst in Anglesea ein. Der Wind pfeift uns jetzt ganz schön um die Ohren, trotz der Sonne ist mir ein wenig kühl. Deshalb rolle ich mich am Strand in mein Handtuch und döse vor mich hin, während Martin schwimmen geht. Als er mich eine Viertelstunde später weckt, bin ich porentief sandig, die feinen Körner haben ihren Weg selbst unter die Kleidung gefunden, kleben am Rücken und rieseln aus den Haaren. Zehn Minuten später und Martin hätte mich aus einer Düne ausbuddeln müssen.
Unterwegs kreuzt ein Schwarm Gelbhaubenkakadus unseren Weg. Es sind strahlend weiße Tiere mit einem kräftigen grauen Schnabel und namengebenden gelben Kopffedern, die sie manchmal angeberisch aufstellen. Mit wachem Blick posieren sie in den Bäumen, als ich sie porträtiere, aber den gelben Kamm wollen sie mir zuliebe nicht zeigen.
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Die Küstenstraße will langsam befahren werden. Nicht nur wegen der spektakulären Aussichten, von denen wir nicht genug bekommen können, sondern auch weil sie sich in engen Kurven an die ins Wasser abfallenden Hügeln anschmiegt. Alle hundert Meter zeigen Warnschilder an, dass eine besonders kurvige Strecke bevorsteht. Unser nächster Halt ist ein kleiner Leuchtturm am Split Point in der Nähe des Ortes Lorne. Schlank und weiß ragt er in den blauen Himmel und sieht mit seiner roten Pudelmütze sehr nett aus. Wir wandern eine halbe Stunde durch die windgebeugten Büsche und Sträucher und fahren weiter.
Etwas zu früh für unseren Geschmack wird es heute dunkel: Graue Wolken ziehen auf und schirmen die Abendsonne ab. Es wird doch nicht etwa regnen? Ganz so schlimm kommt es nicht, aber in Apollo Bay suchen wir uns ein kleines Motel, um eine ruhige und trockene Nacht zu verbringen. Vorher schwebt uns aber noch ein Restaurantbesuch vor, Seafood soll es sein, hmm lecker. Unternehmungslustig tigern wir durch die Hauptstraße des bescheidenen Touristenstädtchens und studieren die ausgehängten Speisekarten. Klingt alles sehr schmackhaft. Als wir jedoch das Lokal unserer Wahl betreten, macht uns die Kellnerin schnell klar, dass hier um 21 Uhr die Bordsteine hochgeklappt und die Küchen geschlossen werden. Sie macht uns wenig Mut, heute noch Garnelen zu speisen und verweist uns an eine einfache Pizzeria, die mit etwas Glück noch geöffnet sei. Und wir haben Glück. Wir sind zwar die einzigen und letzten Gäste, aber der sympathische Koch gibt sich mit unseren Pizzen besonders große Mühe. Mit Martin hat er aber auch einen dankbaren Abnehmer gefunden: Einmal The Lot, die Hauspizza mit allem, was die Küche zu bieten hat, in Größe L, bitte! Ich begnüge mich mit einer medium Salami. Keine Meeresfrüchte, aber auch sehr gut.
Tag 29, Freitag 06.02.2009
Von hemmungslosen Blutsaugern, perfiden Wallabies und steingewordener Gelassenheit
Der erste Halt des Tages ist einer der vielen scenic lookouts. Aus etwa 20 Metern Höhe schauen wir auf die Küstenlinie. Wie Perlen auf der Schnur wechseln sich langgezogene, schmale oder tief ausgeschnittene Buchten ab. Weiß schäumend laufen die Wellen in kurzen Abständen auf den Strand und zeichnen in der Sonne schnell verblassende Bögen in den Sand. Nach ein paar Metern erheben sich dann die erstaunlich grünen Hügel. Auf den sandigen, kargen Bögen wachsen windgebeugte Büsche und Sträucher mit knorrigen Stämmen und Ästen. Wer hier lebt, muss mit dem Wenigen auskommen, das das Land hier zu bieten hat, nämlich Sand, Wind und Sonne. Davon gibt es dafür reichlich.
Die Aussicht auf ein Bad in der Brandung ist verlockend. Unsere Badesachen haben wir heute Morgen gleich angezogen, deshalb schnappen Martin und ich uns nur noch ein Handtuch und machen uns an den Abstieg. Ein schmaler Sandweg führt zwischen den Büschen entlang nach unten. Gleich zu Beginn lässt uns eines der typisch australischen Warnschilder aufmerken, weil es leider nicht vor Wombats, Koalas oder Kängurus, sondern vor Schlangen warnt.
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Ich nehme das verkratzte Schild ernst; ich kann mir gut vorstellen, dass ein paar von den Viechern hier ihre Bleibe haben. Und bestimmt sind wir heute Morgen die ersten, die sie wecken. Also Vorsicht. An einer Weggabelung biegen wir falsch ab, der schmale Pfad verliert sich im Gebüsch. Aber sein Gegenpart führt uns zum Strand. „Schön hier“, können wir gerade noch denken, da stürzen sie sich auf uns: Ein kleiner Schwarm ausgehungerter australischer Bremsen begrüßt uns stürmisch. Wir haben schon vereinzelt mit ihnen Bekanntschaft gemacht, an sonnigen Stränden scheinen sie besonders aktiv zu sein. Und solange man sie nicht getötet hat, geben sie es nicht auf, einen zu beißen. Und so ein Bremsenbiss tut erstaunlich weh. Mit Mundwerkzeugen wie winzige Säbel, so können wir später nachlesen, reißen und schneiden die Bremsen Fleischstückchen aus ihrem Opfer. Das austretende Blut lecken die Tiere genüsslich auf. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch eklig. Und jetzt sind wir gleich einem ganzen Dutzend der dicken, schwarzen Blutsauger ausgeliefert. Mit Handtuch und Händen panisch um uns schlagend, rennen wir über den Strand. Von oben muss es ein amüsantes Schauspiel sein. Der Busladung britischer Rentner, die hoch über uns gerade den scenic lookout beschlagnahmt, bieten wir wahrscheinlich eine grandiose Vorstellung plötzlich auftretenden Wahnsinns, mit wütenden Schreien, hilflos fuchtelnden Armen und wild ausschlagenden Beinen. Es ist vollkommen aussichtslos, hier können wir nicht bleiben. In Rekordzeit stürmen wir den Weg bergauf zurück; auf Schlangen können wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen, wir haben schlimmere Feinde. Sie haben blutgeleckt und verfolgen uns bis zu unserem Mitsubishi. „Autoschlüssel, wo ist der Autoschlüssel!“ Schnell rein und Tür zu. Uff, das war knapp. Wutschnaubend vor Enttäuschung über die entgangene Beute setzt sich ein besonders großes, ekliges Exemplar auf unsere Windschutzscheibe. Mit dicken Facettenaugen stiert es uns bedrohlich an. Aber jetzt sind wir dran, der Scheibenwischer verschafft Abhilfe und Genugtuung: „Nimm das, du Mistvieh!“
Nach diesem Ereignis führt unsere Tagesetappe zunächst durch den Otway Nationalpark. Statt Meeresblau umgibt uns jetzt zu beiden Seiten des Autos dichtes Grün. Bis zur Straße und darüber hinaus reichen die Farne und Sträucher. Ein Wallabie jagt uns einen Schrecken ein, als es gerade in dem Moment bis genau an den Straßenrand hüpft, als wir an ihm vorbeirauschen. Als wäre es Absicht gewesen. Und wer weiß, vielleicht prahlt es abends vor seinen Wallabie-Kumpels: „Hey mates, heute habe ich wieder zwei Touristen erschreckt. Die Gesichter hättet ihr mal sehen sollen!“
Gar nicht plötzlich, sondern ganz wie erwartet taucht unser nächstes Ziel vor uns auf: die zwölf Apostel. Egal wie viele Bilder man vorher von ihnen gesehen hat, egal mit wie vielen anderen Touristen man sich den Aussichtspunkt teilt: Wenn man dort steht, mit Wind im Gesicht und Sonne auf der Haut, ist die Felsformation ein unvergesslicher Anblick. Porös und trocken, in horizontalen Schichten von einem sandigen Ocker bis zu einem ausgeblichenen Weiß stehen die Brocken in den brechenden Wellen, so rau und so schön.
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Wie ein Sinnbild der Gelassenheit ragen die Felsen aus dem Meer, als könne das Tosen von Wind und Salzwasser ihnen nichts anhaben. Blau, türkis und weiß schwappt es unbeachtet um sie herum. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Ständiger Wellengang setzt dem Sand- und Kalkstein des Festlands unablässig zu, spült Höhlen aus und lässt Klippen herabbrechen. Und wenn der Zufall es will, bleibt ein Teil des ehemaligen Festlands als Felsnadel vor der neuen Küstenlinie stehen. Phantastische Formen sind so entstanden, schlanke Minarette, schwere Kathedralen, hohe Bögen und niedrig geduckte Buckel. Und es geht weiter, denn das Meer lässt nicht locker. Erst 2005 ist ein Pfeiler der zwölf Apostel in sich zusammengestürzt. Und bestimmt schält sich ein Ersatz bereits aus dem Stein heraus.
Hier ist es schön, hier bleiben wir. Eine sonnige Holzbank wird für ein kleines Nickerchen auserkoren. An einem so tollen Ort muss man, übervoll mit Eindrücken und Bildern, auch mal pausieren, die Augen schließen und das Gesehene sacken lassen. Erst darf ich die Augen zu machen, während Martin mich vor Mücken und Bremsen beschützt, die auch hier vereinzelt auf Stippvisite vorbeikommen. Dann wird getauscht. Gut, wenn man sich aufeinander verlassen kann.
Nach ein paar Kilometern wartet schon die nächste Attraktion auf uns. Auf einer Länge von 150 Metern hat das Meer die Küste unterspült, doch noch hält der Kalkstein größtenteils, nur vor unseren Füßen öffnet sich ein tiefer Krater. Der weiße Sand am Boden leuchtet hell aus dem dunkelblauen Wasser, das sich seinen Weg bis hierher gebahnt hat.
Spätmittags legen wir einen Badestopp in Port Campell ein. Die Sonne scheint, das Wasser ist ruhig, wenn auch nicht ganz klar. Vorsichtig wie immer versuche ich trotzdem zu erkennen, wo ich unter Wasser hintrete. Martin ist da forscher und findet meine Sorgen übertrieben, als ich ihn auf etwas hinweise, das sich etwa zwei Meter vor uns auf dem Meeresboden befindet. „Das ist nur ein Stein. Und daneben liegt ein Stock, weiter nichts“, tut er meine Bedenken ab und will weiter ins Wasser hineinwaten. Aber so schnell kann ich meine angeborene Feigheit nicht überwinden. Und überhaupt liegen hier sonst überhaupt keine Steine herum und so schnurgerade Stöcke verirren sich meines Wissens auch nur selten ins Meer.
Bis zum Bauchnabel im Wasser starre ich angestrengt auf den Sandboden. Zeichnet sich da nicht ein großer Kreis um den vermeintlichen Stein ab? Das sind doch die Umrisse eines riesigen Rochens, der sich in der flachen Bucht wärmt! Der Rücken ist mit Sand bedeckt, nur sein dunkler Buckel, der lange, glatte Schwanz und die Umrisse seiner Flossen sind zu sehen. Als Martins vermeintlicher Stock dann noch Bewegungen entgegen der Strömungsrichtung vollführt, ist auch er irritiert. Mittlerweile stehen wir bestimmt schon fünf Minuten hier und wenn das Ding vor uns wirklich lebt – und davon sind wir inzwischen überzeugt – ist es ein Rochen mit einer Flügelspannweite von gut 1,30 Metern. Ich habe keine Ahnung, was für einer, ich weiß nur, dass der hier riesig ist und dass manche von den riesigen einen Giftstachel an der Schwanzspitze tragen. Wobei das Gift unter Umständen weniger gefährlich ist als der lange Stachel selbst. Wie hieß noch der australische Krokodilbezwinger, der von so einem Stachel ins Herz getroffen wurde und sofort tot war? Ach ja, Steve Irwin. Zwar sind Rochen an sich friedlich, aber in Bedrängnis können sie sehr ungehalten reagieren. Gerade als ich mir unserer Lage so richtig bewusst werde („Oh mein Gott, ein Rochen!“) wirbelt vor uns eine Sandwolke auf, das Wasser trübt sich vollends, wir sehen nichts mehr. Stocksteif bleiben wir stehen, bis der Sand sich gelegt und das Wasser sich beruhigt hat. Vom Rochen ist nichts mehr zu sehen, vor uns ist nur noch heller Sand. Von wegen nur ein Stock und ein Stein! Mein Herz klopft noch immer ganz ordentlich, als wir uns schließlich wieder rühren, und ich rette mich an den Strand. Puh, ganz schön aufregend! Aber auch echt toll.
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An der Märtyrerbucht halten wir noch einmal, um uns die vorgelagerten Felsen anzusehen. Aber für heute haben wir schon so viele Bilder im Kopf, mehr passen bald nicht mehr hinein. Zumal der Abend naht und wir noch eine große Strecke zurücklegen wollen. Durch das Landesinnere rauschen wir über den Princes Highway die 180 Kilometer von Warrnambool bis Geelong zurück. Offensichtlich streckenweise etwas zu schnell, im heimischen Hamburg wird uns zwei Monate später ein saftiger Bußgeldbescheid ins Haus flattern… Oops. In Geelong finden wir mit Glück noch ein freies Motelzimmer, denn es findet ein Autorennen statt (ohne uns) und quasi alles ist ausgebucht.
Tag 30, Samstag 07.02.2009
Von tragischen Rekorden und piekfeinen Felsbewohnern
Und weiter geht’s. Ziel ist heute Phillip Island, ein kleines Eiland südlich von Melbourne. Fluglinie sind es etwa 100 Kilometer, aber da uns die Port Phillip Bay von unserem Ziel trennt, machen wir einen großzügigen Umweg über Melbourne, insgesamt 212 Kilometer rechnen wir aus. Plus cirka 15 zusätzliche Kilometer, die wir trotz oder gerade wegen des Navis innerhalb Melbournes zurücklegen. Ganz ungewollt lernen wir so auch die nicht touristischen Viertel der Stadt kennen, bis wir auch das überstanden haben. Irgendwo zwischen dem ungekrönten König der Doppelkonsonanten Eumemmerring und der Hauptstadt der Vokale Koo Wee Rup halten wir zum Tanken. Und kippen fast aus den Flipflops angesichts der Hitze, die uns beim Aussteigen aus unserem klimatisierten Auto entgegenschlägt. Da hat jemand den Backofen aber auf 45 Grad und Umluft gestellt! Der leichte Wind ist irritierend heiß im Gesicht. Hätten wir in den kommenden Tagen einmal Nachrichten gesehen, wüssten wir, dass die Gegend um Melbourne Anfang Februar 2009 von verheerenden Buschfeuern heimgesucht wird. Der heutige Tag, der 7. Februar, ist mit Temperaturen bis zu 48 Grad der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 150 Jahren und erster Tag der Brände.
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Er wird als Black Saturday traurige Berühmtheit erlangen und die Brände werden mit rund 170 Toten, Tausenden zerstörter Häuser und riesigen Flächen verbrannten Waldes in die Geschichte eingehen. Aber das erfahren wir erst im Nachhinein. Das Thema Waldbrand ist in Australien umstritten. Manche befürworten gezielte Brandlegungen, um die Gefahr von Katastrophen wie den Black Saturday bushfires zu dezimieren. Immerhin haben schon die Aborigines Brände absichtlich als Schutzmaßnahmen ausgelöst und selbst einige Pflanzen des Kontinents sind auf die Feuer eingestellt. So fördert das leicht brennbare Öl der Eukalypten ein Feuer sogar. Denn in ihrem Stamm bilden sich durch die Hitze neue Keimlinge, so dass sie schon wieder ausschlagen, wenn andere Bäume noch auf Regeneration warten. Auch viele Banksien-Arten sind auf Brände angewiesen, denn erst bei großer Hitze öffnen sich die Samenstände der Pflanzen und verteilen das neue Saatgut.
Angekommen auf Phillip Island verabschieden wir uns schnell von der Idee, die Insel zu erwandern. Bei der herrschenden Hitze wäre das nicht nur nicht angenehm, sondern durchaus auch gefährlich. Daher suchen wir uns ein Plätzchen am Strand, im kreislaufschonenden Schatten eines hohen Nadelbaums. Wenn man schnell genug über den glühend heißen Sand hechtet, kann man sich danach seine qualmenden Füße im Wasser löschen. Allerdings auch nur kurzzeitig, weil sonst ein Sonnenstich droht. So verbringen wir den Nachmittag Eis essend und kreuzworträtselnd am Strand von Cowes. Abends suchen wir die Südwestspitze der Insel auf. Am Point Grant wandern wir auf Holzstegen an der zerklüfteten Küste entlang. Vor uns liegen The Nobbies, Felsinseln, die von Seehunden bevölkert sind. Zu sehen sind die Tiere allerdings nur, wenn man mit dem Boot hinaus fährt. Aber der Blick allein ist schon mehr als lohnend: Direkt vor uns schäumt das Wasser weißblau über die schwarzen Felsen an der Küste, die untergehende Sonne verwandelt das Meer kilometerlang in gleißend blanke Flächen und hinter uns steht der blasse Mond tief zwischen den mit kurzem, moosigen Gras bewachsenen Hügeln.
Als wäre das alles nicht genug, brüten Zwergpinguine in den Hügeln, durch die wir wandern. Sie sind die berühmtesten Bewohner von Phillip Island. In kleinen Erdhöhlen zwischen Moos und Stroh sind sie zu entdecken: Diese kleinste Pinguinart der Welt kommt gerade einmal auf 35 bis 40 Zentimeter und ein Kilogramm Gewicht. Ausgewachsen, wohlgemerkt. Einige der Frackträger, die aus ihren Verstecken watscheln, sind aber noch Jungtiere: noch kleiner, noch leichter und in flauschige braune Federn gehüllt. Wer gerade in der Pinguinpubertät steckt, läuft völlig verzottelt herum. Halb schon im Frack, halb noch im Babyflausch gibt man natürlich eine unglückliche Figur ab. Wer jedoch dieses lästige Stadium schon hinter sich gelassen hat, präsentiert stolz den nigelnagelneuen Smoking mit dem glänzend weißen Latz. Ab jetzt heißt es aufpassen bei der abendlichen Fütterung, Fischflecken gehen bestimmt schlecht raus…
Wo so putzige Insulaner aus der Nähe zu sehen sind, sind die Touristenmengen nicht fern. Unweit vom Point Grant liegt das Besucherzentrum mit Café, Souvenirshop und allen Schikanen. Hier muss durch, wer die allabendliche Pinguinparade erleben möchte. Wir wollen.
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Denn dann kehren die Tiere vom Fischfang zurück und tapsen zu ihren Schlafhöhlen auf der Insel. Dabei überqueren sie auch den Strand, an dem wir auf sie warten. Zwei große Tribünen sind dafür aufgebaut, aber wir setzen uns davor in den Sand. Hier wird es beim Warten zwar tatsächlich etwas kühl, aber dafür sitzen wir in der ersten Reihe. Und schon bald kommen ein paar kleine Pinguine angesurft. Sie lassen sich von den Wellen an den Strand spülen, watscheln flügelwackelnd ein paar Schritte vor und können sich dann doch nicht so recht entscheiden, ob sie ins Landesinnere wollen oder lieber noch einmal zurück ins Wasser. Sie bleiben stehen, drehen um, lassen sich von der nächsten auslaufenden Welle von den kurzen Beinen hauen und werden ein paar Meter zurück ins Meer getragen, nur um dann erneut gen Strand zu surfen. Sieht aus, als ob es ihnen Spaß macht. Vielleicht irritieren sie auch die Scheinwerfer, die diesen Strandabschnitt beleuchten und die unangemessen lauten Begeisterungsausrufe vieler Besucher. Obwohl es ziemlich strikte Regeln hier gibt – keine Fotos, nicht herumlaufen, lärmen oder Tiere anfassen – hält sich höchstens die Hälfte der Besucher daran. Schade, das haben die Winzlinge nicht verdient. Doch zum Glück lassen sie sich nicht beirren und finden doch noch ihren Weg zum Nest. Viele wollen heute allerdings nicht an unserem Strandabschnitt an Land gehen, statt erhoffter Hundertscharen defiliert nur ein Dutzend an uns vorbei, die jedoch direkt vor unseren Füßen. Den Rückweg treten Mensch und Pinguin dann gemeinsam an. Als wir über Holzstege Richtung Ausgang schlendern, tapsen sie links und rechts von uns einher, lauter Pinguine im eifrig watschelnden Gänsemarsch. Am Parkplatz dann ein letzter Gruß: Ein Warnschild bittet Besucher, vor Abfahrt zu kontrollieren, dass kein befrackter Heimkehrer eine Verschnaufpause ausgerechnet unter dem Auto eingelegt hat. Ich kontrolliere, kann Entwarnung geben und gegen 23 Uhr verlassen Martin und ich die Insel.
Der Rückweg nach Melbourne wird uns lang, aber nicht langweilig. Erst sorgt ein Betrunkener für Unruhe, der auf dem unbeleuchteten Seitenstreifen seinen wirren Verfolgungsphantasien nachhängt. Dann ist auch noch unsere Straße komplett gesperrt. Ob ein Brand in dieser Gegend Schuld ist, über den ich später lese? Der Polizist befiehlt einen U-Turn, den unser halsstarriges Navi erst nach geschlagenen 10 Kilometern akzeptiert. Also greife ich mir den altbewährten Straßenatlas und versuche müde eine Ersatzstrecke zu finden. Dazu müsste ich nur erst einmal wissen, wo wir überhaupt sind. Während Martin die Umgebung nach einem Straßenschild absucht, blättere ich Doppelseite um Doppelseite um, durch die maximal drei Straßen führen. Ansonsten scheint es zwischen Koo Wee Rup und Pakenham absolut nichts zu geben, die Karten sind einfach nur gelb. Jetzt aber, gefunden! Der Rest ist einfach.
Nachts um halb zwei erwartet uns im Hostel dann doch noch eine böse Überraschung. Unsere Buchung ist verloren gegangen. Nach langem Hin und Her teilen Martin und ich uns ein Bett in einem 6-Bett-Zimmer; müde wie wir sind, reicht uns das schmale Einzelbett zum Schlafen.
Tag 3, Sonntag 08.02.2009
Von hinterhältigen Korallen und tödlichen Steinen
Viel zu früh müssen wir raus aus den Federn, um in der Innenstadt den Mietwagen wieder abzugeben. Danach gönnen wir uns erst einmal einen riesigen Kaffee, denn so richtig fit sind wir nicht heute Morgen. So ein Monat unterwegs, mit seinen vielen Ortswechseln und unzähligen Eindrücken und Bildern, ist durchaus auch anstrengend, merken wir. Deshalb wollen wir uns heute eigentlich einen Strandtag gönnen in unserem Stadtteil St. Kilda, aber der graue Himmel vereitelt unsere Pläne. Stattdessen besuchen wir das Aquarium der Stadt und kaum sind wir drinnen, sind wir auch wieder hochmotiviert und entdeckungsfreudig. Zumal wir von einer Gruppe feierlicher Königspinguine empfangen werden, die in der Antarktisausstellung des Museums gastieren. Unbeholfen wackeln sie über die gut gekühlte Schneelandschaft, die man für sie geschaffen hat. Aber wenn man keine Beine, sondern nur kurze Plattfüße hat, fällt das Gehen halt nicht leicht. Im Pool nebenan sieht das gleich viel gekonnter aus. Obwohl ihre Körper an dickbauchige Weinflaschen erinnern, schießen die Pinguine mühelos durch das Wasser.
Spannend ist auch die Abteilung der Tarnfische. Manchmal dauert es minutenlang, bis wir einen kindskopfgroßen Fisch in einem kleinen Aquarium entdeckt haben; sie verschmelzen perfekt mit ihrer Umgebung und liegen doch direkt vor unserer Nase. Der Quastenanglerfisch sieht wie von Seegras und Korallen bewachsen aus, seitlich hängt er mit seinem hellen Bauch an der Scheibe. Irgendwo in dem vermeintlichen Gestrüpp verbergen sich Augen, Flossen und die Angel, mit der der Räuber seine Beute anlockt. Der Anglerfisch beobachtet sein Opfer, lockt es dann durch Bewegen seiner Angel an und reißt im letzten Moment sein riesiges Maul auf, so dass sein Opfer mit dem Wassersog hinein gezogen wird. Wie fies. Noch perfekter scheint uns aber die Tarnung des Steinfisches. Ich stehe davor und kann mich zunächst nicht entscheiden, welcher der Steine denn nun ein Fisch sein soll. Plötzlich sehe ich überall Augen. Dabei wäre es überaus vorteilhaft, ihn in freier Wildbahn rechtzeitig zu erkennen. Denn der Steinfisch besitzt auf seinem Rücken 13 Giftstachel. Wenn man Pech hat und aus Versehen auf ihn tritt, bohren sie sich sogar durch Schwimmschuhe und setzen ihr Gift frei. Das ist äußerst schmerzhaft und kann tödlich enden. Dabei sehen die gedrungenen Fische mit dem dümmlichen Gesichtsausdruck gar nicht so unsympathisch aus. Da ist der im Hintergrund dümpelnde gestreifte Rotfeuerfisch doch ehrlicher: Wer sich an seine weit aufgestellten 13 Giftstachel heranwagt, ist selbst Schuld.
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Weiter geht es mit riesigen Schalentieren, mit Seepferdchen und bunten Korallenfischen. In einem zylinderförmigen Aquarium beschreibt ein eleganter Zebrahai einen steten Rundkurs. Er wird auch Leopardenhai genannt, was viel treffender ist, denn nur die Jungtiere weisen Streifen auf, die ausgewachsenen Tiere sind wie unser Exemplar gefleckt. Er teilt sich das Revier mit unzähligen bunten Fischen und einer hässlichen Moräne, die am liebsten aus einer abgestorbenen Riesenmuschel hervorlugt. Darüber hinaus verfügt auch das Melbourner Aquarium über ein großes Haibecken mit Sandtigerhaien, Riesenrochen und Meeresschildkröten, aber auch hier verzichten wir vorerst auf den teuren Badespaß.
Auf dem Rückweg in unser Hostel durchqueren wir das St. Kilda Festival. Auf den Straßen herrscht ein ganz schönes Treiben, obwohl nur wenige Stände und Attraktionen zum Verweilen einladen. Da kochen wir uns lieber in Ruhe eine große Portion Pasta in Käse-Sahne-Sauce und besuchen noch die Bar, die praktischer Weise direkt im Hostel ist. Als Entschuldigung für die verpatzte Reservierung haben wir nämlich eine ganze Handvoll Getränkegutscheine bekommen, die wollen ja noch eingelöst werden.
Tag 32, Montag 09.02.2009
Von Abschied, Känguruhoden und einem Sektpicknick
Ausschlafen! Erst um 9.30 Uhr kriechen wir aus den Federn und müssen prompt auf einen Platz im überfüllten Galleon warten. Aber das ist es uns wert, nicht nur weil heute unser vorletzter Tag down under ist und wir zum letzten Mal in dieses Café kommen. Wie immer genießen wir ein hervorragendes Frühstück in einer Atmosphäre, die nicht entspannter und familiärer sein könnte. Das Galleon würden wir zu gerne einpacken und mit nach Deutschland nehmen.
Stattdessen machen wir uns in der Innenstadt auf die Suche nach handlicheren Mitbringseln. Souvenirläden gibt es hier genug; Martins Durchhaltevermögen ist bald erschöpft, während ich noch zwischen Plüschkoala, Eukalyptusöl und Weinhalter schwanke. Ach was, am besten nehmen wir alle drei. Und einen Plüsch-Kookaburra obendrauf, der bei sanftem Druck in die Magengegend in sein ansteckendes Gelächter ausbricht. Mit seiner guten Laune auf Knopfdruck soll er in Hamburg über die Australien-Sehnsucht hinwegtrösten.
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Von zweifelhaftem Humor zeugen hingegen der langstielige Rückenkratzer mit Kängurukralle und der Flaschenöffner, dessen Griff aus dem Geschlechtsteil des armen Wappentiers geformt ist. Diese grotesken Andenken bleiben hier, das geht zu weit.
An unserem letzten Nachmittag zieht es uns noch einmal in den botanischen Garten, der uns schon bei unserer Ankunft in Melbourne so gut gefallen hat. Ausgerüstet mit Sekt, Donuts und Weintrauben versüßen wir uns den Abschied. Aber nach so viel Zucker muss es am Abend etwas Deftiges sein. In einem kleinen Restaurant in St. Kilda gibt es Seafood-Tortellini und Lasagne. Danach wollen wir eigentlich schlafen. Aber die drei Engländer auf unserem Zimmer bringen doch tatsächlich Damenbesuch mit, was für reichlich Gelächter und wenig Schlaf sorgt.
Tag 33 und 34, Dienstag und Mittwoch 10.-11.02.2009
Von letzten Austern, durchgelaufenen Schuhen und rettenden Botanikkenntnissen
Ein komisches Gefühl ist es schon: Wir packen zum letzten Mal unsere Rucksäcke und checken aus. Zum Glück haben wir noch Zeit, bis der Flieger geht, und die wollen wir nicht untätig verstreichen lassen. Also fahren wir mit der Tram zum Queen Victoria Market. Der Wochen-, Spezialitäten- und Souvenirmarkt ist in großen Hallen untergebracht und lädt ein, überall zu probieren und zu verweilen. An einem der vielen Obst- und Gemüsestände kaufen wir ein Schälchen Erdbeeren und wandern naschend weiter. Martin lässt es sich nicht nehmen, eine Auster zu schlabbern; ein Vergnügen, auf das ich dankend verzichte. Krebse, Garnelen, Muscheln und Fische sind auf ihrem Eisbett netter anzusehen als die Filetstücke der Fleischabteilung nebenan. Hier interessieren uns nur die Hartwürste, die kommen mit. Zusammen mit frischem Brot, feinstem Kochschinken, Paprikacreme und ein paar Aprikosen sind sie spätes Frühstück und Mittagsimbiss in einem und werden auf einer sonnigen Bank hinter den Markthallen verzehrt.
Zurück im Hostel schultern wir nur noch das Gepäck, dann fahren wir mit Tram und Shuttlebus zum Flughafen. Vor dem Check-In entsorgen wir noch zwei Paar durchgelaufene Schuhe, denen vier tolle Wochen Australien den Rest gegeben haben. Am frühen Abend hebt unser Flieger schließlich ab. Zwischenstopp ist diesmal Singapur, auch hier erfolgt eine gründliche Kontrolle unseres Handgepäcks. Mein Eukalyptusöl – natürlich weniger als 100 Milliliter – wird ausgiebig beschnuppert.
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Noch mehr Interesse erregt aber der faustgroße Pinienzapfen in Martins Rucksack. Wir haben ihn im Albert Park in Melbourne gefunden und er soll unsere Hamburger Fensterbank zieren. Mit spitzen Fingern hält der Flughafenangestellte das Objekt seines Misstrauens in die Höhe und fragt angespannt, worum es sich hierbei handelt. „Wenn man eine der verholzten Zapfenschuppen herauszieht, fliegt hier alles in die Luft“ – zum Glück kann Martin dem Wunsch widerstehen, eine solche Antwort zu geben. Wir haben keine Lust auf singapurisches Gefängnis und bemühen daher eilig unsere kargen Kenntnisse in Nadelholz-Botanik. Offensichtlich reicht das als Erklärung, wir dürfen passieren und das corpus delicti dürfen wir auch wieder einstecken. Da sind wir der Haft wegen legalen Zapfenbesitzes gerade noch einmal entgangen!
Einen langen, anstrengenden Flug später erreichen wir frühmorgens den Frankfurter Flughafen. Mit dem Zug fahren wir weiter nach Hamburg. Nicht gerade begeistert stellen wir uns hier von Rekordhitze auf acht Grad und Nieselregen um. Nach vier Wochen Australien-Abenteuer ist unsere Reise zu Ende.
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Einerseits war die Zeit viel zu kurz, andererseits haben wir so viel gesehen und erlebt, dass es uns viel länger vorkommt. Die schönsten Landschaften und spannendsten Tiere haben wir gesehen, nette Leute getroffen und unendlich viele Eindrücke gesammelt. Australiens grüner Osten hat uns begeistert. Aber nächstes Mal ist dann der rote Teil des Kontinents dran. Denn schon jetzt steht fest: Wir kommen wieder.
Mariell und Martin
26 Stunden Flug (gefühlt doppelt so viel) liegen hinter uns, als wir gegen 23 Uhr Ortszeit aus dem Flugzeug wanken. Während wir auf unser Gepäck warten, kontrolliert die australische Einfuhrbehörde, vertreten durch einen emsig schnüffelnden Beagle, unser Handgepäck auf verbotene Lebensmittel. Dass Martin in seinem Rucksack vor kurzem noch mehrere Bananen transportiert hat, lässt der gestrenge Staatsdiener nach kurzem Anschlagen noch einmal durchgehen. Glück gehabt. Doch während wir diese Hürde problemlos nehmen, dringt via Lautsprecher eine beunruhigende Durchsage in unser müdes Bewusstsein: In London sei Gepäck vertauscht worden, betroffene Fluggäste möchten sich umgehend am Schalter melden… Pech gehabt: Unsere Reiserucksäcke sind sonst wo gelandet, nur nicht in Australien. Aber man versichert uns freundlich, dass das fehlende Gepäck bis zum Mittag des nächsten Tages in unser Hostel nachgeliefert würde, no worries. Super, denken wir noch, dann müssen wir es nicht selbst dort hintragen, und machen uns auf den Weg. Mit Flughafenbus und Tram finden wir in den Stadtteil St. Kilda. Und schon auf unserem ersten Weg auf australischem Boden bestätigt sich uns die oft zitierte Hilfsbereitschaft der Australier; gleich zu mehreren beraten sie sich, wo wir wohl am besten aussteigen sollten, um zu unserem Ziel zu gelangen. Schließlich steigen wir gemeinsam mit einem jungen Mann aus, der es sich nicht nehmen lässt, mit uns auch noch einen geöffneten Supermarkt zu suchen. Denn gerne würden wir uns nach dem langen Flug zumindest das Nötigste – Shampoo, etwas frische Wäsche - kaufen. Aber vergebens, es ist mittlerweile nach Mitternacht und kein Supermarkt hat mehr geöffnet. Angekommen im Hostel beziehen wir unsere Etagenbetten im 6-Bett-Zimmer und schlafen übermüde ein.