Der Sonnenuntergang war längst vorüber als wir abgekämpft und erschöpft Battleship Spur erreichen. Selbst die Bierdosen sind viel zu warm, um überhaupt an ein Öffnen zu denken. Das in meinen Gedanken omnipräsente „Zisch“-Geräusch muss dem Geräusch eines zerplatzten Traums weichen. Mein Hemd ist nun völlig durchnässt und ich begehe den ersten großen Fehler. Ich tausche mein grünes, salziges T-Shirt gegen ein frisches, rotes. Dies klingt unspektakulär und nach einem derartigen Aufstieg durchaus angebracht. Dennoch sollte dieses Fehlverhalten nicht ohne Folgen bleiben. Mit dem letzten Restlicht des Tages errichten wir unser Lager. Eine auf die Schnelle improvisierte Konstruktion aus Schnüren und einer Zeltplane, soll uns zumindest den morgendlichen Tau vom Leib - besser gesagt vom Schlafsack - halten. Nach einer kleinen Mahlzeit liegen wir auch schon in unserem „Bett“. Mir tut alles weh. Ich spüre selbst Muskeln, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Diese typische (ausgelutschte) Phrase kommt mir sofort in den Sinn, obwohl ich ehrlich gesagt nur die Muskeln spüre, die ich auch vorher schon kannte. Trotz der kleinen Wehleiden fühlte ich mich selten besser. Der Stolz, den Berg bezwungen und meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben, hinterlässt ein schwierig in Worte zu fassendes, einmaliges Gefühl. Ich lasse den Aufstieg nochmals Revue passieren, als ich den Sternenhimmel durch die Öffnung unserer Zeltplane entdecke. Ich fühle mich an eine ironische Frage aus einem Reisebericht erinnert, den ich erst kürzlich gelesen hatte: „Für was brauche ich ein 5-Sterne-Hotel, wenn ich hier draußen tausende Sterne habe?“ Um nichts in der Welt würde ich meine momentane Situation eintauschen wollen.

{{g_ads}}

Der Wecker am nächsten Tag ist völlig überflüssig, denn der verpasste Sonnenuntergang entfachte in uns eine besondere Vorfreude auf den zu erwarteten Sonnenaufgang. Schon um halb fünf sind wir beide wach und blicken verschlafen in die neblige Landschaft. Der graue Schleier senkt sich bis knapp unter unser einzigartiges Aussichtsplateau. In Schlafsäcken verhüllt lassen wir unsere Blicke in die Ferne schweifen. Weitere Gipfel tauchen nun aus dem Wolkenmeer auf. Auch die Sonne lässt nicht mehr lange auf sich warten und blinzelt schließlich hinter den Wolken hervor. Der Carnarvon Nationalpark wird in ein warmes, rötliches Licht getaucht. Gleichzeitig erwacht auch die Tierwelt wieder zum Leben. Ein wirklich einmaliger Augenblick. Spätestens jetzt war die anfängliche Skepsis, ob sich die 1000 km Fahrt von der Ostküste lohnen würden, verflogen. Leider kriecht nun der Nebel wieder aus dem Tal empor und versperrt uns die Sicht. Diese ungewollte Zwischenzeit nutzen wir und tragen uns stolz in das Gipfelbuch ein. Die Ernüchterung folgt zugleich: Zwei 63-jährige australische Großmütter waren bei dem Tagesmarsch auf den Gipfel nur unwesentlich langsamer als wir. Wir schoben dies natürlich schnell auf unseren unabsichtlichen Umweg und die deutlich wärmeren Temperaturen und genossen schnell wieder den atemberaubenden Blick über die Schlucht. Ich bin gerade erneut mit dem Filmen beschäftigt, als mir zwei Keilschwanzadler vor die Linse fliegen. Einfach nur majestätisch, wie sich die beiden Vögel spielend leicht in die Lüfte „schrauben“ und schließlich mit einem Wahnsinns-Tempo in die Tiefe stürzen, nur um Sekunden später wieder mühelos nach oben zu gleiten. Wie gerne hätte ich gestern diese Fähigkeiten besessen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, lassen sich die beiden Adler nur knapp 50 Meter neben uns auf einem Baum nieder. Der größte Greifvogel Australiens nur wenige Meter neben mir. Ein wahrhaft großer Moment für mich, schließlich zählen Adler schon seit jeher zu meinen Lieblingstieren.