Die Gegend um Saugues herum ist meines Erachtens mehr von der legendären Wolfsbestie geprägt als vom gesegneten Pilgerweg. Es fehlte nur noch, dass einem die Reißzähne morgens vom Grund der leergetrunkenen Kaffeetasse entgegenblitzten. Das Konterfei des Wolfes ist überall zu finden, ob auf Speisekarten, auf Wappen oder als Denkmal. Zunehmend frage ich mich, wie sich die Gegend hier mit ihren Insignien jahrhundertelang über so einen Massenmord definieren konnte. Die Lüge vom Wolf ist vermutlich so gigantisch unüberwindlich, dass sie über alle Generationen hinweg getragen worden ist und bleibt. Da war es natürlich ein wenig belustigend, dass unser Gîte Nachbar, ein Marathonläufer aus dem Elsass, der in Strassburg losgegangen ist, der 30 km Etappen macht, hier in Saugues pausieren muss, weil seine Oberschenkel wund gerieben sind. Ich kenne dieses Phänomen auch unter dem Namen "Wolf".
 
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Aber genug davon, wenden wir uns anderen Wehwehchen zu. Meine Allergie ist etwas besser geworden, Blasen gibt es immer noch keine, dafür bin ich bei einem Abstieg einmal ziemlich plötzlich und trotz Wanderstöcken zu Boden gegangen. War aber nix schlimmes, ich konnte direkt weitergehen.
 
 4. Etappe
Saugues nach St. Roche de Lajo 
Donnerstag, 8. Juli. 2004 
 
Heute Morgen wollten wir 'unterwegs' was zum Frühstück einkaufen. Eine Frau, die gerade mit ihrem schwarzen Hund im Garten Salat erntete, sah uns erstaunt an, "nein, bis St. Alban gibt es kein Geschäft mehr". Oups. Da kommen wir erst morgen hin.
 
Als wir kurz nach 16 Uhr hier in die Gîte-Ferme in St. Roche de Lajo einfielen, waren wir restlos alle.
"Vous êtes Mme Astruc?"
"Oui."
"Bon."
Ihr nach, die Treppe nach oben, ins geräumige Zimmer, ins Bett und Totenstille. Eine ¾ Stunde regte sich keine mehr von uns. Ich lag einfach nur da und freute mich, genau dort zu sein. Für die Gastgeberin und die anderen Gäste, die bei unserer Ankunft unten in der "guten Stube" gesessen hatten, war der Vorgang sicherlich ein wenig befremdlich gewesen, aber es ging gar nichts mehr.
 
Was war passiert? Nach unserer Mittagsrast in dem Weiler Chanaleilles fanden wir nicht mehr auf den Wanderweg, den GR65 zurück, sondern liefen immer weiter den Berg hinauf bis wir kurz vor Le Crouzet waren. Zurückgehen zieht sich doppelt! Dem Templerbrunnen am Weg warfen wir lediglich einen müden Blick zu, die Chapelle St. Roche steuerten wir nur auf ein Schwätzchen mit zwei Frauen an, die zu den Leuten gehören, die wir täglich mindestens einmal auf dem Weg oder am Zielort treffen. Sie hatten bereits Zweifel, ob sie es bis Conques schaffen würden. Auch wir wollten nur noch in St. Roche ankommen. Das Wetter, speziell der pausenlos blasende Wind hatten uns ganz schön zugesetzt. Ohne es zu merken, kühlten wir aus. Als wir ankamen, glühten meine Hände, als käme ich gerade aus dem Tiefschnee. Ich war völlig durchgefroren.