Halb Neun ist keine Zeit zum Schlafengehen. Nun, mir ist's egal. Ich werde dieses Bett nicht mehr loslassen bis morgen früh. Der Pariser Richter, den wir vorhin kennen lernten, der in einer munteren 4er Gruppe unterwegs ist, schwärmte von der großartigen Kuh- und Pferdeweide am Ende des Dorfes, bedauerte aber, dass es sich hierbei um den einzigen kulturellen Höhepunkt in La Roche handele. Ich verpasse also nix außer Hundewettbellen und Windgeheule in Es-Dur.
5. Etappe
St. Roche de Lajo nach Aumant-Aubrac
Freitag, 9. Juli 2004
12.45 Uhr
Nach einem Regenguss machen wir Mittagspause auf einer mit Färberginster, Pinien und Grasnelken bewachsenen Hangweide hinter Estret, einem hübschen Örtchen auf der ansonsten wenig aufregenden Strecke. Hier ist alles umzäunt, sogar der Wald. Man muss sich irgendwo reinschaffen, anders hat man keine Chance. Tiefflieger sind unterwegs und donnern im Himmel rum. Ansonsten ist es sehr friedlich.
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Aufbruch heute Morgen war um 8.30 Uhr, bei ebenso vielen Temperaturgraden. Eiskalt, ich musste die Jacke anziehen. So oder so hätte ich mich bedecken müssen, da meine freien Hautstellen doch ziemlich angesengt sind. Die berüchtigte diffuse Sonneneinstrahlung hat mir trotz Wind und Kälte einen ordentlichen Sonnenbrand beschert.
21 Uhr
Heute sind wir einem Pilger begegnet, der in Genf aufgebrochen ist und den ganzen Weg bis nach Santiago di Compostella gehen will. Wir trafen ihn zu einem entspannten Plausch im Wald. Ein ander Mal stand plötzlich eine Schar Jungvolk auf dem Weg vor einem Kreuz und betete. Alle in Pfadfinderuniform und mit erhobenem rotem Kreuz auf schwarz-weißer Flagge. Das war ein wenig befremdlich. Ansonsten geht es auf dem Weg recht familiär zu. Es sind etwa 20-25 Leute, die wir täglich treffen, tagsüber auf der Strecke, abends am Zielort: Paris, Metz, Lille, Nevers, und, und. Heute waren da noch die drei Schweden, die wir zuvor sprachlich zwischen Liverpool und Bretagne eingeordnet hatten. Es ist bunt gemischt, auch vom Alter her. Nur Deutsche haben wir bisher noch überhaupt keine getroffen.
6. Etappe
Aumant-Aubrac nach Nasbinal
Samstag, 10. Juli 2004
Heute Morgen brachen wir gegen 8.45 Uhr in Aumont auf, nach sternklarer Nacht. Unter unserem Fenster hatte ein Brunnen geplätschert, wie bereits in der Nacht zuvor in La Roche. Wie es hier im Übrigen überall Brunnen und Quellen gibt, fast immer sind es entspringende Oberflächenwasser. Eingefleischte Murakami Fans kämen also nicht auf ihre Kosten.
Die Temperaturen sind immer noch bestenfalls frühlingshaft. In Chaze de Peyre, wo die Kirche beheizt war, hing ein Thermometer an einer von Rosen umwachsenen Gartenmauer,
10,5 °C, vormittags um 10 vor 10. Und das bei vollem Sonnenschein!