In Verrières sprach uns eine alte Bäuerin an, die vor dem Hof zugange war. Woher, wohin?
"Conques?! Pah."
Keiner aus der Umgebung sei je in Conques gewesen. Auch sie nicht.
"Die Leute sind in Australien, Kanada und sonst wo gewesen, aber nicht in Conques." Sie schien stolz ob dieses Tatbestandes.
Wir waren verdutzt.
 
Der Weg nach Estaing wiegt den Wanderer in Sicherheit. Dahinter aber geht es ab, auf und ab, um genau zu sein. Die beiden Österreicher, die wir trafen, kommen aus Linz und wollen bis St. Jean Pieds de Port. Die sind eine andere Liga, echt fit. Sie eilten voraus.
 
Hier in Golinhac ist übrigens wieder Gîte Communale auf dem Campingplatz angesagt. Das Örtchen ist winzig, aber der Platz gut organisiert. Wir buchten Halbpension, da es eh nur ein Restaurant gibt. Wenn es ein wenig wärmer wäre, hätte man in den Swimmingpool springen können. Aber heute wäre das echt verwegen gewesen, obwohl das Wetter besser wird. Eindeutig besser wird.
 
{{g_ads}}
 
10. Etappe
Golhinac nach Conques 
Mittwoch, 14. Juli 2004 – Französischer Nationalfeiertag 
 
11.45 Uhr, Sénergues
Das Dorf tritt soeben am Kirchplatz zusammen. Die Fahnenträger, zwei ältere Herren, stehen neben mir und richten die Tricolore auf. Aha, nun gehen sie gesammelt zum Gefallenendenkmal, mit Blumen. Die Kriege gegen Deutschland, die toten Kinder des Ortes. Keine Kapelle, nur Schweigen. Einer, der einen Kranz in Händen hält, sagt etwas und legt ihn nieder. Der Bürgermeister, nehme ich an.
 
"Vive la République, vive la France." Alle stimmen ein.
 
Die Rede von Neuanfang, Einigkeit und Europa ist beendet, jetzt singen alle die Marseillaise. Und nun wird zu einem Aperitif hinter der Kirche geladen, dort, wo dieser unglaublich baufällig wirkende Turm steht. Man marschiert entschlossen los, zwei unserer Mitwanderer spurten hinterher. Alle sind eingeladen.
 
Heute endlich - Feiertagswetter! Der ersehnte Sonnenschein. Blauer Himmel und warm. Dafür sehr viel Landstraße auf der Strecke. Unterwegs trafen wir auf den Mann aus La Rochelle, der mit seiner Frau heute Nacht unser Zimmer teilte und mit denen wir gestern Abend gemeinsam essen waren. Er musste ein Stück per Anhalter fahren, weil das Knie bei dem steilen Abstieg nicht mehr mitmachte.
 
18 Uhr, Conques (gesprochen: Kongk)
Wie prima. Es gibt extra ein Spektakel für uns. Erst ein mittelalterliches Pilgerspiel vor, dann Orgelmusik in der Abbaye.
 
Die Kirche ist von echten Meistern der Zunft erbaut. Geniale architektonische Aufteilung, mit jedem Schritt ändern sich Räume und Perspektiven. Die Fenster sind mit weißem Glas gefasst, das macht das Licht im Dom hell und himmlisch luzid. Überall gibt es Figuren, die dem Stein entmeißelt wurden und reich verzierte Kapitelle.
 
Unser Zimmer liegt genau gegenüber der Apsis, so dass wir eine wunderbare Sicht auf die Ansammlung leerer Sarkophage haben, die dort abgestellt sind und auf den Innenhof mit dem kreisrunden, siedend heißen Kupferbrunnen mit Münzsammlung am Grund.
 
Die Leute in der Abtei sind außerordentlich freundlich, ihre Einladung zum gemeinsamen Abendessen mussten wir dennoch ausschlagen. Wir wollten noch etwas von dem Ort sehen, der sich unabsehbar die Steilhänge hinunterzieht. Es ist so schön hier, wie überhaupt die Landschaft unterwegs ein einziges, schier unentdecktes Kleinod war.
 
Ankommen ist schon etwas Feines. Ziel- und Startpunkt in einem. Wir werden uns nachher noch in die Kirche begeben, um dort mit den anderen Pilgern / Wanderern zusammen den Abend ausklingen zu lassen. Morgen dann begeben sich alle wieder auf ihre ganz eigenen Etappen auf dem Weg. Unsere heißt dann zurück und 'A bientôt!'
 

Lesen Sie auch folgenden Frankreich-Reisebericht:

Urlaub im Herzen Europas – in Straßburg