Eine Trekkingtour zwischen Natur, Wildnis und Zeitvergessenheit (2010)

Wildnis ist anderswo -  in Afrika meinetwegen, oder in der klebrig exotischen Schwüle des südamerikanischen Regenwaldes, oder in den melancholisch öden Weiten der sibirischen Tundra. Das dachte ich zumindest, dachte nicht im Traum daran, in Schottland, einem gut vermarkteten, oft bebilderten, oft verfilmten Lieblingsland vieler Europäer einer Wildheit gegenüberzustehen, die mich weit hinter meinem Alltag zurückfallen lässt. Doch genau das geschah, als ich mich zu einem organisierten Trekking vom Loch Ness quer durch die Westhighlands zum Atlantik aufmachte: ein neues, durch und durch sensibilisiertes Natur- und Zeitempfinden trennte mich von meinem Alltag und der Zivilisation ab. So wie man sich beim Frisör von seinen Haaren trennt und der plötzlich kahlrasierte Kopf einen Windhauch, Kälte, Hitze und ein Streicheln völlig neu und anders empfindet.

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Unsere Tour beginnt in Drumnadrochit, dem Brückenbuckel, wie es im Gälischen, der Ursprache der Schotten heisst. Hier, in der einzigen Siedlung am Westufer des illustren Loch Ness erwartet man eigentlich die üblichen, träge durch die Souvenierstände schlappenden Touristen. Ein paar Souvenierläden und eine Monsterausstellung gibt es zwar, den Überlauf der Massen hat man hier aber noch nicht gesehen. Es ist Mitte September, aus einigen Schornsteinen kräuselt bereits der Rauch, dessen Würze mich an böhmische Dörfer erinnert, etwas frühreifes Laub rollt über die Strasse, das Dorf wirkt ruhig, ohne verbittert und leblos zu sein.