Am vierten Tag setzen wir mit einem Boot über das Loch Hourn auf die entlegene Halbinsel Knoydart, die bis heute noch nicht ans Straßennetz angeschlossen ist. Knoydart ist eine der unberührtesten Ecken im Westen des Landes und wird oft als die „letzte Wildnis Schottlands“ umschrieben. Eingezwängt zwischen den Meeresfjorden Loch Nevis und Loch Hourn soll die Halbinsel laut gälischen Mythologie sprichwörtlich zwischen Himmel und Hölle liegen. Von der malerischen Bucht Barisday wandern wir wegelos über den Pass Mam Barisdale ins „Tal des schwarzen Sees“ zu Knoydarts einziger Siedlung Inverie. Die nur 8km lange Strasse des Ortes verbindet ein paar zerstreute, weissgetynchte Steinhäuser. Gerade legt das Fährboot von Bruce Watt an. Der ganze Ort scheint zusammenzutreffen, denn das Boot bringt nicht nur Post und Zeitungen, sondern auch die Einkäufe und den neuesten Klatsch an Land. Später zieht die Meute ins Old Forge, laut Guiness Buch der Rekorde der abgelegenste Pub des britischen Festlandes. Man feiert und trinkt hier gerne und fährt in finsteren Nächten auch schon mal das Auto ins Meer. Die offizielle Speerstunde von Alkohol hat hier noch nie jemanden interessiert.
Zwischen Ale und Langustinen und lauter Fiddel-Musik löste sich die Zeit auf. Den Wochentag habe ich schon vor zwei Tagen vergessen. Ich laufe einem Drang nach Einsamkeit folgend in der Dämmerung zum Pier. Es riecht nach Salz und mordrigem Tang. Zwei Möven schaukeln teilnahmslos im brackigen Wasser. Der Atlantik schmatzt an den Booten, und nur weit draussen, ausserhalb der Bucht kann man die Schaumkämme der Wellen und die Gewalt des Meeres erahnen. Dahinter ragen die alpinen Cullin Hills der Insel Skye als unverrückbare Giganten auf. Ich stehe, hocke, sitze für wer weiss wie lange und lausche in die Landschaft und in mich hinein.