Streicheleinheiten vom Häuptling
Direkt am Lagerplatz beginnt der steilste Streckenabschnitt. Fünf, sechs Schritte, dann wieder eine Pause. Kelly versucht, Tempo zu machen, doch wir sind klüger geworden, lassen uns Zeit. Handtellergroße Schmetterlinge flattern um uns herum. Die Menschen, die in dieser Gegend wohnen, leben von ihren Gärten, winzige Parzellen, die sie dem Busch abgetrotzt haben. Für ein paar Süßkartoffeln, ein bisschen Yams, Taro und Bananen. 

Der dritte Tag bringt neben den Schmerzen in Beinen und Schultern ein weiteres Problem: Blasen! Da wir ständig Bäche und Flüsse durchquert haben, sind unsere Socken und Schuhe fast die ganze Zeit feucht. Teilweise ist die Haut so aufgeweicht, dass sie in Fetzen abgefallen ist. Jeder Tritt schmerzt. Wir sind froh, als wir am Nachmittag unser nächstes Nachtquartier erreichen. Eine einfache Hütte auf Stelzen. Daneben liegen die Reste von einem Flugzeugwrack. Ist eben eine gefährliche Gegend für Mensch und Maschine. Uns braucht das keiner mehr zu erklären. Schnell streichelt die Hand über meine Oberschenkelinnenseite. Ich zucke zusammen, doch der alte Mann, dem die Hand gehört, lächelt nur. Mit Zahnlücken und strahlenden Augen. Mir ist irgendwie mulmig, schließlich steht mir der Dorfchef gegenüber. Zuvor haben wir uns artig die Hand gegeben und jetzt das. Doch das Streicheln des Oberschenkels gilt in Papua als eine herzliche Geste für besondere Gäste.

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Ungewohnt ist es trotzdem und ich kann mich auch nicht dazu durchringen, seine Oberschenkelinnenseite zu streicheln bzw. weiß gar nicht, ob das jetzt erwünscht wäre. Henry ist zu unserer Gästehütte herübergekommen. Als Häuptling gilt sein Interesse dem großen Ganzen. Was machen wir mit einem Dieb in unserem Dorf, will er wissen. Wie bauen wir Straßen und was pflanzen wir in unseren Gärten? Stolz reicht er uns eine Schüssel mit Süßkartoffeln und Mandarinen. Das seien seine, berichtet Henry, und die seien die besten im ganzen Dorf. Wir essen artig und erzählen aus unserem Dorf Köln. Henry ist begeistert und erklärt stolz, dass aus der ganzen Welt Menschen zu ihm kämen. Aus Australien, Neuseeland und Deutschland. Wanderer auf dem Kokoda-Trail, dem National Walking Track. Als sich Henry verabschiedet, kommt ein anderer Dorfbewohner in unsere Hütte. Er hätte hier ein paar Süßkartoffeln und Mandarinen, die seien von ihm und übrigens die besten in dieser Gegend. Wir probieren auch diese.