Von den Straßen herauf hört man die Stimmen. Hier hat noch niemand Ruhe, obwohl es fast dunkel ist. Le pétit soir nennt Manu diese Tageszeit und die sollte man mit einem Tee genießen, sagt er.
Abanna heißt schluss jetzt und Feierabend und doni doni mahnt zur Ruhe und Bedächtigkeit. Eine Tugend, die man zur Zeremonie des Thé vert unbedingt braucht.
Ein Holzkohlefeuer wird in einer Schale entfacht, ein Paket Tee und 5 Becher Wasser in der Teekanne zum kochen bringen, dazu einen Becher Zucker. Dann wird der Aufguss in den Becher geschüttet und wieder zurück in die Kanne, sicher zehn mal oder mehr, jedenfalls solange, bis der Tee im Becher schäumt. Manu beherrscht diese Kunst perfekt. Am Ende gibt er noch Vanillezucker hinzu. Dann ist der erste Tee fertig, und die erste Runde wird ausgeschenkt. Später wird die Prozedur mit kleinen Abweichungen wiederholt, dann gibt es einen zweiten Tee und einen dritten.
 
{{g_ads}}
 
Diese Zeremonie ist den Menschen hier heilig. Manchmal erzählen sie, dass sie den zweiten Tee mit dem oder dem getrunken haben, oder dass sie sich zum dritten Tee mit diesem oder jenem getroffen haben.
Dabei gilt: der erste Tee ist bitter wie der Tod, der zweite doux comme la vie und der dritte sucrée comme l´amour.
 
Und während wir den ersten, den zweiten und den dritten Tee gemeinsam trinken, in der samtweichen Luft des Abends, unter Mond und Sternen wunderbar geborgen auf der kleinen Dachterrasse, erschließt sich auf intime Art das Wesen dieses Hauses. Man muss es begreifen, dieses und überhaupt die Häuser, muss ihnen zuhören, in ihnen schwirren überall Stimmen und Lachen, von unten klingen Gitarrenakkorde herauf, von oben kullert Gekicher die hohen Treppenstufen hinab. Man weiß nicht, wer eigentlich wo wohnt, wer hier zu Besuch ist, wer Nachbar ist, wer dauerhaft zu bleiben beabsichtigt. Ein ständiges Kommen und Gehen summt durch das Haus, jemand bringt Obst, jemand tritt aus einer abseits liegenden Kammer, jemand schläft auf der Couch, dem einzigen Möbel im einzigen Gesellschaftszimmer der Wohnung, die offenbar jeden Besucher aufnimmt, ihm Herberge bietet.