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Aber kaum haben sie begonnen, zu singen und mit ihren Klanghölzern im Takt zu schlagen, zeigen sie die Urtiefe ihrer Kraft, zeigen sie, was „Busch“ heißt. Und das mit Humor. Ein Lied handelt vom Affen. Ein Buschmann geht an einem Baum vorbei, auf dem ein Affe sitzt. „Oh, was tust Du denn da?“, fragt der Buschmann den Affen. „Na was Du tust“, antwortet der Affe. Und ein Hin und Her zwischen Affe und Buschmann entsteht. Ich kann die Melodien der Lieder kaum unterscheiden, aber der kraftvolle Gesang und das Trommeln geht unter die Haut. Mein Sohn als geborener Skeptiker kommentiert den Gesang freilich etwas anders: „Oh, ich kriege Kopfschmerzen!“, meint er, „soviel Lärm!“. In einem anderen Lied soll ein Mann zwei Frauen nehmen. „Ach, nein“, antwortet er, „eine ist mehr als genug!“, und alle Frauen gackern lachend wie die Hühner.
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Als Zustimmung klatschen die herbei gekommenen Buschmänner nicht, sondern steuern einen immer lauter werdenden und die Tonleiter nach oben kletternden Ton bei. Die Sprache der !Kung San ist so einmalig, dass man ihren Gesprächen stundenlang zuhören könnte. In einem Satz klickt, klackt und schnalzt es unzählige Male. Ich konzentriere all meine Sinne in den Ohren und stolpere von einem Klicklaut zum nächsten. Starre auf den Mund unseres Übersetzers, wenn er mit seiner Familie spricht, aber die Klicklaute entrutschen ihm so leicht, als wäre es versehentlich.
Nein, ich habe kein Volk der Jäger und Sammler kennen gelernt, das frei durch die Kalaharie zieht. Man kann darüber traurig sein, aber das, was als Inbegriff der Naturverbundenheit erscheint, ist letztlich nichts anderes als tagtäglicher Überlebenskampf, der nur für den faszinierend aussieht, der ihn selbst nicht führen muss. Man könnte auch wütend werden über all die Ungerechtigkeit, die das älteste Volk des südlichen Afrikas zunächst immer weiter in die Einsamkeit der Kalaharie drängte und ihm nun schrittweise selbst diese nimmt. Am Rande nagen die Farmen das Buschland an, und die vermuteten Diamanten wecken die Gier der Einflussreichen. Durchgerüttelt im Sieb der Zivilisationsmaschinerie fallen die San schlichtweg durch die Maschen, sie, die weder Viehzucht noch Ackerbau beherrschen, von den neumodischen Berufen einer Gesellschaft wie dem meinen mal ganz abgesehen. Aber ich habe letztlich keine „Looser“ kennengelernt, sondern ein Volk voller Würde und mit einem Konfliktminderungssystem, das ganz erstaunlich ist.