Das Teilen, das Feuer und das Singen haben sich erhalten, und auch gejagt und gesammelt wird noch. Als wir heute in der Morgendämmerung mit den Sans in den Busch zu unserer Wanderung aufbrechen, habe ich schon nach wenigen Minuten jedwede Orientierung verloren. Was sind wir Weiße nur blind und taub, denke ich mir. Die Sans könnten uns hier stehen lassen und ich würde den Schakal neben mir noch nicht einmal sehen. Selbst mein Geruchssinn scheint mir unterentwickelt, während der ältere San, seinen Bogen und den Pfeilköcher übergeworfen, immer mal die Nase in den Wind hebt, um aufmerksam die Düfte des Busches einzuatmen und (nach welchen Kriterien auch immer) in „gefährlich“ und „nicht gefährlich“ zu unterscheiden scheint. Die Büsche sind hoch, der Buschmann vor mir schlängelt sich lautlos hindurch, unklar, wonach er sich richtet. Dann zeigt er uns eine kleine Pflanze. Ein paar schnelle Handbewegungen: pflücken, teilen, glätten, drehen, und schon hat er einen schmalen Faden, aus dem er eine Schlinge formt. Wenige Minuten später ist die Falle fertig gebaut. Blitzschnell fängt sie meinen Finger, der vermutlich noch langsamer reagiert als die Springböcke, die ansonsten damit gefangen werden. Unsere Buschmänner zeigen uns auch den Busch, aus dem sie das Gift für ihre Pfeile gewinnen. Sie zeigen, wie man durch Holz auf Holz drehen in Sekundenschnelle Feuer machen kann, zeigen uns Sträucher, aus deren Blätter sie Medizin gegen Kopf- oder Kreuzschmerzen gewinnen, und Bäume, deren Früchte sie essen. Mag die Kalahari für uns unwirtlich erscheinen, für sie ist es ein Garten, der nur beerntet werden will. Für unseren kleinen Sohn F. ist das natürlich absolut reizvoll. „Papa“, fragt er T. nach unserer Buschtour, „gehst Du mit mir auf die Jagd?“ und deutet auf Pfeil und Bogen, den wir gerade von einem Buschmann namens Adriano erworben haben. (Adriano ist dabei garantiert wieder der Name für sprachlich minder bemittelte Weiße, die die !Kung-Laute nicht richtig artikulieren können.) „Naja“, muss dann mein Mann eingestehen, „Ich glaube, bei uns sind die Tiere schon weg, wenn wir noch einen Kilometer entfernt sind!“