Nach dem Essen schrieb ich noch zwanzig Postkarten und fühlte mich sauwohl. An diesem Abend gingen alle früh ins Bett mangels Nachtleben und angesichts der steifen Brise, die vom Meer herüberwehte, so daß es im Freien recht ungemütlich wurde.

Nach gut durchschlafener Nacht - was im Rotel keineswegs selbstverständlich ist - saßen wir um 7.00 Uhr am Frühstückstisch und ließen uns von Erwin den Mund wässrig machen: er kündigte uns einen phantastisch schönen Tag an, einen Höhepunkt dieser Reise, und das wurde er dann auch. Wir machten uns nämlich auf den Weg rund um die Kaphalbinsel, an deren südlichem Ende Cape Point, das eigentliche Kap der guten Hoffnung liegt. Was für ein grandioser Tag, was für Eindrücke und Ausblicke! Es ist fast nicht zu beschreiben. Die Landschaft ist so traumhaft schön, so naturbelassen und wild, daß man alle zwei Meter ein Foto machen könnte. Ich lege den x-ten Film ein und versuche, alles festzuhalten für zu Hause, wenn die Reise schon wieder Erinnerung sein wird.

Wir fuhren an der wunderschönen Steilküste entlang, sahen Robben Island, die Insel, auf der der schwarze Bürgerrechtler Nelson Mandela 27 Jahre lang gefangen gehalten wurde, durchfuhren eine schöne Bucht nach der anderen, machten Halt in einem Geschäft mit wunderschönen Halbedelsteinen und kamen nach weiterer Fahrt - immer mit Anblick des Atlantiks - schließlich an ein herrliches Plätzchen hoch über dem Meer, wo Ludwig uns ein Mittagessen serviert: Kartoffelsalat mit Fleischkäse! Wir staunten nicht schlecht und suchten uns ein Plätzchen mit grandioser Aussicht. Auf diese Art und Weise genießt man nicht oft das Mittagessen, und wir waren uns dessen voll bewußt.

Anschließend setzten wir diese Traumreise fort entlang steiler Felsen, unter uns immer der wilde Atlantik, der tosend gegen die Felsen krachte. Man wurde nicht müde, zuzuschauen. Unsere Straße wurde in den Fels gesprengt und ist entsprechend schmal und abenteuerlich, aber gerade das macht sie so aufregend. Wir befanden uns hier im Naturreservat und schwelgten wieder in einem Meer von Blumen, vor allen Dingen eine weiße Strohblumenart (Helichrysum vestitus) mit rotem Herz hatte es uns angetan. Felderweise blühte sie hier, und als wir anhielten, um durch diese Pracht zu laufen und zu schauen, sahen wir doch auch noch das so seltene Bergzebra, und zwar gleich drei Stück. Welch ein Glückstag! Ich war wieder einmal selig und wollte gar nicht mehr weg. Aber die Fahrt ging schließlich weiter, und wir kamen am Cape Point an, dem berühmten Kap der guten Hoffnung. Wir mußten noch einen ordentlichen Berg zu Fuß hochlaufen, und dann hatten wir eine umwerfende Aussicht auf 6000 Kilometer offene See! Das kann man sich fast nicht vorstellen. Und wir standen hier an der Stelle, wo der atlantische und der indische Ozean sich treffen. Der Atlantik ist eiskalt, der indische Ozean warm. Und diese verschiedenen Strömungen bestimmen auch das Klima Südafrikas, die Flora und die Fauna. Eine faszinierende Sache! Ich stand hier oben und freute mich, ließ mir den Wind durch die Haare fahren und erlebte das alles ganz wach und bewußt, um es nie mehr zu vergessen. Kann man angesichts so viel Schönheit überhaupt noch Pessimist sein? Nie habe ich mich optimistischer, heiterer und dankbarer gefühlt als in solchen Momenten, in solchen Sternstunden. Das Kap der Stürme gehört dazu!