Wir fahren ein paar Minuten das Flussbett entlang und bahnen uns einen Weg zurück hinaus in die Savanne. Das Navigiergerät zeigt, dass wir nicht mehr allzu weit vom Campingplatz entfernt sein können. Wie lange ist in diesem Flussbett, das uns gerade das Leben gerettet hat, schon kein Wasser mehr geflossen? Schwer zu sagen, doch es ist kein Geheimnis, dass riesige, chinesische Reisplantagen im Landesinneren von Tansania seit Jahren überlebensnotwendiges Wasser abzweigen. Beide, der Ruaha River und der Rufiji River (und seine hunderten Seitenarme) trocknen in immer kürzer werdenden Intervallen aus; Experten schätzen, dass der Ruaha River in einigen Jahren ganz versiegen könnte. Für die Wildtiere und das ökologische Gleichgewicht wird das verheerend sein, aber auch für die Millionen Menschen, die im Einzugsgebiet der beiden Flüsse leben. Dass eine der wenigen namhaften Einnahmequellen, nämlich der Tourismus, dann auch versiegen mag, ist jenseits der Vorstellungskraft der Verantwortlichen. Immerhin, in einem Land, wo sich die präzisesten Zeitangaben auf „Baado“ („Bald irgendwann einmal“) und „Labda kesho“ („Vielleicht morgen“) reduzieren lassen, haben Gedanken an eine Zukunft, die noch Jahre entfernt ist, keinen Wert. Tansanier quittieren Fragen nach der Zukunft zumeist ausweichend, mit der Vermutung, dass einen das ja alles nicht mehr angehe, wenn man vielleicht in ein paar Jahren ohnehin nicht mehr lebt.

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Tansanier haben mehr Bezug zur Vergangenheit als zur Zukunft, und wenn es nur die nahe ist. Ihr Leben dreht sich um Ahnen und Vorfahren, die ihnen gut oder wahlweise auch böse gesonnen sind. Althergebrachte Traditionen, Riten, Hierarchien machen für Tansanier Sinn, nicht das gedankliche Konstrukt eines Morgens. So (und auch aus blanker Profitgier) ist es für die Verantwortlichen völlig legitim, riesige Ländereien gegen teures Geld an die Chinesen zu verkaufen, die damit ihr aufstrebendes Reich ernähren müssen. Die Chinesen fackeln nicht lange. Auf Millionen Tansanier und ein paar Millionen Tiere kann keine Rücksicht genommen werden, wenn das Milliarden-Reich seinen Hunger stillen muss, nach Nahrung und Rohstoffen. Die Reisplantagen (und alle anderen Infrastrukturprojekte unter chinesischer Flagge) werden selbstverständlich von chinesischen Bürgern betrieben; Geld und Know-How müssen im eigenen Land bleiben. Unübersehbar hupen sich mittlerweile chinesische Billigmopeds durch den Straßenverkehr von Dar es Salaam; chinesischen Schriftzeichen auf den Taschenrechnern oder Mobiltelefonen sind für die Einheimischen längst so normal wie überbezahlte Politiker ohne Verantwortungsbewusstsein.