Der abenteuerlichen Piste mit extremer Schieflage folgend, erreichen wir den Nationalpark am frühen Nachmittag. Auf der langen Strecke begegnete uns nur ein einziger Jeep, der beim Rangieren fast umstürzte. Bei einer Rast am kaum erkennbaren Eingang zum Park stehen schon die ersten 4 Sibirischen Steinböcke weit oben an einem Grat. Schade, dass hier alle Großtiere so extrem scheu sind, ein Zeichen ungehinderter Wilderei. Aber wie soll man ohne Mittel ein so riesiges und abgelegenes Gebiet kontrollieren?

 

Wir suchen uns in einem engen Hochtal mit abenteuerlicher Zufahrt einen Platz um unsere Zelte aufzuschlagen. Rund um uns ist der Boden durchsiebt von den Bauen der Ziesel und vor allem von den Altai-Pfeifhasen. Als unsere Behausungen, leuchtend grüne 2Mann-Igluzelte koreanischer Herkunft stehen, müssen wir leider feststellen, dass sie nicht für europäische Körpergrößen gemacht sind. Zum Glück habe ich ein Zelt für mich allein, aber bei den Zweiergruppierungen gibt es schon arge Platznot. Beine ausstrecken ist da nicht mehr.
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Wir unternehmen einen ersten Ausflug zur hier berühmten Geierschlucht von Jolin Aam. Im Tal vor der engen Schlucht liegt flächendeckend eine etwa 1 m dicke Eisplatte. Anscheinend staute sich vor der bereits gefrorenen Schlucht Regenwasser und bildete im Winter diesen riesigen Eisschild, durch den sich bisher nur ein schmales Schmelzwasser-Rinnsal gefressen hat. Okay, es ist erst April und wir befinden uns auf etwa 2000 m über dem Meer, da kann man noch keine üppige Vegetation erwarten. Einzig ein Fleck mit einem blau blühenden Lungenkraut ist zu finden, dafür aber Mengen von Pfeifhasen, die zum Teil konkurrierende Ziesel aus ihrem Territorium vertreiben. Aus den Steilwänden der engen Schlucht kommen uns kreisende Bart- und Himalaja-Gänsegeier entgegen und durchs Glas beobachten wir ein Paar Mönchsgeier bei ihrem Jungvogel hoch oben im Horst. Außerdem sind Sakerfalken und Steinadler im Gebiet. Bei den zahlreichen Beutetieren kein Wunder. Während ich in dem zur Schlucht plätschernden Bach eine riesige Handschwingenfeder von einem Bartgeier finde, die später gerade so am Boden meiner Reisetasche Platz findet, entdecken die Ornithologen auch kleinere Vögel wie Fahlbraunellen, Schneefinken und Alpenkrähen. Nach dem Abendessen im Freien bei kühlem Wind verkrümeln sich bald alle in ihre Zelte. Nur Günter und ich wandern noch im Abendlicht das Hochtal hinauf, wo wir viele Schädel und Skelette von Argali-Wildschafen, Steinböcken und Pferden finden und das Gebiet „Tal des Todes“ taufen. Immer noch findet man Spuren des Kältewinters von 1999, der mit bis zu -50°C und eisigem Ostwind tausende von Tieren tötete.