Es ist noch früh am Tag, und mein geplanter Spaziergang endet angesichts der trostlosen Gegend und der enormen Hitze sehr schnell. Der Versuch eines Mittagsschlafs scheitert an Hitze und Durchzug, und so finde ich mich bald ebenso wie die meisten anderen auf der luftig-schattigen Terrasse des Restaurants wieder und mache Reisenotizen oder schreibe Karten, bis Horst zum Essen ruft. Heute gibt es doch tatsächlich Yakburger mit massenhaft Zwiebeln und dazu Kartoffelpürree. Eine echte Delikatesse, und das bei Staubsturm in der Wüste Gobi! Heute abend ist wieder Folklore angesagt von einer Künstlergruppe, die alle an der Hochschule Musik studiert haben. Leider fehlt die originelle Kulisse einer Jurte, denn das Ganze findet im wenig erbaulichen Restaurant statt, aber die Künstler sind wirklich sehr gut, sowohl die Musiker als auch die Sänger und Sängerinnen und vor allem auch die Tänzer. Der Flötenspieler hatte die schönsten Hände, die ich seit Jahren gesehen habe, ich war ganz fasziniert von seinem Spiel. Auch der wilde Tanz der Schamanin war begeisternd. Leider hat die Gruppe m.E. einen großen Fehler gemacht, in dem sie doch tatsächlich einen bayerischen Schuhplattler, O sole mio und ein Mozartstück spielte, um den Touristen zu gefallen. Für mich ist das der Anfang vom Ende, und ich war sehr enttäuscht. Gott sei Dank ist die Mongolei insgesamt so schwer zugänglich und in diesem Fall auch Gott sei Dank so arm, daß in den nächsten Jahren sicher keine wesentliche Veränderung der Infrastruktur zu erwarten ist, so daß es mit Sicherheit keine Touristenmengen geben wird. Insgesamt sahen wir nur ein paar Dutzend während der ganzen Tour, im allgemeinen waren wir die bestaunten Exoten.

 

Für mich waren die vielen Hundert zuschauenden Mongolen die größte Attraktion. Was für herrliche Gesichter konnte ich hier beobachten! Vor und hinter der Mauer standen die Leute in vielen Reihen, dazwischen überall Pferde. Dann entdeckte ich eine Gruppe großer, kräftiger Männer in grauen Mänteln und mit dem typischen Mongolenhut, und mir war sofort klar, daß es sich hier um die Ringer handeln mußte. Und siehe da, kaum war die Siegerehrung für die Pferde vorbei, legten die Männer ihre Mäntel ab und kamen in der knappen Ringerkleidung zum Vorschein, d.h. sie tragen ein knappes Höschen und eine vorderteillose Weste. Alle sahen athletisch und muskulös aus, keiner war fett, schon gar nicht zu vergleichen mit den fetten Sumoringern in Japan. Die vorderteillose Weste kommt daher, daß ehedem einmal eine unerkannte Frau sämtliche Männer beim Ringen schlug, was für die Männer eine demütigende Schlappe war. Damit man also künftig immer erkennen kann, daß es sich um einen Mann handelt, haben die Westen nun keine Vorderteile mehr. Wir konnten nun also einige Ringkämpfe beobachten und hatten unsere vom Reiseleiter zugestandene Zeit längst überschritten. Aber keine 10 Pferde hätten mich früher hier weggebracht. Nachdem wir einige Kämpfe beobachtet hatten, zogen wir dann aber doch langsam wieder durch die Menschenmenge zurück zum Bus. Alle waren begeistert von diesem Schauspiel und den herrlichen Fotomotiven. Ich hatte übrigens fast während der ganzen Reise eine ärmellose Weste mit 100 Taschen an, in denen ich alles mögliche verstaut hatte und auf diese Weise keine Tasche oder den Rucksack brauchte. Als ich inmitten der mongolischen Zuschauer auf dem Boden hockte, griff mir doch so ein kleiner Strolch von hinten in eine meiner Westentaschen, aber wie enttäuscht schaute er dann, als er ausgerechnet die Tasche mit dem Klopapier erwischt hatte. Ringsum Gelächter der Mongolen...! Ich grinste nur.

Wir fuhren weiter und hielten dann bei einer Klosterruine inmitten einer Bergkette, in der auch einige der seltenen Gobibäume wuchsen. Das Kloster ist in den 30er Jahren zerstört worden, die 1000 Mönche wurden vertrieben oder umgebracht.

Es war sehr heiß, trocken und staubig, und am tiefblauen Himmel segelten nur ein paar kleine Wolken. Die Landschaft wurde immer karger und flacher, statt Erde gab es hier grauen Kies, der ziemlich trist wirkte. Fata Morganen tauchten am Horizont auf wie riesige Seen, die aus Luft bestehen. Immer öfter sahen wir Kadaver und Skelette in der Wüste liegen, ansonsten bietet sich auf Stunden immer das gleiche öde Bild, denn hier sahen wir auch fast keine Tiere mehr. Selbst Kamele mögen solche Tristesse nicht. Wir verlassen oft die Piste und fahren mit GPS quer durch die topfebene Wüste und machen ein Wettfahren mit unseren Jeepbegleitern. Hinter uns lassen wir gewaltige Staubwolken, die noch kilometerweit zu sehen sind. Ich habe einen Mordsdurst, mag aber das ekelhafte Vanillegesöff nicht trinken, das ich gestern auf dem Markt erwischt hatte, und das mir den Mund verklebt. Abends wollte ich mir bei Horst eine neue Flasche Wasser holen und freute mich darauf.