Kurz vor der Ortschaft Sajchan Owoo taucht ganz unvermittelt ein Gewimmel von Menschen und Pferden auf, und ganz schnell ist uns klar, daß wir hier ein Nadaam-Fest vor uns haben. Das Nadaam geht auf Dschinggis Khan zurück, dessen Krieger sich regelmässig im bogenschiessen, reiten und ringen üben mußten. Aus diesen kriegerischen Wettkämpfen ist im Laufe der Jahrhunderte so eine Art Sportfest mit diesen drei Disziplinen entstanden, und jedes Jahr vom 11. - 13. Juli findet im großen Stadion von Ulan Bator das große Staatsnadaam statt, an dem Hunderte von Pferden und 1024 Ringer sowie die Bogenschützen teilnehmen. Da es den meisten Mongolen unmöglich ist, in die Hauptstadt zu reisen, werden in vielen Provinzen eigene, kleine Nadaamfeste abgehalten, die viel uriger und persönlicher sind als das große Fest in Ulan Bator. Und nun hatten wir also das unwahrscheinliche Glück, Zuschauer bei diesem Nadaam sein zu können. Zuerst fanden wir die Bogenschützen vor, die in prächtiger Kleidung dastanden und ihre selbst hergestellten Bögen spannten, um einen großen Pfeil auf ein weit entferntes Ziel abzuschießen. In einem grösseren Rund, das sonst vielleicht zum Schafscheren oder ähnlichem dient, fand gerade die Siegerehrung des Pferderennens statt. Es reiten immer nur Kinder im Alter von 5 - ca. 8 Jahren, und zwar müssen sie eine Strecke von 35 km im Galopp bewältigen. Sieger ist immer das Pferd, nicht der Reiter. Mit ernsten Mienen und viel Tamtam wurde die Siegerehrung vorgenommen. Dem Siegerpferd wird etwas Airag über die Kruppe gegossen.

 

Während der Fahrt auf unserer einsamen Holperpiste können wir kaum begreifen, daß wir uns auf der Hauptverbindungsstrecke vom Norden in den Süden des Landes befinden. Für uns einfach unvorstellbar, in so einem Riesenland keine einzige Straße vorzufinden, alles ist Natur pur. Heute habe ich von der Fahrt auf der abenteuerlichen Piste gestern ziemliche Kreuzschmerzen, aber das geht etlichen anderen genau so. Für die Bandscheiben ist das hier keine Vergnügungsfahrt. In Richtung Süden hat es offenbar nicht geregnet, denn es staubt wieder gewaltig hinter unserem Riesengefährt her. Die Landschaft ist trocken und flach, und in der Ferne sehen wir zum ersten Mal eine Fata Morgana. Das Schiff auf dem vermeintlichen See entpuppt sich als einsame Jurte. Plötzlich gibt es wieder einige Kilometer Teerstrasse, aber auch nur, weil hier ein ehemals russisches Militärlager steht, das jetzt von den Mongolen genutzt wird. Es gibt derzeit knapp 10.000 Militärs und 5.000 Wehrpflichtige in der Mongolei. Nach ein paar Kilometern haben wir jedoch unsere vertraute Piste wieder. In Arwajcheer füllen wir nochmal unsere Wasservorräte auf und laufen dann zum Markt in dieser ansonsten trostlosen Stadt. Märkte üben ja überall auf der Welt einen besonderen Reiz aus, so auch hier. Jede Menge Mongolen spielen Billard, dahinter finden wir wieder Unmengen Container-Marktstände mit dem immer gleichen, mageren Angebot. Immerhin finde ich hier kleine getrocknete Bananen aus Vietnam, die eine üppige Ergänzung meines Mittagsproviants aus Brot und Wasser bedeuten. Auf diesem Markt gibt es auch Sättel, Teppiche, Klamotten und alle möglichen Dinge des täglichen Gebrauchs, aber auch blutige Felle und Gedärme und dazu noch deutsche Pralinen. Was für Gegensätze! Wir werden wie exotische Tiere beobachtet, was wir sehr gut nachvollziehen können. Wer außer Rotelreisenden verirrt sich schon auf diesen Markt in Arwajcheer? In einer Bar trinken Lothar und Klaus Bier resp. Wodka, während ich das wahrlich abenteuerliche WC im Hinterhof aufsuche, da es sonst absolut keine Möglichkeit dazu gibt. In einem Bretterverschlag befindet sich ein Loch im Boden, durch das ich etwa 4 m tief auf eine undefinierbare Masse blicke. Ich bete, daß der Bretterboden hält.... Er hat gehalten! Ich muß noch ziemlich geschockt ausgesehen haben, als ich in die Bar zurückkehrte.