Seite 13 von 21
Die kleine Twin Otter fliegt ploetzlich ein scharfe Rechtskurve. Dann taucht sie wie ein Adler, die Beute fest im Blick im Sturzflug steil nach unten auf diesen kurzen, schmalen Streifen zu. Eine letzte Kurve, eine allerletzte Kurskorrektur und er kramt mit zitternden Haenden sein Handy hervor um doch noch eine allerletzte SMS an seine Ellen in Koeln zu schicken, in der stehen sollte: „ICH LIEBE DICH AUCH! - KUEMMER DICH UM DIE KINDER!! - VERZEIH MIR BITTE!!! - DEIN TOM“
Fuer einen kurzen Moment ist er erleichtert und fuehlt sich schwerelos wie ein Adler. Er sieht dem, was da in den vor ihnen liegenden Sekunden des Landeanflugs auf diese Winzigkeit von Lukla, dem letzten Flughafen vor der Todeszone, auf sie zu kommt, gelassen entgegen. Er ist gefasst, eins mit sich und sieht tief hinunter.
Ins Nichts.
Durch die bullaugenaehnlichen Fenster der Twin Otter (er erinnert sich dunkel: „made in Switzerland“) sieht er viele hundert Meter tief unter ihnen ein unendliches, nur sehr schwer zugaengliches dunkles Tal, das ihn an Shangri - La, den Ort vollkommenen Gluecks erinnert, mit diesem hauchduennen weissen Faden aus Gletscherwasser.
Er guckt bei einer Landung ja immer gerne aus dem Fenster um zu sehen, dass auch alles so ablaeuft wie es bei einer - noch so schwierigen - Landung ablaufen muss: Nase nach unten, Flughafen oder Landepiste anpeilen, Landeklappen raus, erst ein wenig, dann etwas mehr, dann ganz. Trimmen. Allmaehlich langsamer werden, aber nicht zu langsam. Nase nach oben. Nase nach unten.
Dreissig Fuss, zwanzig Fuss, zehn Fuss...,
Es koennen nur noch wenige Sekunden sein bis zum ultimativen „touch down“ und dem hoechstwahrscheinlichen Zerschellen ihrer heftig nach links und rechts, rauf und runter schlingernden Blechkiste. Es sind die unberechenbaren Fallwinde, die dem Piloten zu schaffen machen. Da sieht er im Display: Kein Netz! Auch das noch. Was gaebe er in diesem Augenblick um ein Netz. Ein Netz, in dem er weich und sicher landen koennte wie in Buddhas, Allahs oder Abrahams Schoss.