Nachdem ich gegessen habe, blättere ich aber dennoch verstohlen im Reiseführer. Fast lässig frage ich nach „Sang cho“ und ich glaube nicht, dass mich das kleine Mädchen verstanden hat. Sie nimmt mich aber an der Hand und bringt mich durch die Küche nach draußen. Hier nickt sie freundlich und geht wieder rein. Ich stehe vor einem gefrorenen Acker mit einem Misthaufen. Es ist stockfinster, nur das Licht aus der Küche beleuchtet eine kleine Ecke. Ich denke, so etwas nennt man „1000 Sterne Klo“ und mir wird schlagartig bewusst, dass ich soo dringend doch gar nicht auf Toilette muss. In der Küche soll ich mir dann die Hände über dem Spülbecken waschen und denke noch „eigentlich wollte ich die Küche doch gar nicht sehen“. Das Bezahlen dann vorne im Restaurant wird wieder von viel Lachen begleitet und schließlich bringt mich wieder die halbe Familie bis auf die Straße und wünscht mir „tashi delek“ – Glück und Wohlergehen!
Die Nacht ist dann wieder kalt und ich muss früh raus. Im Stehen trinke ich eine Tasse Tee, prüfe noch einmal den Akku der Kamera und dass ich eine volle Speicherkarte dabei habe. Heute ist der Neujahrstag, der mit einem großen Umzug gefeiert wird. Noch vor Sonnenaufgang versammeln sich rund 5000 Gläubige außerhalb des Klosters am Fuße eines Hügels. Sie warten auf die Mönche, die aus dem Kloster einen riesigen Thanka bringen und diesen auf dem Berg entrollen. Thankas sind eigentlich „Heiligenbilder“, die man aufrollt, so auch die tibetische Übersetzung. Das Wanderleben der Nomaden lies diese Form entstehen. Die Festthankas sind aus Stoff gefertigt und hier im Kloster gibt es drei verschiedene. 30 Mönche haben an einem fünf Jahre lang gearbeitet.
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Plötzlich teilt sich die Menge und schwer atmend erreichen ca. 30 Mönche mit dem Thanka den Fuß des Hügels. Mantren schwirren laut durch die Luft und die Gläubigen verfolgen, wie die Mönche den Hügel erklimmen und dann langsam den ca. 50 mal 100 Meter großen Teppich auszurollen. Als das Bild fertig ausgerollt ist, bricht so etwas wie lauter Jubel aus. Die Gläubigen kennen genau den abgebildeten Heiligen und wissen um dessen Bedeutung für das kommende Jahr. Noch immer ist es auf dieser Seite des Hügels dämmrig, doch langsam färben sich die umliegenden Hügel rosa von der aufgehenden Sonne. Bereits nach etwa fünf Minuten fangen die Mönche wieder an, den Teppich aufzurollen und sind fertig, als der erste Sonnenstrahl über die Kuppe kommt. So will es das Ritual. Die Massen strömen zurück ins Dorf und man ist ausgelassener Stimmung. Das fehlende Frühstück wird nachgeholt. Fliegende Händler verkaufen allerlei Naschwerk, Gebratenes und gekochtes. Den Tag verbringe ich damit, den Menschen zuzusehen und bis zum Abend habe ich mit diversen „Freundschaft“ geschlossen, habe unzählige Fotos gemacht und viel gelacht. Wer hätte gedacht, dass man hier am Ende der Welt, kurz vor dem Bretterzaun ganz genau weiß, was eine Digitalkamera ist. Besonders die Kinder stürmen immer zu mir und ich muss ihnen die Fotos zeigen, die ich von ihnen gemacht habe.