Dem Regen zum Trotz laufe ich runter ans Meer, ziehe meine Schuhe aus, streife die Kapuze vom Kopf und schlurfe durch das seichte Wasser. Nasser geht’s eh nimmer. Gesalzene Füße, weich gespültes Haar. Die Zeit bis zum briefing für die neuen Gäste verbringe ich mit Lesen. Das Meer sieht nicht so aus, als könnten wir heute rausfahren oder gar schwimmen. Als ich zur base komme, stehen dort schon André und Herman und bestätigen meine Ahnung. Noch schlimmer: Das Tiefdruckgebiet, das im Anmarsch ist, soll genau über den Azoren hängen bleiben mit Regen und Sturmböen bis zu 60 km/h. Ausgerechnet jetzt ein Tiefdruckgebiet, wo die Meteorologen doch immer von diesem Azoren-Hoch erzählen, das schönes Wetter bringt.

Aber das ist ja auch geflunkert. Tatsächlich bildet sich jenes Hochdruckgebiet stets etwa 1.500 km weiter westlich von den Azoren über dem offenen Meer, wo keine Landmarkierung existiert, um diesem Wetter-Phänomen einen Namen zu geben. Also mussten die nächst gelegenen Inseln dafür herhalten.

Ich wünsche den beiden Männern noch einen schönen Tag und marschiere ostwärts, um meinen Spaziergang von gestern fortzusetzen, auf einem anderen Abzweig diesmal. Der Regen hat aufgehört, die Sonne scheint sogar ein bisschen, und der Pico hat seinen Duschvorhang klammheimlich beiseite geschoben. Hätte ich bloß meine festen Wanderschuhe mitgenommen!  Die grünen Hügel sind hier terrassiert, waren früher vermutlich Getreide- oder Gemüsefelder, mühsam vom Lavagestein befreit, das an den Rändern zu niedrigen Mauern aufgeschichtet wurde. Verstreut in der Landschaft verfallene Hütten, die ich anfangs für Ställe halte.

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Beim Näherkommen aber sehe ich an den Grundrissen der Raumaufteilung, dass hier wohl Menschen gelebt haben, vielleicht ausgewandert sind nach Brasilien oder aufs Festland. Der Feldweg mit den frischen Spurrillen verrät aber, dass hier immer noch Autos entlangfahren. Alles ist jetzt ziemlich matschig. Hier auszurutschen wäre bestimmt lustig. Ich schaue auf die Uhr – 17.30 ….. in der bald einbrechenden Dunkelheit vielleicht doch nicht so lustig. Und mit diesen vom Schlamm verkrusteten Sandalen ins Hotel? Das kann ich Hermínia und Carmen unmöglich antun, muss auf dem Rückweg noch mal am Meer vorbei. Irrtum. Kurz vor der Hochstraße komme ich an einer wilden Müllkippe vorbei – entsorgte Kühltruhen und Fässer. Eklig zwar, doch da hat sich Regenwasser gesammelt, mit dem ich die Drecksarbeit schon hier erledigen kann. Wieder halbwegs sauberen Fußes entscheide ich mich an der Kreuzung dann doch noch für einen Umweg über die Hochstraße. Auch dort schmeißen die Leute alles an den Straßenrand – Bierpullen, Plastikflaschen, Zigarettenschachteln, leere Zementsäcke, Verpackungen. Solche Ferkel gibt es halt überall. Immer eine Plastiktüte im Gepäck, fange ich an, die größten Teile einzusammeln und entsorge sie unten am Parkplatz in den großen Container eines Lokals.

Nach diesem guten Werk könnte morgen nun wirklich besseres Wetter werden.