Nur noch 1 Orange? – Ich muss noch zu José Luís! Enttäuscht stehe ich vor seiner Bar, starre in eine fast leere Kiste. Nur noch ein paar Bananen. Na, wenigstens etwas. Als ich reingehe, um zu bezahlen, grient er, greift unter die Theke und holt eine Papiertüte hervor: Hab’ mir schon gedacht, dass Sie heute noch kommen und Ihnen ein paar aufgehoben. Ach, José – Sie sind ein Engel! Sagen Sie das mal meiner Frau!

Ich bedanke mich und laufe gleich weiter zur Kirche. Reis mit Meeresfrüchten in der Pizzeria und einen großen Espresso. Nach dem Bezahlen stecke ich die ohnehin etwas bekleckerte Tischdecke aus Papier ein, um darin später meine Minze reisefertig zu verpacken.

Meine Wanderhose starrt vor Dreck. Ganz Schlammklumpen bröckeln heraus. Da ich ohnehin noch einen Abendspaziergang machen will, nehme ich sie mit, weiche sie an der Mole im Meer ein und spüle sie gründlich aus. Handwäsche folgt später, nehme ich mir vor - und im Zimmer „mal eben“ das Buch über die Orcas zur Hand. Der Bericht ist so spannend, dass mir die Hose erst wieder einfällt, als es fast Mitternacht ist. Jetzt noch die Nachbarn mit Wasserrauschen belästigen? – Lieber nicht.

15. 6. 05 Mittwoch

Ein Blick heute Morgen um 7.30 Uhr aufs Meer genügt, um zu wissen, dass ich noch ein bisschen weiterschlafen kann. Eigentlich hätte schon ein offenes Ohr gereicht, denn selbst bei geschlossener Terrassentür hört man das Meer besonders stark rauschen. – Keine Chance also für eine Ausfahrt.

Die anderen Gäste scheinen zu derselben Erkenntnis gekommen zu sein, versammeln sich alle erst nach 9.00 Uhr beim Frühstück. Die verhaltensgestörten Kinder der Herrn Lehrer sind auch durch ein wiederholtes „Tschschscht!“ nicht auf Zimmerlautstärke runterzupegeln. Am liebsten würde ich meinen Teller nehmen und demonstrativ den Raum verlassen.

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Aber in dem Moment kommt gerade Hermínia und stellt mir ihre 10-jährige Tochter Jessica vor, die heute erst um 10.00 zur Schule muss. Bis dahin hilft sie der Mama beim Abräumen und Abwaschen des Geschirrs, erzählt das Mädchen in vorzüglichem Englisch. Mutter Hermínia nickt stolz und ergänzt: Nächstes Jahr geht Jessica nach Porto aufs Gymnasium! Ich bin richtig erleichtert, dass die nächste Generation doch noch Aufstiegschancen hat.

Was tun bei dem Wetter heute? Auf der Suche nach Nachschub für meinen Grünen Tee sehe ich, wie die Brandung gegen die Kaimauer und Felsen donnert, jedes Mal neue, vergängliche Wasserbilder in die Luft malt. Das ist doch kein schlechtes Wetter!

Auf dem Rückweg komme ich am Wal-Museum vorbei. Die Tür steht offen. 1,25 € Eintritt ist nicht zu viel verlangt für diese umfangreiche Sammlung. Nicht nur angenehme Bilder und Exponate erwarten mich dort: Harpunen, Lanzen, Fotos von toten Pottwalen, alle mit geöffnetem Maul, als schnappten sie verzweifelt nach Luft. In einen der aufgeklappten Rachen hat sich ein Fischer postiert. – Siegerpose. Wie feige! ist mein erster Gedanke. So haben sich auch die englischen Tiger-Jäger in Indien ablichten lassen – ein Bein stolz auf dem erlegten Opfer abgestellt. Doch in Indien wurden die Tiger aus purer Mordlust zum Zeitvertreib abgeschlachtet, während es für die Fischer hier ein lebensgefährlicher Job war, um Geld zu verdienen. Der Film aus den 50er Jahren, der im Untergeschoss gezeigt wird, ist nicht ohne Ironie und bestätigt, was ich schon gehört hatte: João feuert die Leuchtrakete ab, die Fischer im Dorf unterbrechen ihre Arbeit – auch jener, der gleichzeitig Dorfbarbier ist und seinen Kunden mit eingeschäumtem Gesicht, halb rasiert und verdutzt guckend auf dem Stuhl zurück lässt, um in eins der Boote zu stürzen.