Beim Blick aus dem Fenster stellen wir am Morgen fest, daß wir uns gerade in der Wüste Gobi befinden. Ständig geradeaus geht es durch diese sandige und steinige Ebene. Plötzlich erreichen wir mitten im Nichts eine kleine Stadt. Noch während der Zug einläuft eilen Kinder herbei und wollen mongolische Münzen verkaufen oder erbitten Kugelschreiber und Süßigkeiten. Einige Erwachsene auf den Straßen sind in typischer Landestracht gekleidet. Wir fragen uns, wovon die Menschen hier leben. Ein großer Teil der zwei Millionen Einwohner dieses Landes, das die Größe Westeuropas hat, sind Nomaden und betreibt Viehzucht. Etwas weiter entlang der Strecke sehen wir dann riesige Vieh- und Ziegenherden, aber auch Pferde laufen herum, ja sogar Kamele. In der Nähe findet sich häufig eine Jurte, das traditionelle Rundzelt, mit dem der Herdenbesitzer seinem Vieh hinterherzieht. Nicht selten laufen die Tiere so weit, daß es mehrere Tage dauert, bis der Besitzer sie in der Steppe wiedergefunden hat; meistens können umherziehende ‘Nachbarn’ ihm aber weiterhelfen.
Inzwischen ändert sich die Landschaft - es wird zusehends hügeliger, die Strecke kurvenreicher. Dadurch bieten sich vom letzten Waggon schöne Möglichkeiten, den kompletten Zug entlang zu photographieren, immerhin umfaßt er mittlerweile 17 Wagen, die in diesem Gelände von zwei Diesellokomotiven gezogen werden. Probleme bereiten uns dabei allerdings die Fenster, denn sie lassen sich nur einen Spalt breit öffnen, so daß es einige Verrenkungen nötig macht, den Kopf nach draußen zu stecken, wo einem sogleich ein eisiger Wind um die Ohren pfeift. Also wird schnell das Bild gemacht und sich wieder zurückgezogen, außerdem geben uns die Chinesen in diesem Waggon lautstark zu verstehen, daß es auch ihnen bei geöffnetem Fenster zu kalt wird.
Ab und zu halten wir für einige Zeit mitten in der Landschaft auf einer Art Nebengleis an und warten auf einen Gegenzug, den wir vorbeilassen müssen, denn hier ist die Strecke oft nur eingleisig ausgebaut. Wir fragen uns, auf welcher Seite in unserem alten Schulatlas wir uns wohl gerade befinden. Wenn im Erdkundeunterricht mal das Stichwort Mongolei fiel, hätte ich mir nie träumen lassen, daß ich jemals per Zug durch dieses Land fahren würde. Ist schon ein lustiger Gedanke…
Die Flüsse sind zugefroren und die über 1500 m hohen Berge am Horizont mit Schnee bedeckt. Es ist richtig gemütlich, im Abteil mit einem warmen Getränk im Sessel zu sitzen und zu lesen oder einfach nur aus dem Fenster zu schauen. Ich hätte nicht gedacht, daß man damit leicht ein, zwei Stunden verbringen kann, ohne daß es langweilig wird. Wenn dann noch von irgendwoher ein Reiter mit geschultertem Gewehr auftaucht, laut johlend und winkend eine Weile neben dem Zug hergaloppiert und wieder in der endlosen Weite verschwindet, kommt es mir richtig unwirklich vor.