Tags drauf radle ich weiter hinauf bis Thula, einem kleinen Ort auf 2900 m Höhe gelegen. Trotz dieser Höhe liegen die Temperaturen in der Mittags-zeit bei 35 Grad Celsius, fast schon zu heiß, zum biken. Von hier aus führt eine ca. 40 km lange Schotter- und Geröllpiste hinüber nach Amran, doch schon nach wenigen Kilometern wird die Piste so schlecht, daß ich ab-steigen und insgesamt mehr als 30 km schieben muß. Ich bereue erst-mals, soviel Gepäck mitgenommen zu haben. Aber die herrliche Bergland-schaft mit den jahrtausende alten Terrassenfeldern und malerischen, mittelalterlich wirkenden Dörfer entschädigen für all meine Anstrengun-gen.

Unterwegs treffe ich einen alten Bauern, der harte Alltag auf den steinigen Feldern spiegelt sich im tief zerfurchten, sonnengegerbten Gesicht wider. Mit Händen und Füßen entsteht ein kurzes Gespräch, gestenreich deutet er stolz auf seine Felder, seine Berge, seine Heimat. Wir erreichen zusam-men seine bescheidene Lehmhütte und er besteht darauf, daß ich sein Gast bin. Über eine Außentreppe führt er mich hinauf aufs Dach des Hauses und bittet mich auf einem Kissen Platz zu nehmen. Ein paar Rufe und Anweisungen nach unten und wie durch „Zauberhand“ wird eine Kanne Tee nach oben gereicht. Die Frau des Hauses hält sich zurück und zeigt sich mir nicht. Dafür schiebt sie die kleine, 2-jährige Tochter durch eine Tür und stolz präsentiert mir der Alte seine jüngste Tochter. Ich bin überrascht, eher hätte ich gedacht, daß er der Großvater ist.

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Zum Dank für seine Gastfreundschaft darf ich die in ein buntes Kleidchen gehüllte Kleine fotografieren, natürlich auf dem Arm des Vaters. Wohl da-rauf achtend, daß auch das kleine Knie des Mädchens bedeckt ist, strahlt er über das ganze Gesicht. Ich lasse ihn anschließend Zeuge sein, wie sich das Polaroid-Foto entwickelt, mit immer größer werdenden Augen sieht er zu, wie sich aus einem Stück weißem Fotopapier die Farben bil-den, das Bild von sich mit seiner Tochter entsteht und schließlich Formen annimmt. Er schaut mich entgeistert und stolz an, wendet sich zum Him-mel, hebt die Arme und dankt Allah „Allah il Akbar“. Natürlich überlasse ich ihm die Aufnahme und während ich mit meinem Fahrrad weiter ziehe, steht er noch lange am Wegesrand und schaut mir winkend nach.

Erst mit Anbrechen der Dunkelheit erreiche ich 20 km hinter Amran den Funduk von Raydah, in dem ich so freundlich aufgenommen wurde und nachts durch das Ausfegen aufschrecke.

Schon am Abend des nächsten Tages finde ich mich schneller als erwar-tet in Sadah, meinem nördlichsten Ziel wieder. Während ich mich unter-wegs in Huth in einem kleinen Lokal mit einem Tee stärke, lerne ich zwei andere Europäer kennen, die mit einem VW-Bus unterwegs zu einer Klinik sind und mir einen willkommenen „lift“ anbieten. So „spare“ ich eine Strecke, denn schließlich muß ich die einzige Straße in den Norden auch wieder zurückfahren.