Die meisten Häuser innerhalb der Altstadt von Sadah sind in der Stampf-lehmtechnik erbaut und z.T. noch gut erhalten und zusammen mit der ebenfalls noch intakten Stadtmauer gilt die Stadt als der Inbegriff einer aus Lehm gebauten arabischen Märchenstadt. Früher galt Sadah als nörd-lichster jemenitischer Handelsstützpunkt an der berühmten Weihrauch-straße, die bis hinauf nach Gaza und Palästina führte. Heute ist die Nähe zur saudi-arabischen Grenze Garant für einen regen Handel mit Schmug-gelware, insbesondere der Waffenhandel blüht und von der Patrone über Maschinengewehr bis hin zu Handgranaten und Abwehrgeschützen kann alles, was das jemenitische Männerherz begehrt, erstanden werden.
Auf der Rückfahrt in den Süden werde ich unterwegs immer wieder –vor allem von Kindern- an der Straße aufgehalten. Die ersten Vorboten des Tourismus haben auch hier bereits um sich gegriffen. „Kalam, Kalam“ ertönt es vielstimmig und hoffnungsvoll werde ich um ein Geschenk gebeten. Kugelschreiber, Luftballons, Bonbons oder andere kleine Gaben großzügig aus vorbeifahrenden Touristen-Jeeps geworfen, erschweren mir meine Bike-Tour. Enttäuscht schauen mich traurige Kinderaugen an, wenn ich mich nicht wie die meisten Touristen verhalte. Ab und zu fliegen dann sogar mal Steine, doch in der Regel kann ich die Neugier mit kleinen Demonstrationen meines Fahrrad-Computers oder durch eine Polaroid-Aufnahme befriedigen.
Nur in einer Situation wurde es etwas gefährlich. Ich mußte schon mein ganzes diplomatisches Geschick aufbieten, um einen wohl etwa 14-jährigen Jungen davon abzuhalten, mein Gepäck mit auf mich gerichteter Kalaschnikow zu durchsuchen. Als Gruppenältester wollte er wohl seine Führungsrolle demonstrieren.
Fast 100 km bin ich durch Hitze, Staub und Wüste geradelt und halte be-reits Ausschau nach einem geeigneten Platz für mein Zelt, als ich an einer wilden Müllkippe außerhalb von Al Harf vorbeikomme. Von weitem erkenne ich schon mehrere im Abfall umherstreunende verwilderte Hunde. Ich fluche leise vor mich hin, fahre ich doch wieder einmal ungewollt in der gefährlichsten Tageszeit Rad. Jetzt sind die sonst eher trägen Hunde aggressiv, haben Hunger und ein Radfahrer kommt da gerade richtig. Im Nu bin ich von einer wild kläffenden und zähnefletschenden 18-köpfigen Meute umzingelt und erst, nachdem ich sie mit einem mehr als 10-minü-tigen Steinhagel eingedeckt habe und schließlich einmal erfolgreich bin, was durch ein lautes jämmerliches Aufheulen quittiert wird, ziehen sie sich nach und nach mit eingezogenem Schwanz zurück.
Das Rad schiebend erreiche ich völlig ausgelaugt und erschöpft in voll-kommener Dunkelheit den nächsten Bergpaß und stolpere einen Geröll-weg weg von der Hauptstraße entlang, als mich plötzlich ein Lichtstrahl trifft und aufgeregte Stimmen mich stoppen lassen. 3 jemenitische Sol-daten tauchen unvermittelt vor mir auf, Kalaschnikows im Anschlag und wollen von mir wissen, was ich hier mache. Durch meine wenigen Arabisch-Kenntnisse fällt es mir zunächst schwer, ihnen begreiflich zu machen, daß ich nur einen Platz für mein Zelt suche, doch mit vielen Gesten und Deutungen scheinen sie mich schließlich zu verstehen. Ich muß mein Rad abstellen, mitkommen, werde in ein großes Mannschafts-zelt geleitet und dort zunächst allein gelassen. Bin ich jetzt verhaftet ?