Nach meiner Rückkehr nach Sanaa starte ich zu einer zweiten Tour, dies-mal in den Süden. Auf dem Sumarah-Paß durchfahre ich eine Wetter- bzw. Klimagrenze. Vor mir liegt plötzlich der „grüne Jemen“. Auf bis auf 2900 m Höhe angelegten Terrassenfeldern grünt es überall. „Arabia Felix“ nannten die Römer den Jemen, als sie diese Gegend zum ersten Mal sahen und ich muß ihnen zustimmen, als ich die üppig wuchernden Felder sehe.
Doch wo früher Obst und Gemüse gedeihte, überwiegt heute der Qatan-bau. Diese Pflanze ist heute zum größten jemenitischen Wirtschaftsfaktor geworden. Qat beherrscht den Jemen, und auch ich wurde immer wieder von meinen Gastgebern aufgefordert, am Genuß der grünen Blätter dieses Strauches teilzunehmen. Doch die von den Jemeniten äußerst gesten-reich beschriebene leicht berauschende Wirkung blieb bei mir aus. Dafür genießen es rund 60 % der jemenitischen Männer und 30 % der jemeni-tischen Frauen täglich und investieren somit bis zu 200 EUR monatlich in diese Droge und das, obwohl der Jemen mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 450 EUR mit Abstand das ärmste Land des Nahen und Mittleren Ostens ist.
Hinter Taizz fahre ich hinunter in die Tihama, eine der heißesten Regionen der Welt. Es ist Ende Mai und eigentlich bereits zu heiß, um diese Wüste mit dem Fahrrad zu durchfahren. Aber ich möchte mir den Wochenmarkt von Bayht al Faqih ansehen, einer der größten und bekanntesten Märkte des Jemen. Doch fast muß ich diesen Entschluß bereuen.
Die Tempera-tur steigt weit über die 40-Grad-Marke, das Biken wird zur Tortur. Ich kann meinen Wasserverlust kaum ausgleichen, literweise stürze ich Wasser in mich hinein und muß während der heißesten Stunden des Tages im Schatten eines kleinen Hauses meinen Kreislauf wieder stabilisieren. Erste Halluzinationen und ein kurzer „Black.Out“ zeigten mir deutlich meine Grenzen und ich bin froh, als mich am späten Nachmittag ein Pickup das letzte Stück bis Bayt al Faqih mitnimmt.
Das orientalische Treiben am nächsten Tag bringt mich schnell wieder auf andere Gedanken. Rund 10.000 Menschen strömen hier aus allen Rich-tungen zusammen, tausend Gerüche, unzählige Händler, ein kaum zu beschreibendes Angebot an Waren, ich kann mich gar nicht satt sehen. Als Hobby-Fotograf fällt es mir schwer, mich von den nicht enden wollen-den Motiven zu lösen und meine Fahrt fortzusetzen. In der lähmenden Mittagshitze radle ich den Bergen entgegen. Ich wünsche mir, den vor mir liegenden Aufstieg auf 2.900 m bereits geschafft zu haben, aber bekanntlich liegt vor dem Lohn ja die Arbeit.
Langsam tritt die Wüste zurück, erste kleine Täler öffnen sich, ein kleiner Fluß plätschert zu meiner Linken, ich möchte kopfüber reinspringen. Palmen, Papaya- und Bananenpflanzen, das Wadi Surdud erscheint mir wie das Paradies. Tritt für Tritt schraube ich mich die ansteigende Straße nach Manacha hinauf, Kurve um Kurve hake ich ab, ich führe einen Kampf gegen meinen „inneren Schweinehund“.